Osterburg-Prozess: „Man wusste nie, wann er aus der Haut fährt”
„Aufbrausend“, „einschüchternd“, „dominant“: Der Prozess gegen den ehemals mächtigen Bezirkspolitiker Michael Osterburg geht weiter – jetzt hatten drei Zeugen das Wort, darunter zwei Ex-Mitarbeiterinnen. Und sie zeichnen das Bild eines autoritären Chefs, dem sie nicht gern widersprachen.
„Aufbrausend“, „einschüchternd“, „dominant“: Der Prozess gegen den ehemals mächtigen Bezirkspolitiker Michael Osterburg geht weiter – jetzt hatten drei Zeugen das Wort, darunter zwei Ex-Mitarbeiterinnen. Und sie zeichnen das Bild eines autoritären Chefs, dem sie nicht gern widersprachen.
„Sehr angespannt und teils schrecklich“: So beschreibt die Ex-Geschäftsführerin Nina Fabricius (36) der Grünen-Bezirksfraktion Mitte die Stimmung im Büro, als Michael Osterburg (55) noch Vorsitzender war. Von 2015 bis Sommer 2018 arbeitete sie mit ihm. Heute sagt sie, er sei aufbrausend gewesen und wäre laut geworden. „Man wusste nie, wann er aus der Haut fährt“. Bei Fehlern bei Terminen etwa soll er eine studentische Mitarbeiterin zum Weinen gebracht haben. „Die letzte Zeit dort war ganz schlimm“.
Osterburg-Prozess: Es geht um fast 33.000 Euro
Der ehemalige langjährige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bezirk Mitte muss sich gerade vor dem Landgericht in Hamburg verantworten. Ihm wird gewerbsmäßige Untreue vorgeworfen, teils in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung. Es geht um 121 Fälle und knapp 33.000 Euro, die er sich laut Staatsanwaltschaft zwischen 2015 und 2019 zu Unrecht aus der Fraktionskasse erstattet haben soll – etwa für Reisekosten, Gegenstände und zahlreiche Restaurantbesuche, angeblich mit Politikern oder Journalisten.

Fabricius sagte am Donnerstag, Osterburg habe die Strukturen im Büro vorgegeben. Sie habe keine Ansprechpartner gehabt. Dass seine damalige Freundin Anna Gallina (Grüne) Parteivorsitzende war, habe es „nicht einfacher gemacht.“ Auch ihre Nachfolgerin Bettina Junge (48), die von Mitte 2018 bis zum Ende seiner Amtszeit 2019 mit Osterburg arbeitete, sagte, „man wurde ganz schön klein gehalten“. Angst habe sie jedoch nicht gehabt. Osterburg schüttelte bei diesen Erzählungen den Kopf und fühlte sich offensichtlich falsch dargestellt.
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Heikel ist auch die Aussage von Junge zu Kinderbetreuungskosten, für die sich Osterburg laut Anklage mehr als 9200 Euro erstatten ließ. Er habe ihr zum Ende seiner Amtszeit Druck gemacht, die Belege für die Buchhaltung abzufertigen. Auf einem soll eine Unterschrift gefehlt haben und verdächtig schnell nachgereicht worden sein. Als sie ihn auf „grobe Rechenfehler“ auf drei Belegen angesprochen habe, sei er „fies“ geworden. „Ich habe mich krass gemobbt gefühlt und hatte Schiss plötzlich“, sagt sie.
Hamburg: Falsche Angaben bei Bewirtung
Offene Fragen bleiben auch zu zahlreichen Amazon-Bestellungen über das Fraktionskonto – laut der Zeugen Unmengen Kabel, technische Geräte und Zubehör. Fabricius sagte, dass etwa Harry-Potter-Kostüme oder eine Nintendo-Spielekonsole nach ihrem Hinweis doch nicht über das Fraktionskonto abgerechnet wurden. Ein Knöllchen sei vom Steuerbüro beanstandet worden.
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Osterburg hatte am ersten Prozesstag eingeräumt, einiges aus Versehen über das Fraktionskonto bestellt zu haben, der Großteil habe aber Fraktionsbezug. Die beiden Zeuginnen sagen nun, er habe ihnen erklärt, die Sachen für seine IT-Betreuung zu brauchen – heiklerweise aber für mehrere Grüne-Fraktionen, nicht nur die des Bezirks Mitte. Die Zahl der Kabel soll laut Manuel Muja (Grüne) viel zu groß für das kleine Fraktionsbüro gewesen sein. Er habe der Fraktion nach seinem Ausscheiden die Arbeit als IT-Dienstleister angeboten, so Muja. „Solche Verträge hat er wohl auch anderen Bezirksfraktionen angeboten. Vielleicht hat er die Sachen so nutzen wollen.”
Muja – Osterburgs Nachfolger – hatte mit der Co-Fraktionsvorsitzenden Lena Zagst den Stein um die Affäre ins Rollen gebracht. Sie hatten Bewirtungsbelege mit ihren Namen entdeckt, bei denen „wir wussten, nicht teilgenommen zu haben“, so Muja. „Mettbrötchen wurde im Büro gegessen und nicht mit Anjes Tjarks (Verkehrssenator, Grüne, Anm. d. R.) bei Backhus“, sagte nun auch Junge. Osterburg hatte in einem Teilgeständnis falsche Angaben bei den Bewirtungsbelegen zugegeben – jedoch um „Tippgeber“ zu schützen. Osterburg äußerte sich am Donnerstag nicht. Der Prozess wird fortgesetzt.