Nothilfe für Kinder: Müssen Jugendliche bald in Zelten schlafen?
Es wird einfach nicht ruhig um den Hamburger Kinder- und Jugendnotdienst (KJND). Die größte Jugendhilfeeinrichtung der Stadt ist wieder einmal überlastet. Während die Sozialbehörde auf die gestiegene Zahl Geflüchteter verweist, sieht die Linksfraktion ein strukturelles Problem: Die Inobhutnahme vernachlässigter und misshandelter Kinder sei von einer zentralen Einrichtung gar nicht leistbar.
Es wird einfach nicht ruhig um den Hamburger Kinder- und Jugendnotdienst (KJND). Die größte Jugendhilfeeinrichtung der Stadt ist wieder einmal überlastet. Während die Sozialbehörde auf die gestiegene Zahl Geflüchteter verweist, sieht die Linksfraktion ein strukturelles Problem: Die Inobhutnahme vernachlässigter und misshandelter Kinder sei von einer zentralen Einrichtung gar nicht leistbar.
Für Hamburger Kinder in Not ist er häufig der letzte Anker: Der KJND bietet jungen Menschen Schutz, wenn sie in ihren Familien Vernachlässigung und Gewalt ausgesetzt sind. Zumindest übergangsweise erhalten sie dort ein neues Zuhause. Doch das Hilfesystem ist überfordert, die Kapazitäten werden dem Bedarf nicht gerecht. Die aktuellen Zahlen machen das deutlich: Zuletzt waren dort 218 Personen untergebracht, bei gerade mal 155 Sollplätzen.
Hamburg: Jugendhilfe ist massiv überlastet
Auch wenn die Belegung nach einem zwischenzeitlichen Höchststand mit 256 Kindern wieder etwas gesunken sind, ist die Einrichtung in der Feuerbergstraße in Ohsldorf noch immer massiv überbelegt. Ein Ort zum Wohlfühlen? Eher nicht. „Die Situation im KJND macht sprachlos: Die Verhältnisse, unter denen die Kinder und Jugendlichen dort leiden, sind untragbar,“ sagt Sabine Boeddinghaus, Fraktionsvorsitzende der Linken.

Die Sozialbehörde führt die hohen Zugangszahlen bei minderjährigen Flüchtlingen als Begründung für die Überbelegung an: „All diese Menschen unterzubringen und zu versorgen ist eine große Herausforderung,“ sagt Pressesprecher Wolfgang Arnhold auf MOPO-Anfrage.
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Die Linke hat den Senat in einer Anfrage zu den Zuständen befragt: Danach wurden in die vorhandenen Schlafräume Zusatzbetten gestellt, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Da das nicht ausreichte, kamen Wohncontainer hinzu, zudem wurden 29 minderjährige Flüchtlinge in einer Turnhalle untergebracht. Inzwischen wurden sogar Zelte errichtet. Doch die Sozialbehörde betont, dass sie bisher nur als Notreserve bereitgehalten werden und nicht in Gebrauch sind.
Neben der Überbelegung herrscht in der Einrichtung akuter Personalmangel: Rund 18 Stellen sind aktuell unbesetzt, dazu gab es dieses Jahr bereits sechs Ausfälle durch langzeiterkrankte Mitarbeiter, im vergangenen Jahr waren es sogar 15. Auch die Überlastungsanzeigen der Mitarbeiter häufen sich. „Wie hier der Schutzauftrag noch gewährleistet werden kann, bleibt ein Rätsel“, schreibt die Linksfraktion in einer Stellungnahme.
Die Sozialbehörde bittet die freien Träger um Unterstützung
Boeddinghaus und ihre Kollegen pochen darauf, das Hilfesystem zu dezentralisieren, was der Senat jedoch ablehnt. Behördensprecher Arnhold argumentiert, dass der KJND ohnehin nur 40 Prozent aller Inobhutnahmen stemme. Für diese Fälle sei „eine zentrale Inobhutnahmestelle in der Feuerbergstraße fachlich wie praktisch sinnvoll.“ Gleichzeitig appelliert die Behörde an die 170 freien Träger der Stadt, sie bei der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu unterstützen. Dafür fehle es an den Voraussetzungen, meint Boeddinghaus. Die Träger bräuchten verlässliche Strukturen, also auch mehr Geld, um Aufnahmekapazitäten langfristig bereithalten zu können.
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Laut Arnhold laufen derzeit noch die Verhandlungen mit den freien Trägern der Jugendhilfe. Falls es nicht bald zu einer Einigung kommt, werden die Zelte wohl doch noch zum Einsatz kommen müssen. Unterdessen fallen draußen die Temperaturen.