Das gab’s noch nie: Nazi-Bild aus Hamburger Kirche geschnitten
Die Aktion ist bundesweit einmalig: Mit einer diamantbesetzten Trennscheibe hat die Evangelische Stiftung Alsterdorf eine 58 Tonnen schwere und 12 Meter hohe Kirchenwand herausgesägt, per Kran umgedreht und hinter dem Gotteshaus unter Glas neu aufgestellt. Der Grund: Auf der Wand befindet sich ein problematisches Altarbild, welches während der Nazizeit entstanden ist und Behinderte herabwürdigen soll.
Die Aktion ist bundesweit einmalig: Mit einer diamantbesetzten Trennscheibe hat die Evangelische Stiftung Alsterdorf eine 58 Tonnen schwere und 12 Meter hohe Kirchenwand herausgesägt, per Kran umgedreht und hinter dem Gotteshaus unter Glas neu aufgestellt. Der Grund der rund eine Million Euro teuren Aktion: Auf der Wand befindet sich ein problematisches Altarbild, welches während der Nazizeit entstanden ist.
Schauplatz der spektakulären Aktion ist die evangelisch-lutherische Kirche St. Nicolaus.
Sie wurde 1889 als „Anstaltskirche“ der 1860 von Pastor Heinrich Sengelmann (1821-1899) gegründeten „Alsterdorfer Anstalten“ geweiht. Zum 75-jährigen Jubiläum der Kirche kam es 1938 zu einer Renovierung und Umgestaltung des Kirchen-Innenraums.

Und dabei ist es entstanden – das umstrittene monumentale Wandbild hinter dem Altar. Das direkt auf Putz aufgetragene Bild gilt heute als größtes Werk der Sakralkunst aus der NS-Zeit.
Nazi-Bildnis in Hamburg: Altarwand aus Kirche geschnitten
Wer es gemalt hat, ist unbekannt. Dargestellt sind unter einem Christus am Kreuz zwölf Personen mit einem Heiligenschein. Darunter Pastor Heinrich Sengelmann und Martin Luther als Mönch. Und dann sind da noch drei Personen ohne Heiligenschein. Die sollen offenbar behinderte Menschen darstellen.

Diese Darstellung der Personen ohne Heiligenschein wird heute von der Leitung der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und wohl auch vielen Bewohnern als herabsetzend empfunden. Deswegen war die NS-Sakralkunst seit Jahrzehnten erst durch ein großes Tuch, dann durch ein Mosaik verdeckt.
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Die Stiftung Alsterdorf ist heute besonders sensibel, was Relikte aus der Nazizeit auf ihrem großen Gelände zwischen Alsterdorfer Straße und Sengelmannstraße angeht. Friedrich Lensch (1898-1976), der Leiter der Einrichtung von 1930 bis 1945, war strammer Nazi und SA-Mitglied. Während der NS-Zeit sind mindestens 511 Menschen aus den Alsterdorfer Anstalten in Tötungsanstalten gebracht und dort ermordet worden. Auch deswegen sei der Anblick so eines Bildes aus der Nazizeit für die heutigen Bewohner „unerträglich“, so Stiftungs-Vorstand Ulrich Scheibel.

Eine Übermalung oder Veränderung war aber aus Gründen des bestehenden Denkmalschutzes nicht möglich. So wurde in der Stiftung die Idee entwickelt, das umstrittene Bild aus der Kirche heraus „ans Licht“ zu bringen und zu bewerten. Gleichzeitig wurde es tiefer gelegt und mit Infotafeln umgeben. So entstand ein würdiger und interessanter Lern- und Gedenkort. An der Rückseite des Altarbilds werden die Namen aller bekannten 511 ermordeten Bewohner der Alsterdorfer Anstalten auf einer Metallplatte verzeichnet. Die Leitung der Evangelischen Stiftung Alsterdorf wird den Gedenkort am 9. Mai einweihen.