Carlo von Tiedemann über Drogen, die Liebe und sein „erstes Mal“
Er gehört für die Hamburger zur Familie: Seit 50 Jahren ist Carlo von Tiedemann Gesicht und Stimme (Lieblingswort: „Sensationell!”) des NDR. Am 20. Oktober wird die Moderatorenlegende 80. Die MOPO sprach mit ihm über seine „erstes Mal“ als Radioreporter, ein „Si“, das sein Leben veränderte, über die Liebe – und über die schlimme Zeit der Drogenexzesse.
Er gehört für die Hamburger zur Familie: Seit 50 Jahren ist Carlo von Tiedemann Gesicht und Stimme (Lieblingswort: „Sensationell!”) des NDR. Am 20. Oktober wird die Moderatorenlegende 80. Die MOPO sprach mit ihm über sein „erstes Mal“ als Radioreporter, ein „Si“, das sein Leben veränderte, über die Liebe – und über die schlimme Zeit der Drogenexzesse.
MOPO: Herr von Tiedemann, Sie..
Carlo von Tiedemann: Wollen wir uns nicht duzen? Ich bin Carlo.
Gerne. Also, Carlo, du wirst 80, wie geht es dir?
Mir geht’s gut. Ich habe eine unheilbare Herzkrankheit, die knappst ihren Teil an Lebensjahren ab und ich watschele ein bisschen, aber ich werde 80! 80, Freunde! Ich kann das gar nicht glauben. 80, das ist so ein geiles Alter, ganz ehrlich.
Was ist das Tolle an dem Alter?
Dass ich das überhaupt erlebe! Das hätte ich nicht gedacht, so seriös, wie ich immer gelebt habe. Andererseits: Papa ist 101 geworden, der hat noch mit 80 die Steinkohle aus dem Keller geschleppt. Die Gene sind also da.

Stichwort Papa: Von Haus aus hast du ja einen sehr langen Namen.
Carl Ferdinand Hanns Joachim Franz Friedrich von Tiedemann.
Wer hat dann Carlo draus gemacht?
Das kam während meiner Jahre in Buenos Aires.
Wie bist du denn da hin geraten?
Das war 1968 bis 1970, da war ich für den Auslandsdienst vom Springer Verlag in Argentinien – aus Liebe zu meinen Eltern.

Du bist für deine Eltern nach Argentinien?
Ich war ja Einzelkind und ich konnte nicht erwachsen werden. Mama und Papa haben mich mit ihrer Liebe überschüttet, ich wohnte ja mit 25 noch Zuhause. Und da dachte ich: Ich muss mal Entfernung schaffen zwischen uns. Damals war ich Lokalredakteur beim Abendblatt und sagte, ich will gerne ins Ausland. Die fragten, ob ich spanisch spreche, ich sagte ‚Si‘, das war das einzige spanische Wort, das ich kannte und so kam ich zu einem Zweijahresvertrag für Argentinien.
Und das hat funktioniert?
In Buenos Aires habe ich das einzig Richtige gemacht und habe mir sofort eine südamerikanische Freundin angelacht. So. Und die hat mich Carlo genannt.
Erzähl mal von deinen Eltern, wie waren die so?
Papa war ja schon 65, als ich kam, aber das Alter habe ich nie gemerkt. Das war der wichtigste Mensch in meinem Leben. Der war Generalleutnant der preußischen Armee, ein tapferer und integrer Mann. Es gibt eine Geschichte, die mich immer wieder stolz macht. Es gibt ein Foto vom Berliner Wachkorps, tausende Menschen mit dem Hitlergruß, nur ein einziger machte den hier (legt die Hand zum militärischen Gruß an die Schläfe) und das war mein Vater. Der hat Hitler gehasst. Und so bin ich auch erzogen worden.

Wie denn?
Mit Liebe! Ich bin ja das totale Weichei, ich weiß überhaupt nicht, wie man ‚Nein‘ sagt. Nicht zu Frauen, nicht zu meinen Kindern, gar nicht.
Du bist ja sogar mit Heinrich von Kleist verwandt, dem Dichter.
Ja! Meine Mutter war eine von Kleist, ich bin der Ur, Ur, fuffzeehn mal Ur-Enkel von Heinrich von Kleist. Mit dem zerbrochenen Krug hab ich aber nichts zu tun, ich trink kein Bier.
Gibt’s was, was du jetzt weißt und gerne schon als 25-Jähriger gewusst hättest?
Um gleich deine nächste Frage vorweg zu nehmen: Meine Exzesse mit Drogen in den 80er Jahren hätte ich mir sehr gerne gespart. Das passte nicht in mein Leben, das wünsche ich keinem. Mehr sage ich dazu aber nicht. Und sonst? Sonst würde ich alles genauso wieder machen, aber volle Kanne. Langweilig war’s nie.

Du kennst ja so ziemlich alle Stars und Sternchen, deine aktuelle Sendung heißt „Carlo kennt sie alle“. Wie war das früher mit den Promis?
Karl Dall, das olle Klappauge, sagte ja immer „Ich hab sie alle gehabt“. Aber stimmt schon: Ich kann gar nicht sagen, wen wir nicht gehabt haben in der Aktuellen Schaubude. Cindy und Bert, Udo Jürgens, Andrea Jürgens, Roland Kaiser, wer damals was werden wollte in der Unterhaltungsbranche, der musste in die Schaubude kommen, nach Hamburg ins Studio B, gab ja sonst nichts. Bei 30 Prozent Einschaltquote waren wir traurig.
Wer war denn dein Lieblingsgast?
Puh. Also, Udo Jürgens und ich hatten einen tollen Draht zueinander, wir sind nach den Shows essen gegangen. Und Roland Kaiser, den kenne ich seit 45 Jahren, wir sind zusammen alt und berühmt geworden. Der kommt auch zu meinem Geburtstag, wir sind Freunde.
Quatschen die Leute dich auf der Straße an?
Ja, und das freut mich immer sehr. Ich habe drei Generationen von Hörern betüdelt. Und jetzt bin ich 80! Geil.
Wie hat das eigentlich angefangen mit dir und dem NDR?
Ich sollte eine Reportage fürs Abendblatt über das Studio Hamburg vom NDR machen. Überall Lampen, es war laut, die Technik, das imponierte mir. Und die verdienten mit Sabbeln ihr Geld! Da dachte ich mir: Moment! Das ist ja wohl das Größte! Ich habe gekündigt und bin im Dezember 1971 zum NDR.

Erinnerst du dich noch an die erste Sendung?
Ich sollte über den Schneewinter berichten, zweieinhalb Minuten. Ich habe alle Leute angerufen, die ich überhaupt kannte, damit die um 12 Uhr NDR 2 einschalten. Und dann saß ich da live, wollte es ganz schnell hinter mich bringen und ratterte alles runter, so aufgeregt war ich. Danach sagte der Moderator: „Das war der erste Auftritt eines jungen Kollegen, Carl Ferdinand von Tiedemann. Mich hat es eher an einen Heeresbericht erinnert.“
Kürzlich gab es ja Stress zwischen dir und deiner großen Liebe, dem NDR.
Ich sag mal, was Sache ist: Ich hatte vorher zwei für die Hörer nicht wahrzunehmende Blackouts im Studio, und als ich auf Leben und Tod in Krankenhaus lag, hat der Sender beschlossen, keine Livesendungen mehr mit mir Ja, doch, anzu machen. Das ist, als würden die mir die Hälfte des Herzens rausreißen. Ich habe das 50 Jahre lang geliebt, im Studio, die Regler, Kopfhörer auf, das war meine Welt und das hat man mir weg genommen. Das vergesse ich dem NDR nicht. Jetzt bin ich noch jeden Sonnabend mit einer vorproduzierten Sendung bei NDR Schlager.
Hörst du privat auch gerne Schlager?
Nee, nur Klassik. Ich höre zuhause gar kein Radio.
Was ist dein Traum für die nächsten Jahre?
Mein Vertrag mit dem NDR läuft noch bis 2025, danach geh ich fünf Jahre zu RTL, komm wieder und werde Intendant vom NDR. Das ist der Plan (lacht).
Der NDR feiert Carlo von Tiedemann mit einem Geburtstagsfilm: „Sensationell und schönes Arbeiten!“, 14. Oktober, 20.15 Uhr und in der Mediathek.