Obdachlosigkeit: So will die Politik gegen Verelendung in der City vorgehen
Im September berichtete die MOPO über die zunehmende Verelendung in Hamburgs Innenstadt. Nun reagiert die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte. Sie plant ein neues Modellprojekt, das sich dem Problem der Obdachlosigkeit annehmen soll. Ein Experte sieht darin aber nicht mehr als eine wohlgemeinte Formulierung.
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Im September berichtete die MOPO über die zunehmende Verelendung in Hamburgs Innenstadt. Nun reagiert die Bezirksversammlung Mitte. Sie plant ein neues Modellprojekt, das sich des Problems der Obdachlosigkeit annehmen soll. Doch wie gut ist diese Initiative?
Der Vorwurf hatte es in sich: „Wir haben eine derartige soziale und psychische Verelendung in der Innenstadt, wie wir sie noch nie zuvor gesehen haben“, sagte Roland Kelm im September zur MOPO. Er gehört zum Team des Gesundheitsmobils und hilft Armen und Obdachlosen in Hamburg. Kelm sprach von einer „Mentalität der Elendsverwaltung“ und ergänzte: „Es fehlt der politische Wille, grundlegend etwas zu verbessern.“
Hamburg: Politik stellt Modellprojekt zur Obdachlosigkeit vor
Die Kritik scheint in der Politik angekommen zu sein. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte plant nun nämlich ein Modellprojekt, das sich des Problems der Obdachlosigkeit und Verelendung in der Hamburger Innenstadt annehmen will. Es trägt den umständlichen Namen „Quartiersbezogene aufsuchende Arbeit für Menschen in besonders prekären Lebenslagen”. Nicht nur der Titel ist schwer vermittelbar, auch der Inhalt kommt ziemlich theoretisch daher. Das Projekt sieht vor, dass zunächst die Zielgruppen analysiert werden sollen, um dann festzustellen, wie das bestehende Hilfesystem sinnvoll ergänzt werden kann. Dabei solle das bisherige Angebot auf mögliche Lücken überprüft werden.
Konkret bedeutet das für den Bezirk eine Vollzeitstelle Sozialarbeit, die den Kontakt zu Obdachlosen herstellen und als Ansprechpartner für alle Seiten dienen soll. Die Stelle ist zunächst auf ein Jahr befristet.
Die Bezirksfraktionen versprechen sich viel davon. „Das geplante Modellprojekt wird den Interessen aller gerecht“, sagt Fatih Can Karismaz, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Bezirksfraktion. „Den Obdachlosen wird vor Ort geholfen und durch die direkte Begleitung eine Leitlinie gestellt. Auch der Beschwerdelage der Anwohnenden und Gewerbetreibenden wird nachgegangen.“ Stefan Busch (CDU) sagt: „Wir wollen Obdachlosigkeit verringern und perspektivisch beenden. Das Modellprojekt mit aufsuchender Beratung und Betreuung für obdachlose Menschen ist eine weitere Initiative der Bezirkskoalition, die persönlichen Lebenslagen zu verbessern.“
Obdachlosigkeit: Mitarbeiter vom Gesundheitsmobil kritisiert Modellprojekt des Bezirks
Roland Kelm vom Gesundheitsmobil ist nicht überzeugt: „Es ist eine wohlmeinende Formulierung, die aber die Augen vor der Wirklichkeit und den Fakten verschließt.“ Für ihn müssen die Lücken im System nicht erst analysiert werden, sie lägen auf dem Tisch – und seien erheblich: „Die Angebote für Obdachlose sind untereinander nicht abgestimmt, es gibt keine Koordination und keine ausreichende medizinische Betreuung. Außerdem reichen die Sozialarbeiter hinten und vorne nicht aus.“
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Was es jetzt brauche, seien Sofortmaßnahmen, so Kelm. „Wir benötigen mobile Sozialarbeiter, – und davon mehrere – die in Bussen durch die Stadt fahren, jederzeit angerufen werden können und Schlafsäcke, Klamotten und Nahrungsmittel verteilen. Am besten haben sie noch einen Dolmetscher an Bord.“ Denn gerade mit Blick auf den Winter müsse schnell etwas passieren, wenn die Verelendung nicht weiter zunehmen soll.