Ottensens „Einrichter“: Traditionsbetrieb schließt nach 42 Jahren
„Der Einrichter – Hans Schrage“ steht seit mehr als 40 Jahren an dem Eckhaus Lobuschstraße 2. Jahrzehntelang fiel der Blick der Passanten durch die großen Schaufenster auf Polstermöbel, Tapeten und kostbare Stoffe. Jetzt steht Hans Schrage (78) in seinem leeren Verkaufsraum und ist bester Dinge. Der MOPO erklärt er, warum er sein Geschäft immer „mein Beerdigungsinstitut“ nannte, welche schicksalhafte Rolle einst ein Sonnenstrahl spielte und wie er als Profi-Kicker gegen Uwe Seeler und Franz Beckenbauer antrat.
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„Der Einrichter – Hans Schrage“ steht seit mehr als 40 Jahren an dem Eckhaus Lobuschstraße 2. Jahrzehntelang fiel der Blick der Passanten durch die großen Schaufenster auf Polstermöbel, Tapeten und kostbare Stoffe. Jetzt steht Hans Schrage (78) in seinem leeren Verkaufsraum und ist bester Dinge. Der MOPO erklärt er, warum er sein Geschäft immer „mein Beerdigungsinstitut“ nannte, welche schicksalhafte Rolle einst ein Sonnenstrahl spielte und wie er als Profi-Kicker gegen Uwe Seeler und Franz Beckenbauer antrat.
An der Wand des Ladens leuchtet eine gelbe Tapete mit italienisch anmutenden Häusern, ergänzt durch einen lavendelfarbenen Teppich. Man ahnt: Mit den auf Instagram gerade angesagten Wohnfarben Beige und Grau hat Hans Schrage es nicht so. „Nee“, sagt der Mann mit dem französischen Käppi: „Ich mag es gediegen und ein bisschen aus dem Rahmen fallend.“
Mit 18 Jahren hatte Hans Schrage einen lukrativen Profivertrag bei Altona 93 unterzeichnet: „Die zahlten mir 550 Mark!“ Die Gegner von damals wurden Stars („Ich habe in den 60er Jahren noch gegen Uwe Seeler und Franz Beckenbauer gespielt“), während der junge Kicker aus Ottensen auf seine Mutter hörte und eine Lehre als Polsterer anfing.
Mama hatte tatsächlich den richtigen Riecher: „Sie wusste, dass ich kreativ bin.“ Bei einem Polsterer und Galeristen lernte Hans Schrage sein Handwerk als Raumausstatter („wir haben kilometerweise Teppich verlegt“) – und hatte seine Berufung gefunden: „Ich habe mich und meine Ideen verkauft, das ist echt beglückend.“ Sein Standardschnack: „Ich bin der Einrichter. Die meisten Menschen richten sich ja zu.“
Hans Schrage, geboren in Ottensen
Mit 26 Jahren übernahm Schrage eine Polsterei in Ottensen, seinem geliebten Heimatquartier, geboren in der Planckstraße, schwimmen gelernt im längst verschwundenen Bismarckbad: „Wenn sie mich später in Japan oder den USA gefragt haben, wo ich herkomme, hab ich immer gesagt: ,Ich bin Mottenburger‘.“
1980 passierte dann die Sache mit dem Sonnenstrahl: „Ich arbeitete gerade in meiner Baracke, da fiel ein Sonnenstrahl auf den Eckladen gegenüber, da war ein Bestatter drin.“ Im Fenster standen eine Urne und eine Telefonnummer: „Da habe ich angerufen: Brauchen Sie den Laden noch?“ Das Unternehmen wollte den Standort tatsächlich loswerden – und Hans Schrage hatte seinen Traumladen für die nächsten 42 Jahre gefunden, fortan liebevoll „mein kleines Beerdigungsinstitut“ genannt.
Ein paar Schritte vom Verkaufsraum entfernt lag die Kellerwerkstatt, in der er für seine Kunden Sofas („Sofas! Nicht diese schrecklichen Schaumstofflandschaften!“) aufpolsterte, geerbte Stühle und verschlissene Sessel wieder schick machte. Seine Leidenschaft aber galt dem Einrichten: Zu den Kunden nach Hause gehen und Tapeten, Polsterstoffe und Vorhänge auswählen aus den Schätzen, die er von seinen Reisen mitgebracht hat. Sein Markenzeichen, das Käppi, verrät Schrages Faible für Paris: „Die Polsterer von Paris, das war die reine Inspiration für mich“.
Ottensener Traditionsgeschäft gibt auf
Während Hans Schrage im Laden die letzten Reste ausräumt, winken immer wieder Passanten durch die Schaufenster. Man kennt ihn im Quartier. Lange hat er versucht, einen Nachfolger zu finden, vergeblich: „Die Interessenten scheuten sich dann doch vor der Selbstständigkeit.“ Dabei könne man sich durchaus ein finanzielles Polster anlegen mit so einem Ein-Mann-Einrichtungsgeschäft, auch in Zeiten von schwedischen Billigmöbeln.
Wie er sich nun fühlt, so in seinem leeren Reich? „Och“, sagt Schrage, „ich bin alleine und mit Freude hier eingezogen und ich ziehe alleine und mit Freude wieder aus.“ Und außerdem: Die Ranch wartet auf den versierten Reiter: „Meine Frau und ich sind vor 28 Jahren in die Harburger Berge gezogen.“ Ein Haus auf einer Kuppe, mit Pferden, Hühnern, Hunden: „Ich muss wirklich sagen, ich hatte immer Glück im Leben.“ Er zeigt ein Foto seiner ersten Königspudeldame, schneeweiß und von den Kunden heißgeliebt: „Die hieß Zarah Leander.“ Gediegen und ein bisschen aus dem Rahmen fallend halt.