Anti-Abschlepp-Garantie: E-Autos blockieren Ladesäulen – und die Stadt guckt weg
Immer mehr Hamburger schaffen sich E-Autos an, während die Zahl der Ladesäulen nur langsam steigt. Das sorgt für Frust – und dann sind auch noch viele der begehrten Stromtankstellen stunden- und sogar tagelang lang von Car-Sharing Autos blockiert. Dafür gibt es in Hamburg einen Grund.
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Immer mehr Hamburger schaffen sich E-Autos an, während die Zahl der Ladesäulen nur langsam steigt. Das sorgt für Frust – und dann sind auch noch viele der begehrten Stromtankstellen stunden- und sogar tagelang lang von Carsharing-Autos blockiert. Dafür gibt es in Hamburg einen besonderen Grund.
Wer in Hamburg einen freien E-Parkplatz zum Auftanken sucht, stellt häufig fest: Auf vielen stehen E-Autos von Carsharing-Unternehmen – und zwar nicht nur für die Dauer des Aufladens, sondern häufig viele Stunden, in Einzelfällen sogar Tage über die ausgeschilderte Höchstparkdauer hinaus.
Parken Hamburg: Ladesäule tagelang blockiert
Zwei Beispiele: Vergangene Woche blockierte ein E-Fahrzeug eines bekannten Carsharing-Unternehmens in Billstedt mehr als 70 Stunden eine E-Ladesäule. Hinweise an die Firma brachten keinen Erfolg: „Wir bedauern den Vorfall. Jeder Nutzer unserer E-Autos wird darauf hingewiesen, sich an Verkehrsvorschriften zu halten“ stand sinngemäß in einer automatisierten Antwortmail. Gleiches am vergangenen Dienstag in Ottensen: Dort blockierte ein E-Auto des gleichen Unternehmens fast 24 Stunden lang eine Ladesäule. Zwar war das Ladekabel angeschlossen, doch der Ladevorgang längst abgeschlossen.
Wird das nicht teuer für die Unternehmen? Laut Straßenverkehrsordnung darf man einen E-Parkplatz nur zum Aufladen, nicht zum Dauerparken nutzen. Verstöße kosten rund 50 Euro Bußgeld, im schlimmsten Fall wird man sogar abgeschleppt und kann sein Auto später für hunderte Euro aus der Verwahrstelle abholen. Bis Oktober 2022 wurden elektrische Carsharing-Autos tatsächlich wie alle anderen abgezettelt.
Parken Hamburg: „Strategische Vereinbarung“ benachteiligt private E-Autofahrer
Seitdem jedoch bleiben Mieter und Unternehmen bei derartigen Parkverstößen unbehelligt. Grund: Die Verkehrsbehörde hat mit den Firmen eine „strategische Vereinbarung“ getroffen – und die benachteiligt private Besitzer von E-Autos erheblich. „Diese Vereinbarung besagt unter anderem, dass wirtschaftliche Schäden wie z.B. Abschleppen von E-Autos der Anbieter abgewendet werden sollen, solange keine Gefahr für den öffentlichen Raum hervorgerufen wird“, so ein Sprecher der Behörde auf MOPO-Nachfrage.
Weil Carsharing politisch erwünscht ist, soll den Anbietern das Leben nicht unnötig schwer gemacht werden: Bevor ein Carsharing-Auto von einem Ladeplatz abgeschleppt wird, soll das Unternehmen vorgewarnt werden. Erklärtes Ziel: „Im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit wird den Carsharern die Möglichkeit eröffnet, bei schneller Reaktion ihr Fahrzeug zu entfernen, ehe ein Abschleppfahrzeug gerufen wird“. Muss trotzdem mal der Abschlepper kommen, sollen Carsharing-Wagen – anders als private E-Autos – nicht in die Verwahrstelle gebracht werden, sondern möglichst nur auf einen anderen Parkplatz in der Nähe.
Carsharing-Vorteile: Polizeigewerkschaft spricht von „Farce“
Die strategische Vereinbarung besagt aber auch, dass die Firmen bei Hinweisen auf Parkverstöße reagieren sollen und ihre Fahrzeuge etwa durch einen Mitarbeiter umstellen lassen. Passiert das? Auf MOPO-Anfrage dazu schrieb ein Unternehmen: „Wenn Kund:innen ein Fahrzeug rechtswidrig abgestellt haben, parken wir es nicht mehr um. Das haben wir eine Zeit lang gemacht und eine entsprechende Anfahrtpauschale berechnet. Daraufhin gab es jedoch Beschwerden, weil die Personen sagten, dass es ggf. gar nicht zu einem offiziellen Abschleppvorgang gekommen wäre“. Später revidierte die Sprecherin dann, dass sich ihr schriftliches Zitat auf die Allgemeinsituation bezog und nicht nur auf die Problematik an den Ladesäulen.
Heißt: Das Blockieren von E-Parkplätzen hat weder für den Nutzer, noch für das Unternehmen irgendeine Konsequenz. Private Besitzer von E-Autos dagegen müssen mit der vollen Härte der Straßenverkehrsordnung rechnen, wenn sie die Parkzeit überschreiten oder parken, ohne zu laden.
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Thomas Jungfer, Hamburger Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), ist empört: „Wie die Stadt Hamburg hier mit zweierlei Maß misst, ist schon eine Farce. Für jeden anderen Verkehrsteilnehmer entsteht ebenfalls ein hoher logistischer und wirtschaftlicher Aufwand, wenn sein Fahrzeug abgeschleppt wird.“
Parken Hamburg: Carsharing-Vereinbarung „verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“
Auch Lars Osburg, stellvertretender Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), ist entsetzt und sieht in der Vereinbarung zwischen der Behörde und den Unternehmen eine klare Benachteiligung für private E-Autobesitzer. Er selbst ist im Streifendienst tätig und hat häufig Carsharing-Autos, die widerrechtlich auf E-Parkplätzen standen abgezettelt – sogar Abschleppaufträge in die Wege geleitet.
„Ich hatte keine Kenntnis von dieser Vereinbarung und bin davon ausgegangen, dass die notierten Fahrzeuge, wie andere auch, rigoros abgeschleppt werden“. Die Sonderbehandlung, sagt der Beamte, störe sein Rechtsempfinden „empfindlich“: „Meiner Einschätzung nach verstößt das gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.“