Neben Bornplatzsynagoge: Liberale Juden in Hamburg fordern eigenes Gotteshaus
Sie war die Wiege des liberalen Judentums: die Synagoge an der Poolstraße (Neustadt) in Hamburg. Seit Jahren wird darüber nachgedacht, was aus den Resten des während des Zweiten Weltkrieges zerstörten ehemaligen jüdischen Tempels werden könnte. Jetzt hat die liberale jüdische Gemeinde eine Machbarkeitsstudie zum Wiederaufbau vorgelegt – und teilt dabei heftig gegen den Hamburger Senat aus.
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Sie war die Wiege des liberalen Judentums: die Synagoge an der Poolstraße (Neustadt) in Hamburg. Seit Jahren wird darüber nachgedacht, was aus den Resten des während des Zweiten Weltkrieges zerstörten ehemaligen jüdischen Tempels werden könnte. Jetzt hat die liberale jüdische Gemeinde eine Machbarkeitsstudie zum Wiederaufbau vorgelegt – und teilt dabei heftig gegen den Hamburger Senat aus.
Mit Argwohn beobachten die Mitglieder des Israelitischen Tempelverbands, Liberale Jüdische Gemeinde in Hamburg, schon seit Längerem die Fortschritte bei den Plänen zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Grindelviertel (Rotherbaum). Mit den Orthodoxen will man nichts zu tun haben. Damals im Jahr 1817 nicht, als der Bau der Synagoge Poolstraße beschlossen wurde. Und heute nicht.
Liberale Jüdische Gemeinde Hamburg fühlt sich ignoriert
„Bei der Machbarkeitsstudie zum Wiederaufbau der ehemaligen orthodoxen Hauptsynagoge am Bornplatz sind die Bedürfnisse der (liberalen, Anm. MOPO) Gemeinde nicht berücksichtigt, sondern regelrecht durch den Senat und die Bürgerschaft ignoriert worden“, heißt es in der am Montag vom Tempelverband vorgelegten eigenen Machbarkeitsstudie zur Poolstraße.
Gleichzeitig wird gefordert, dass die beiden „Hauptrichtungen des Judentums“ gleichberechtigt gefördert werden müssten. Auch das liberale Judentum brauche ein Zuhause, heißt es weiter in dem Papier der Gemeinde, die ihre Gottesdienste aktuell behelfsmäßig in einer Turnhalle im Karoviertel abhalten muss.
Der von dem Berliner Architektur-Professor Jost Haberland ausgearbeitete Vorschlag sieht die Restitution einer Synagoge mit 300 Sitzplätzen sowie eines Gemeindezentrums samt Rabbinerbüro an der Poolstraße vor. Vorgesehen sind darüber hinaus Räumlichkeiten für eine umfassende Bibliothek, ein Archiv, eine Küche, einen Laden für Bücher, Souvenirs und koschere Lebensmittel sowie einen eigenen liberalen Kindergarten. Nach einer ersten Schätzung könnten sich die Kosten auf rund 20 Millionen Euro belaufen.
Machbarkeitsstudie: Wiederaufbau der Synagoge Poolstraße könnte 20 Millionen Euro kosten
Der Hamburger Senat weist die Kritik an einer Ungleichbehandlung der Jüdischen Gemeinden zurück. „Der Senat fördert und schützt das Jüdische Leben in Hamburg und achtet hierbei selbstverständlich auf die gleiche Förderung der Jüdischen Gemeinden Hamburgs“, heißt es in einem Statement für die MOPO. Beide Gemeinden würden pro Mitglied die gleichen Gelder erhalten, die Stadt unterstütze den Tempelverband bei der Bereitstellung von Räumlichkeiten und beteilige ihn bei allen Prozessen zur Poolstraße.
Auch Senator Andreas Dressel (SPD) erklärte, die „Hand zur Liberalen Jüdischen Gemeinde Hamburg“ bleibe ausgestreckt. Aktuell würden Restaurierungsarbeiten an der Tempelruine stattfinden. Eine geplante Bodenuntersuchung solle außerdem ergeben, welche städtebaulichen Möglichkeiten sich auf der Fläche bieten. Noch in dieser Woche solle es einen von der Finanzbehörde organisierten Workshop geben, zu dem unter anderem auch die Liberale Jüdische Gemeinde eingeladen ist. Geplant sei es, verschiedene Nutzungsideen zu diskutieren.
Liberale Jüdische Gemeinde pocht auf „historisch verbriefte Rechte“
Eike Steinig, zweiter Vorsitzender der Liberalen Gemeinde, lehnt das ab. „Die Veranstaltung ist eine Farce“, schimpft Steinig. Dem Senat gehe es darum, das Tempel-Areal wirtschaftlich zu entwickeln. „Eine wirtschaftliche Entwicklung des Tempel-Areals empfinden wir als Wiederholung des unserer Gemeinde angetanen Unrechts in der Nazi-Zeit.“ Und: „Wir haben historisch verbriefte Rechte an dem Gelände“, so Steinig, der betont, der Tempelverband sei legitimer Rechtsnachfolger der Liberalen Jüdischen Gemeinde vor dem Holocaust.
Für den Senat steht das allerdings noch nicht fest: So „ist diese Frage Gegenstand eines derzeit laufenden Verwaltungsverfahrens auf Verleihung der Rechte einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts, das noch nicht abgeschlossen ist.“
Vom Ausgang dieses Verfahrens hängt einiges ab. Der Tempelverband wünscht sich beispielsweise eine Rückgabe des Geländes an der Poolstraße – ähnlich wie am Joseph-Carlebach-Platz, den die Stadt der Jüdischen Gemeinde kürzlich 85 Jahre nach der Nazi-Enteignung zurückgegeben hatte. „Die Wiederherstellung des Tempels ist nicht nur ein architektonisches Vorhaben, sondern auch eine Verpflichtung, die kulturelle und religiöse Vielfalt in Hamburg zu bewahren und fördern“, heißt es in der Machbarkeitsstudie.