Osterburg-Prozess: Warum Senatorin Gallina nicht vor Gericht aussagen muss
Es war ein Nebensatz in einem Bericht der Deutschen Presseagentur, der in dieser Woche Irritationen auslöste. In dem Strafprozeß gegen ihren früheren Lebensgefährten Michael Osterburg soll Justizsenatorin Anna Gallina „zunächst nicht als Zeugin vernommen“ werden – und dass, obwohl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nahelegen, dass sie von den Betrügereien ihres Ex' möglicherweise gewusst, sehr wahrscheinlich aber profitiert hat. Die Opposition mutmaßt, „dass die Justizsenatorin hier geschont werden soll“.
Es war ein Nebensatz in einem Bericht der Deutschen Presseagentur, der in dieser Woche Irritationen auslöste. In dem Strafprozeß gegen ihren früheren Lebensgefährten Michael Osterburg soll Justizsenatorin Anna Gallina „zunächst nicht als Zeugin vernommen“ werden – und dass, obwohl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nahelegen, dass sie von den Betrügereien ihres Ex‘ möglicherweise gewusst, sehr wahrscheinlich aber profitiert hat. Die Opposition mutmaßt, „dass die Justizsenatorin hier geschont werden soll“.
Osterburg, mit dem Gallina einen gemeinsamen Sohn hat, soll sich rein private Ausgaben mithilfe fingierter Belege aus der grünen Fraktionskasse erstattet haben lassen. Dazu gehören neben einer Urlaubsreise ein Strauß mit 40 Rosen und Kinderbetreuungskosten (Gallina brachte zwei Kinder mit in die Beziehung).
„Die Kammer erachtet den 55-jährigen Angeklagten der gewerbsmäßigen Untreue, teilweise in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung, in insgesamt 121 Fällen für hinreichend verdächtig“, begründet das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens vor der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts am 19. April. Den nachweisbaren Schaden für die Staatskasse beziffert die Staatsanwaltschaft auf rund 33.000 Euro – der tatsächliche soll rund doppelt so hoch sein. Osterburg schweigt zu den Vorwürfen.
Osterburg: Restaurant-Besuche falsch abgerechnet?
Unter anderem geht es um zahlreiche Restaurantbesuche, vornehmlich bei Osterburgs Stamm-Italiener „Rucola e Parma“ in Eimsbüttel, wo der Fraktionschef nicht mit den Politiker:innen und Journalist:innen gespeist haben soll, die er auf den eingereichten Bewirtungsbelegen notierte. Die meisten der angeblich bewirteten Personen gaben an, dass die gemeinsamen Essen nie stattgefunden hätten und Gallina bestreitet nicht, dass in Wirklichkeit meist sie mit Osterburg gespeist habe. Öffentlich geäußert hat sich die Justizsenatorin dazu bis heute aber nicht.
In zwei staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen soll Gallina dem Vernehmen nach ausgesagt haben, Osterburg habe stets am Tresen bezahlt – und sich wohl auch die sichergestellten Fake-Belege ausstellen lassen – während sie noch am Tisch gesessen und von all dem gar nichts mitbekommen habe. Die Staatsanwaltschaft betont deshalb, es habe sich „kein zureichend tatsächlicher Anhaltspunkt für eine strafrelevante Beteiligung“ Gallinas an den mutmaßlichen Straftaten ihres Ex-Partners ergeben.
Anna Gallina: Wieso äußert die Senatorin sich nicht öffentlich?
„Absolut realitätsfern“, findet Gallinas Unschuldsbeteuerungen hingegen ein grüner Abgeordneter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, da öffentliche Kritik an der eigenen Senatorin bei den Grünen tabu ist.
Trotzdem soll, wie Gerichtssprecher Kai Wantzen bestätigt, „die Senatorin nach derzeitigem Stand nicht dazu gehört“ werden vor Gericht. Das „verwundert“ nicht nur die justizpolitische Sprecherin der Linken, Cansu Özdemir, sondern auch ihren CDU-Fraktionskollegen Richard Seelmaecker: „Es mutet sehr seltsam an, dass die Justizsenatorin nicht als Zeugin vorgesehen ist. Anders als andere Zeugen war sie mehrfach bei den angeklagten Taten anwesend. Und anders als bei den anderen Zeugen, soll sie selbst begünstigt gewesen sein.“ Deshalb erwartet Seelmacker von Gallina, „dass sie sich erklärt.“ Ihr „öffentliches Schweigen“ sei „spätestens seit Zulassung der Anklage trauriger Beleg dafür, dass sie nicht weiß, wie sie sich in ihrem Amt zu verhalten hat.“
Staatsanwaltschaft lädt Justizsenatorin nicht als Zeugin
Seit die 39-Jährige im Zusammenhang mit der tödlichen Messerattacke in Brokstedt durch den nur sechs Tage zuvor aus der Justizvollzugsanstalt Billwerder entlassenen mutmaßlichen Täter ins Kreuzfeuer geriet, ist Gallina ohnehin angeschlagen. Ihr und ihrer Behörde wurde vorgeworfen, wichtige Informationen falsch bewertet und zu lange zurückgehalten zu haben, die Opposition forderte wieder einmal ihren Rücktritt.

Dass eine Justizsenatorin, die im Verdacht steht, Begünstigte schwerer Straftaten zu sein und hierzu beharrlich schweigt, kaum tragbar ist, meint aber nicht nur die Opposition. „Bei dem, was sich an Vorwürfen gegen Frau Gallina aufgebaut hat, hätte jede SPD-Senatorin längst ihren Stuhl geräumt“, glaubt ein führender Sozialdemokrat, nicht ganz frei von Häme.
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Die Reihen fest geschlossen, stellen sich die grünen Parteifreund:innen noch hinter Gallina, egal was passiert, Rücktrittsforderungen werden nicht einmal kommentiert. „Irgendwann wird das kippen, viele Grüne warten nur noch auf die Sollbruchstelle“, glaubt eine Grünen-Abgeordnete und denkt „nicht, dass Gallina ewig zu halten sein wird.“