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  • Die Viermastbark „Peking“ bei der Überführung nach Hamburg.
  • Foto: dpa

Neue Attraktion für Hamburg: „Peking“: Was dieses Schiff so besonders macht

Drei Jahre wurde der legendäre Flying-P-Liner der Reederei Laeisz im Auftrag der Stiftung Hamburg Maritim auf der Peters Werft in Wewelsfleth restauriert. Nach 88 Jahren kehrte die historische Viermastbark erstmals wieder zurück in ihren Heimathafen Hamburg und machte am Bremer Kai an ihrem vorläufigen Liegeplatz fest, bevor sie in einigen Jahren als Hauptattraktion des künftigen Deutschen Hafenmuseums im Stadtteil Grasbrook vor Anker gehen wird. Die MOPO erklärt, was dieses Schiff so besonders macht.

„Der Sturm wurde immer stärker. Schon am Nachmittag erreichten die Wellen eine Höhe, die alles übertraf, was der Kapitän jemals in der Nordsee gesehen hatte“, schreibt Irving Johnson. Riesige Wellenberge türmten sich auf. „Pausenlos rollten, hüpften, schlingerten und tauchten wir.“

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In schwerer See: Die Männer mussten sogar im schlimmsten Sturm die Masten hoch.

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Mopo-Archiv

Das Schiff habe geknarrt, als hätte es Gefühle, als würde es Angst und Schmerzen empfinden angesichts dieses furchtbaren Orkans. Und mittendrin Kapitän Jürgen Jürs. Ein Mann von 1,90 Meter Größe. 110 Kilo reine Muskelmasse. „Er bot ein großartiges Schauspiel“, so Johnson, „wenn er laut rufend, fürchterlich fluchend und mit den Armen wedelnd über Deck stapfte. Er war das Abbild eines verknitterten, bellenden, mit allen Wassern gewaschenen Seebären.

Peking: So hart war das Leben an Bord

Wir schreiben das Jahr 1929. Der US-amerikanische Autor, Abenteurer und Segler Irving Johnson (1905-1991) begleitete die „Peking“ auf einer Salpeterfahrt nach Chile. Johnsons Tagebuch und sein Film über die Reise   sind einzigartige Zeitdokumente, zeigen sie doch auf eindrucksvolle Weise, wie hart das Leben an Bord der Großsegler war. Segeln bei Orkanstärke hatte nichts zu tun mit Seefahrerromantik: Die Männer froren in ihren Kojen vor Feuchtigkeit und Kälte fest, mussten sogar beim schlimmsten Sturm die Masten hoch, um die Segel zu bergen. 

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Wunderschön restauriert: die Masten der „Peking“.

Foto:

dpa

Schiffe wie die „Peking“ wurden rein mit Muskelkraft gesegelt. Umso wichtiger war es, dass erfahrene Kapitäne das Kommando führten. So wie der legendäre Jürgen Jürs (1881-1945) aus Elmshorn, der in seinem Leben 66 Mal Kap Hoorn umrundete, ohne auch nur ein einziges Mal Schiffbruch zu erleiden. Jürs hatte eine Autorität, als wäre er der liebe Gott persönlich.  Johnson beschrieb in seinem Tagebuch, wie Jürs reagierte, wenn einer der Seeleute einen Fehler machte: nämlich mit einem zielsicheren Pantoffelwurf.

Peking: So kam das Schiff zu seinem Namen

„P“. Mit diesem Buchstaben beginnen die Namen aller Segler der  Reederei Laeisz: „Pangani“, „Petschili“, „Pamir“, „Passat“, „Pola“, „Priwall“, „Padua“, „Peking“. Das waren die acht letzten Großsegler, die Laeisz zwischen 1903 und 1926 in Auftrag gab. Schwarzer Rumpf, weiße Wasserlinie, rotes Unterwasserschiff. So sahen sie aus. Unter dem Namen „Die acht Schwestern“ wurden diese Viermaster zur Legende. Ihren Weltruf erlangten sie durch die einzigartige Verbindung von Geschwindigkeit und wetterunabhängiger Sicherheit. 

Es war der 25. Februar 1911, als die 115 Meter lange „Peking“ bei Blohm & Voss vom Stapel lief und auf Salpeterfahrt geschickt wurde. Die Nachfrage nach dem Nitrat, das vor allem für die Düngemittel- und Sprengstoff-Herstellung benötigt wurde, war riesengroß. Abgebaut wurde das „weiße Gold“ vor allem in der Atacamawüste im Norden Chiles. Auf jeder Reise umsegelte die „Peking“ zwei Mal Kap Hoorn. Insgesamt brachte sie es auf 34 Umrundungen.

Hamburg: Wie die „Peking“ verkauft wurde

Als im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, befand sich das Schiff gerade vor Valparaiso auf Reede – an ein Auslaufen war jetzt nicht mehr zu denken. Vier Jahre wurde es „interniert“, bevor es schließlich nach London kam. 1923 kaufte die  Reederei Laeisz das Schiff zurück, verkaufte es aber 1932 unter dem Druck der Weltwirtschaftskrise nach  England, wo es in „Arethusa“ umbenannt und in Upnor nahe Rochester als stationäres Schulschiff fest verankert wurde.

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In den 30er Jahren diente die auf der Werft Blohm+Voss erbaute „Peking“ in Großbritannien als Schulschiff. Dort wurde sie in „Arethusa“ umbenannt.

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Mopo Archiv

Dort blieb es – bis 1974 die amerikanische Stiftung „J. Aron Charitable Foundation“ den Viermaster ersteigerte und ihn nach New York brachte, wo er  seinen Namen „Peking“ zurückbekam und als Attraktion für Besucher am Pier des „South Street Seaport Museum“ auf dem Hudson River vor Anker lag. Als das Museum infolge der Schäden, die Hurrikan „Sandy“ im November 2012 hinterließ, in die Insolvenz geriet, fiel die Entscheidung, die „Peking“ zu verschenken –  sofort  bekundete Hamburg Interesse. 

Video-Playlist: Hier kehrt die „Peking“ nach Hamburg zurück

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Die Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) setzten sich in Berlin dafür ein, dass der Bund die Kosten für Transport und Sanierung übernimmt: 38 Millionen Euro. Viel Geld. Aber die „Peking“ ist diese Investition wert. 109 Jahre nachdem sie in Hamburg vom Stapel lief, kehrt sie heute zurück. Die Stadt Hamburg ist  stolze Besitzerin eines der letzten Flying-P-Liner, die es noch gibt: Die „Passat“ und die „Pommern“ sind heute Museumsschiffe – das eine liegt in Travemünde, das andere kann im finnischen Mariehamn bestaunt werden. Die „Padua“ fährt unter dem Namen „Kruzenshtern“ noch zur See und ist regelmäßiger Gast beim Hamburger Hafengeburtstag. Alle anderen Schiffe dieser stolzen Klasse – es waren mal 65 – sind längst gestrandet, gesunken oder verschrottet.

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Ein Blick ins Innere der „Arethusa“, wie die Engländer die „Peking“ getauft hatten.

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Mopo Archiv

Welches von den vier Übriggebliebenen das schönste ist? Für Joachim Kaiser von der Stiftung Hamburg Maritim gar keine Frage: die „Peking“. Sie vermittele, sagt er, einen sehr realistischen Eindruck davon, wie ein Frachtsegler aus der Zeit der Salpeterfahrt aussah, denn sie wird deutlich näher am Original sein als etwa die „Passat“ in Travemünde. Kaisers Begeisterung gilt vor allem dem riesigen Laderaum, der sich über zwei Ebenen erstreckt. „Man kann hier 85 Meter weit durchschauen“, sagt er, „das ist doch phänomenal.“ Mit einer „Kathedrale aus Stahl“ wird die „Peking“ schon verglichen.

Und so können sich nun die Besucher mit ein bisschen Fantasie sehr gut vorstellen, wie das einst war, als die Brecher übers Schiff gingen, wie die Seemänner die Wanten hochkletterten, wie Kapitän Jürs Kommandos in den Sturm brüllte – und mit Pantoffeln warf, wenn er sich ärgerte.

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