„Ort der Gewalt“: Warum es Zoff um Park Fiction gibt
Die Musikboxen so laut wie im Club, umgetretene Klohäuser, zerdepperte Flaschen und jede Menge Mackergehabe: Park Fiction, der Ort mit den ikonischen Kunstpalmen, den die St. Paulianer sich 2003 als Gemeinschaftsprojekt erstritten haben, ist für viele Anwohner inzwischen eine No-Go-Area. Die Diskussionen im Stadtteil sind extrem kontrovers, es gibt zwei Anwohner-Initiativen mit unterschiedlichen Zielen. Was Nachbarn sagen und wie die Politik derzeit an einer Lösung scheitert, lesen Sie mit MOPO+ – jetzt für nur 99 Cent für vier Wochen testen!
Die Musikboxen so laut wie im Club, umgetretene Klohäuser, zerdepperte Flaschen und jede Menge Mackergehabe: Park Fiction, der Ort mit den ikonischen Kunstpalmen, den die St. Paulianer sich 2003 als Gemeinschaftsprojekt erstritten haben, ist für viele Anwohner inzwischen eine No-Go-Area. Die Diskussionen im Stadtteil sind extrem kontrovers. Viele aus der Nachbarschaft leiden unter dem Party-und-Pinkel-Park, sind aber nur anonym bereit, der MOPO ihre Sicht zu schildern – aus Angst vor rabiaten Mit-Kiezianern.
Ein Bewohner von St. Pauli, der den Park mit Blick auf die Hafenkräne schon von Anbeginn an kennt, erinnert sich: „Jahrelang saßen dort die Seniorinnen und schwatzten, Mütter und Väter kamen mit ihren Kindern, man kannte die Alkoholiker mit Namen. Jetzt ist das ein männlich dominierter Platz, auf dem man kaum noch eine Frau sieht.“ Irgendwann wurde aus dem Treffpunkt der Anwohner (bürgerlicher Name:„Antonipark“) ein Magnet für Partyvolk und Touris, die künstlichen Bäume tauchten in Marketing-Broschüren auf, die Rapper der 187-Strassenbande besangen 2016 die „Palmen aus Plastik“, samt Video.
Park Fiction auf St. Pauli: Ort der Gewalt
Die Atmosphäre änderte sich: „Aus dem Ort zum Seele-baumeln-lassen ist ein Ort der Gewalt geworden, des Exzesses und der totalen Rücksichtslosigkeit“, klagt eine Anwohnerin gegenüber der MOPO und schildert „Mannbarkeitsrituale“, die sie regelmäßig beobachtet: „Klohäuschen umwerfen, gegen Häuser pinkeln, Flaschen zerschlagen, Briefkästen anzünden.“ Dazu der ohrenbetäubende Lärm verschiedener Musikstile aus zahlreichen Boxen, jede Nacht: „Eigentlich ist es im linken Spektrum tabu, die Polizei zu rufen“, sagt ein weiterer Paulianer: „Aber Runtergehen und selbst was sagen, birgt das Risiko, aufs Maul zu kriegen. Das kann doch nicht die Zukunft des öffentlichen Raums sein.“ Park-Fiction als Angst-Ort.
Nur einer wagt sich aus der Deckung: Alfons Lukas (65) von der Anwohner-Initiative „Lärm im Park“. Er wohnt direkt am Park in einem Haus, das 2003 zeitgleich mit dem Park entstand. Der Vorwurf, die geplagten Anwohner seien alle mit der Gentrifizierung nach St. Pauli gekommen, empört ihn zutiefst: „Wir sind ein soziales Wohnprojekt, wir lassen Geflüchtete mietfrei bei uns wohnen, wir haben den Park mitentwickelt, aber wir sind nicht bereit, rund um die Uhr diesen gesundheitsgefährdenden Lärm hinzunehmen.“
Lärm: Anwohner klagen über Park Fiction
Die unterschiedlichen Haltungen zum Park gehen quer durch den Kiez. Neben den Lärmgeplagten, die sich vor einigen Monaten hilfesuchend an die Politik gewendet haben, gibt es eine zweite Anwohner-Initiative namens „Wohl oder übel“, die sich jeden staatlichen Eingriff in das „Stadtaneignungsprojekt“ verbittet: „Hallo, Bezirk Altona, Hände weg von Park Fiction!“ heißt es auf deren Facebookseite. Auch die Rote Flora hat sich eingeschaltet, verbreitet den „Wohl oder übel“-Text via twitter:
Die Angst der Genervten vor den rabiaten Park-Verteidigern ist groß. „Die legen mir sonst einen Schweinekopf vor die Tür“, begründet ein Kiezianer seine Bedingung, nur anonym mit der MOPO über den Streit im Quartier zu reden.
Alfons Lukas von der Anwohner-Ini fordert „sozialpolitische Lösungen.“ Sprich: Mehr Sozialarbeiter. Es wird ein frommer Wunsch bleiben: „Ein Bedarf an zusätzlicher Straßensozialarbeit wird derzeit nicht gesehen“, heißt es am 12. Januar in einer Antwort der Sozialbehörde auf einen Hilferuf des Bezirks Altona aus dem November 2021.
Brennpunkt Park Fiction auf St. Pauli?
Damals hatten Grünen- und CDU-Fraktion in Altona einen gemeinsamen Antrag zum „Brennpunkt Park Fiction“ gestellt, nachdem die Ini „Lärm im Park“ sich an die Bezirkspolitik gewendet hatte. „Es findet eine 24/7 Dauernutzung des Parks und dauerhafte Beschallung der Anwohner statt“ stellten die Politiker fest: „Die Feiernden sowie der Personenkreis der Drogenabhängigen nutzt ab dem Abend die kostenlose Toilette nicht mehr.“ Die Bezirksversammlung bat Sozial- und Umweltbehörde um Hilfe, vergeblich.
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Wie die Sozialbehörde lässt auch die Umweltbehörde den Bezirk mit seinen Party-und-Pinkel-Park-Problemen alleine und weist den Antrag, das Park-Klo in Zukunft zwei mal täglich reinigen zu lassen, zurück: Das Geld für die Reinigung von Hamburgs öffentlichen Toiletten ist restlos verplant.
Und nun? „Wir überlegen, uns teure Lärmschutzfenster einbauen zu lassen“, sagt einer der Anwohner resigniert. Alfons Lukas erzählt, dass einige Nachbarn sich Datschen zugelegt hätten, die sie sich eigentlich gar nicht leisten können: „Nur, um überhaupt mal Ruhe zu bekommen.“