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  • Foto: MOPO

Obdachlose in der Markthalle: So läuft das Notprogramm in der Konzert-Location

Hammerbrook –

Der Musikclub „Markthalle“ musste wegen Corona alle Veranstaltungen absagen. Dennoch ist dort immer noch Betrieb: Denn seit Ende vergangener Woche ist die Markthalle von 9.30 bis 16.30 Uhr als Tagesstätte für Obdachlose geöffnet. Mike Keller, der Geschäftsführer der Konzert-Location, ist von dem Modell überzeugt.

Am vergangenen Freitag war es endlich soweit: Die Markthalle hat ihre Türen für Obdachlose geöffnet – und wurde gleich gut besucht: Am Eröffnungstag kamen rund 70, zwei Tage später schon 140 Personen. „Das Angebot spricht sich schnell rum“, sagt Mike Keller zur MOPO. 

Obdachlosenhilfe in Hamburg: Eine Konzerthalle wird zur Tagesstätte

Die Markthalle ist dieses Jahr erstmals Teil des Winternotprogramms der Hansestadt, das wegen Corona ausgeweitet wird. Insgesamt stehen Bedürftigen an verschiedenen Standorten 1020 Betten für Übernachtungen zur Verfügung.

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Pluto (44) kommt ursprünglich aus Polen und lebt seit 27 Jahren in Deutschland. Der ehemalige Schweißer hat seine Frau und Kind verloren und lebt seit 14 Jahren auf der Straße. Pluto mag die Markthalle. Sie sei sehr ruhig, habe freundliches Personal und kurze Wege, erzählt er der MOPO.

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Tagsüber können sie sich aufwärmen und ein warmes Mittagessen bekommen. Durch die Markthalle kommt nun eine neue Aufenthaltsmöglichkeit für 200 Personen hinzu.

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Um die Konzert-Location für den ungewöhnlichen Einsatz fit zu machen, musste erst einmal „entrümpelt“ werden, erzählt Keller. Was sonst für die Auftritte von Musikern gebraucht wird, wurde weggeräumt.

Mike Keller

Mike Keller ist Geschäftsführer der Markthalle.

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Der gestufte Boden im großen Saal wurde stellenweise mit einem Holzboden abgedeckt, um Stolperfallen zu verhindern. Wo vorher Konzertbesucher tanzten, stehen nun Tische und Stühle.

Corona-Maßnahmen: Hygienekonzept und Luftfiltern sollen die Tagesstätte sicherer machen

Das warme Mittagessen für die Besucher wird vom Stamm-Caterer zubereitet, mit dem die Markthalle auch sonst zusammenarbeitet. Ansonsten übernimmt das Sozialunternehmen der Stadt Hamburg „Fördern und Wohnen“ die praktische Abwicklung in der Tagesstätte, stellt den Wachdienst und organisiert Einlasskontrollen, bei denen auch Fieber gemessen wird.

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Miroslav (59) kommt aus Polen und lebt seit zwölf Jahren in Deutschland – sieben davon auf der Straße. Die Markthalle sei freundlicher und durch die zentrale Lage besser zu erreichen als andere Einrichtungen, erzählt er der MOPO. Miroslav trifft hier Freunde, mit denen er sich austauschen kann und freut sich über die sozialen Kontakte. 

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So sollen Corona-Verdachtsfälle noch vor dem Einlass erkannt werden. Um das Ansteckungsrisiko zu vermindern sind neben dem Hygienekonzept mit Wegeführungen, Maskenpflicht und Desinfektionsmittelspendern auch acht Luftfilter aufgestellt, die Bakterien und Viren aus der Luft filtern sollen.

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Und wie ist das so, die Markthalle jetzt ganz anders zu erleben? „Es ist ein merkwürdiges Gefühl“, sagt Keller, „denn der Tagesablauf ist ganz anders als sonst.“ Er habe aber das Gefühl, das Richtige zu tun, betont er. „So können wir wenigstens ein bisschen helfen, ein Problem in der Stadt zu lindern.“

Geschäftsführer der Markthalle: „Ich kann das Modell empfehlen”

Außerdem bekommt die Markthalle eine Aufwandsentschädigung von der Stadt „Das ist keinesfalls mit dem Normalzustand zu vergleichen, bei dem wir jeden Abend volle Konzerte veranstaltet haben“, sagt der Geschäftsführer. „Es ist eine Notlösung zur Überbrückung. So bleiben wir über den Winter überlebensfähig.“ Noch bis März soll die neue Tagesaufenthaltsstätte geöffnet bleiben.

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Birgit (56) ist seit April obdachlos, weil ihre Wohnung ausgebrannt ist. Sie lebt derzeit in einer Unterkunft von „Fördern und Wohnen” und ist jetzt regelmäßig in der Markthalle. Birgit mag die Atmosphäre und freundlichen Menschen. 

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Mit dem Betriebsstart am Wochenende ist Mike Keller jedenfalls zufrieden. „Ich kann das Modell nur empfehlen“, sagt er. „Ich denke, wo es möglich ist, sollte man es auch an anderen Orten in der Stadt umsetzen.“

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