• Hamburger stehen in der Warteschlange vor einem Testzentrum  (Symbolbild).
  • Foto: dpa

Neue Risikogruppe: So trifft Corona jetzt die Jüngeren – was Experten fordern

In Deutschland gibt es eine neue Risikogruppe: Viele Menschen unter 80 Jahren sind noch nicht geimpft und könnten von der dritten Welle besonders hart getroffen werden. Experten wie der Leiter des Hamburger Impfzentrums fordern jetzt, den Impfstoff von Biontech vor allem an Jüngere zu vergeben.

Die größte Gruppe der Infizierten in Hamburg waren vergangene Woche die 20- bis 40-Jährigen. In den älteren Jahrgängen und in den Pflegeheimen sinken die Zahlen derweil stetig. Fast 130 Hamburger über 70 Jahren hatten sich mit dem Coronavirus infiziert, bei den 20- bis 40-Jährigen waren es etwa fünf Mal so viele.

Ältere geimpft, Jüngere werden Risikogruppe

Weil die Wahrscheinlichkeit, an einer Covid-Erkrankung zu sterben, bei Älteren am höchsten ist, sind diese zum Großteil schon geimpft. So geht auch die Zahl der vermeldeten Todesfälle insgesamt zurück.

Das könnte Sie auch interessieren: Inzidenz über 100 – Was das jetzt für Hamburg bedeutet

Das Problem: Wenn sich die Pandemie weiter ausbreitet, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Krankenhäuser und Intensivbetten bald mit jüngeren Patienten füllen. Diese Entwicklung zeigt sich aktuell bereits in Israel, dem weltweit führenden Land beim Impfen. Denn auch jüngere Menschen, insbesondere mit Vorerkrankungen, kann das Virus schwer treffen.

Die Neuinfektionen nach Altersgruppen in Kalenderwoche 10.

Die Neuinfektionen nach Altersgruppen in Kalenderwoche 10. Die roten Ziffern zeigen den Anstieg im Vergleich zu den Infektionszahlen der Vorwoche.

Foto:

Hamburger Senat/Screenshot

Inzidenzen in jungen Altersgruppen steigen

Auch die Zahlen des Robert Koch-Instituts zeigen deutlich, dass die Inzidenzen bei den jüngeren Deutschen seit Anfang Februar wieder steigen – während sie in den älteren Altersgruppen deutlich sinken. Allein in den Gruppen zwischen 15 und 44 Jahren lag die Inzidenz in der letzten Woche jeweils über 100. Hinzu kommt das Risiko, dass jüngere Menschen meist mobiler sind und das Virus leichter verteilen können.

Leiter des Hamburger Impfzentrums fordert Biontech für Jüngere

Dirk Heinrich, Leiter des Hamburger Impfzentrums, fordert im „Tagesspiegel“ am Mittwoch mehr Impfstoff von Biontech/Pfizer an Jüngere zu geben. Neue Studiendaten aus Israel sollen zeigen, dass der bisher vor allem für Ältere eingesetzte Biontech-Impfstoff auch eine Virusübertragung verhindere. Zu einem ähnlichen Schluss kam Ende Februar auch schon eine britische Studie. Vor allem für Bevölkerungsgruppen mit vielen Kontakten wie Lehrer, Kita-Mitarbeiter oder Pflegekräfte sieht Heinrich diesen Schritt als sinnvoll an.

Dirk Heinrich ist der medizinische Leiter des Hamburger Impfzentrums.

Dirk Heinrich ist der medizinische Leiter des Hamburger Impfzentrums.

Foto:

dpa

Hamburger Impfarzt Heinrich: AstraZeneca für Ältere

Weiterhin geht Heinrich davon aus, dass der AstraZeneca-Impfstoff von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) weiter zugelassen werde. Dann müsste er aber seiner Ansicht nach anders zum Einsatz kommen.

„Wir wissen aus Großbritannien, dass AstraZeneca zu 100 Prozent die Hospitalisierungen und den Tod verhindern kann. Auch bei älteren Menschen“, so Heinrich. Daher wäre es die rationalste Lösung, zu sagen, „AstraZeneca ist der Impfstoff, der für die ältere Bevölkerung der geeignetste ist“.

Weitere Experten für Strategiewechsel beim Impfstoff

Bei älteren Menschen gebe es auch weniger allergische Impf-Reaktionen, sagte Heinrich der Zeitung mit Blick auf die AstraZeneca-Erfahrungen im Hamburger Impfzentrum. Heinrich ist auch Vorsitzender des Virchowbundes, der laut eigenen Angaben die Interessen von 144.000 niedergelassenen Haus- und Fachärzten vertritt.

Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist dieser Meinung: „Wenn der Astra-Impfstoff jetzt an Jüngere ginge, wäre das falsch“, schreibt er auf Twitter.

Das könnte Sie auch interessieren: Was ist dran am Vergleich mit der Antibabypille?

Die aufgetretenen Komplikationen – Sinusvenenthrombosen im Hirn – habe es laut des Paul-Ehrlich-Instituts vor allem bei Frauen zwischen 20 und 50 gegeben. Insgesamt acht Fälle von Thrombosen in den Hirnvenen sollen in Deutschland bis Dienstagabend im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sein. Diese Zahl der Fälle sei statistisch höher als in der Bevölkerung ohne Impfung.

Drosten: Statistik über Thrombosen könnte Problem haben

Die Häufung dieser seltenen Thrombosen in kurzer Zeit könnte aber auch auf ein statistisches Problem hinweisen. Das sagte Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast „Coronavirus Update“. In Deutschland waren zunächst nur unter 65-Jährige mit AstraZeneca geimpft worden, also vor allem medizinisches Personal und Pflegekräfte.

In diesen Berufen arbeiten vor allem Frauen. In England waren bevorzugt Ältere geimpft worden, dort hatte es keine Häufung der Thrombosen gegeben. Drosten fragte: „Könnte es sein, dass das die Statistik färbt?“ Bei Frauen seien Probleme mit Thrombosen generell häufiger.

WHO empfiehlt Fortsetzung für AstraZeneca

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bis auf Weiteres eine Fortsetzung der Impfungen mit AstraZeneca empfohlen. Die Vorteile würden nach Ansicht der WHO die Risiken überwiegen. Als nächstes will sich die Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) dazu beraten und am Donnerstag einen Risikobericht vorlegen. Sollte auch sie grünes Licht geben, wird über die Verwendung der Impfstoffe womöglich neu beraten werden können.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp