„Nur noch hohle Worte“: Wieso ein Hamburger Vorzeigeprojekt jetzt wackelt
Weniger Autos, Spielstraßen und vor allem klare Vorfahrt für Fußgänger und Radfahrer – so stellt sich die Initiative „Kurs Fahrradstadt“ die Zukunft der Mobilität in Eimsbüttel vor. Im Frühjahr 2021 bekam das Konzept „Superbüttel“ deutschlandweite Beachtung und wurde heiß diskutiert. Autofahrer fühlten sich ausgesperrt, Verkehrswende-Anhänger feierten es. Jetzt wackelt das Projekt gewaltig. Die Initiatoren sind auf Zinne. Es geht um Geld – aber auch um einen grundsätzlichen Konflikt zwischen SPD und Grünen.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Weniger Autos, Spielstraßen und vor allem klare Vorfahrt für Fußgänger und Radfahrer – so stellt sich die Initiative „Kurs Fahrradstadt“ die Zukunft der Mobilität in Eimsbüttel vor. Im Frühjahr 2021 bekam das Konzept „Superbüttel“ deutschlandweite Beachtung und wurde heiß diskutiert. Autofahrer fühlten sich ausgesperrt, Verkehrswende-Anhänger feierten es. Jetzt wackelt das Projekt gewaltig. Die Initiatoren sind auf Zinne. Es geht um Geld – aber auch um einen grundsätzlichen Konflikt zwischen SPD und Grünen.
„Wir verstehen die Stille nicht, zumal es der Politik so wichtig war, einen breiten Beteiligungsprozess aufzusetzen!“, beklagt sich Kai Ammer von „Kurs Fahrradstadt“ im Gespräch mit der MOPO. Er fühlt sich als Ideengeber bei der weiteren Entscheidungsfindung ausgebootet. „So müssen wir mühsam selbst recherchieren und vieles bleibt für uns nebulös“, sagt der Initiativen-Vertreter.
„Superbüttel“: Initiative beklagt Stille in der Bezirkspolitik
Bei „Superbüttel“ handelt es sich um das dicht bebaute Altbau-Quartier rund um die Rellinger Straße im Stadtteil Eimsbüttel. Dort soll nach dem Vorbild von Barcelona dem Autoverkehr sehr viel Platz weggenommen werden, um dafür Aufenthaltsflächen, Sitzmöglichkeiten oder Fahrradwege zu schaffen.
Der Stadtteil Eimsbüttel ist aus der Sicht der Initiative genau der richtige Ort für solch ein Modellprojekt. Knapp 18.000 Menschen leben dort auf gerade mal einem Quadratkilometer. Grünflächen sind dafür oft noch rar – im Bereich von Superbüttel“ machen sie derzeit noch nicht einmal vier Prozent aus.
„Gerade die Hitzewellen im Sommer sollten alle Alarmglocken schrillen lassen. Wir brauchen mehr Grün vor den Häusern. Das wird aber nicht gelingen, solange weiterhin auf den letzten Quadratmeter alles mit Autos zugestellt ist, die das Mikroklima noch weiter aufheizen“, argumentiert Ammer.
Projekt „Superbüttel“: Erste Schritte beschlossen
Tatsächlich war „Superbüttel“ schon oft Thema in der Eimsbütteler Bezirksversammlung. Grünen Fraktionsvorsitzender Ali Mir Agha erklärte der MOPO aber bereits, dass man sich entschieden habe, „Superbüttel in kleinen Schritten anzugehen.“ In der Rellinger Straße sei die Durchgangssperre für Autos zum Beispiel bereits beschlossen. Das freut Ammer zwar – für ihn und die Initiative steht allerdings fest, dass das nur der Anfang sein kann. Denn an der Verkehrssituation im gesamten Viertel ändere sich dabei zu wenig.
Problem ist laut Mir Agha das Geld. „Bevor ein Gesamtkonzept erstellt werden kann, muss auch die Finanzierung stehen.“ Davon sei man noch weit entfernt. Dem stimmt Moritz Altner von der Eimsbütteler SPD zu. „Ich sehe nicht, dass wir die finanziellen Mittel im Bezirk haben, um den ganzen Bereich umzubauen“, sagt er. Da müsse sich der Senat engagieren.
Initiative kritisiert Entscheidung der SPD im Grindelviertel
Auch wenn sich die Parteien dort einig sind, so geraten sie beim Inhaltlichen doch regelmäßig aneinander. Denn dass die Durchgangssperre für die Rellinger Straße bereits beschlossen wurde, freut zwar die Grünen, passt der SPD aber nicht. „Wir hätten gerne alle Schritte vorher mit den Bürgern abgestimmt“, so Altner. Auch bei der kürzlich von den Grünen vorgeschlagenen Fahrradzone im Grindel knatschte es zwischen den beiden Parteien. Das Konzept wurde schließlich mit den Stimmen der SPD abgelehnt. „Das kleine Quartier steht nach Einführung des Bewohnerparkens und der Veloroute jetzt vor dem Neubau der Bornplatzsynagoge“, sagte Fraktionsvorsitzender Gabor Gottlieb. „Wir finden es nicht richtig, noch ein Prestige-Projekt drüberzustülpen.“
Darüber kann Kai Ammer nur den Kopf schütteln. Diese Entscheidung der SPD mache ihn unruhig in Bezug auf „Superbüttel“. „Wie ernst ist es Eimsbüttel mit einem klimafreundlichen Stadtumbau?“, fragt er. Bessere Voraussetzungen als in diesem Stadtteil gebe es aus seiner Sicht nicht. „Wenn eine solche Situation nicht durch die Politik genutzt wird, sind all die hehren Worte zu Klimaschutz, die nun sogar in der Hamburger Verfassung verankert sind, nur noch hohl“, kritisiert der Initiativen-Vertreter.