Frauen nachts alleine unterwegs: „Er blieb vor meiner Tür stehen – ich hatte Angst“
Es ist das Horrorszenario vieler Frauen: Nachts im Dunkeln alleine unterwegs zu sein. Viele tun es nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt – und dann auch nur mit einem ziemlich unguten Gefühl. Das ist nicht unbegründet, wenn man sich die Polizeistatistik anschaut. Und die Geschichten über übergriffige Männer hört, die Frauen hier berichten.
Leoni musste ihre schlimmste Erfahrung bereits mit 19 machen – kurz nach ihrem Auszug aus dem Elternhaus. Sie war zum ersten Mal alleine aus, erzählt sie. Um 2 Uhr nachts saß sie im Bus auf dem Heimweg, wurde dort bereits von einem deutlich älteren Mann beobachtet. „Natürlich ist er an derselben Haltestelle ausgestiegen wie ich.“
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Es ist das Horrorszenario vieler Frauen: Nachts im Dunkeln alleine unterwegs zu sein. Viele tun es nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt – und dann auch nur mit einem ziemlich unguten Gefühl. Das ist nicht unbegründet, wenn man sich die Polizeistatistik anschaut. Und die Geschichten über übergriffige Männer hört, die Frauen hier berichten.
Die Resonanz auf eine Online-Umfrage der MOPO ist groß. Viele Frauen berichten, dass sie nachts entweder gar nicht allein auf die Straße gehen oder unbelebte Orte meiden. Und einige erzählen auch von den schlechten Erfahrungen, die sie auf dem Heimweg von der Arbeit, von Treffen mit Freunden oder Partys machen mussten.
So hat ein Großteil schon Erfahrungen mit dummen Sprüchen, Pfiffen oder Rufen gemacht. Doch dabei – wenn auch schon schlimm genug – bleibt es leider nicht immer. „Einmal wurde ich nachts in meinem Wohnhaus im Fahrstuhl bedrängt. Er hat nicht aufgehört, mich auszufragen, wollte meine Handynummer oder meinen Instagram-Kontakt. Ich habe mich dann immer rausgeredet und bin sogar in einer anderen Etage ausgestiegen, damit er nicht weiß, wo genau ich wohne.“
Annalena und Leoni wurden bis an die Haustür verfolgt
Es ist besonders unheimlich, wenn man sich nicht einmal im eigenen Haus richtig sicher fühlen kann. Diese Erfahrung musste auch Annalena machen. „Ich bin im Dunkeln von der Bahn nach Hause gegangen. Vor mir ging so ein Typ, der sich immer wieder umgedreht hat. Irgendwann hat er sein Handy auf mich gerichtet, als ob er mich filmt. Ich habe gesagt, dass er es lassen soll, aber er hat nicht aufgehört. Ich habe ihn überholt, er ist mir gefolgt und hat weitergefilmt. Als ich endlich zuhause war, habe ich schnell abgeschlossen. Der Typ blieb vor der Haustür stehen. Ich hatte solche Angst, dass ich meinen Mitbewohner angerufen und gebeten habe, nach Hause zu kommen.“
Leoni musste ihre schlimmste Erfahrung bereits mit 19 machen – kurz nach ihrem Auszug aus dem Elternhaus. Sie war zum ersten Mal alleine aus, erzählt sie. Um 2 Uhr nachts saß sie im Bus auf dem Heimweg, wurde dort bereits von einem deutlich älteren Mann beobachtet. „Natürlich ist er an derselben Haltestelle ausgestiegen wie ich. „Als der Bus fuhr – die Haltestelle war etwa 200m von der Haustür entfernt – rief er mir dann hinterher. Ich bin schneller gegangen und er auch“, berichtet Leoni. „Als ich angefangen habe, zu rennen, ist er auch gelaufen, war aber wahrscheinlich wegen seinem Zustand nicht in der Lage, so schnell wie ich zu laufen.“
Sexuelle Übergriffe: Zahl in Deutschland steigt
„Beim Weg die Treppe hoch bin ich ausgerutscht und hab mir die Hand total aufgeschürft, hab‘ irgendwie den Schlüssel ins Schloss bekommen und mich von innen gegen die Tür geworfen. Er stand davor und hat geklopft und gerufen.“
Was klingt wie in einem Horrorfilm, ist wirklich passiert. In Deutschland. Die Zahlen zeigen, dass es bei zahlreichen Frauen sogar noch weiter geht. Und die Fälle von sexuellen Übergriffen nehmen zu. Im Jahr 2019 gab es 1776 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Hamburg. Im Jahr 2020 waren es schon 1955 – ein Plus von 179 Fällen. Die Polizei führt das auf eine höhere Registrierung der Dunkelziffer zurück. Aber auch die Pandemie könnte eine Rolle spielen – weniger Passanten auf den Straßen bedeutet für Frauen gleichzeitig weniger Schutz. Auch die Zahl der Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen und Übergriffe im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge ist angestiegen – von 217 (2019) auf 295 (2020).
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Leoni hat noch eine zweite Geschichte zu erzählen. Bei diesem Mal folgte ihr ein Mann von der Arbeit bis zum Bus, fragte immer wieder nach einem Treffen. Ihre Ablehnung interessierte ihn nicht. „Erst als ich meinte, dass ich einen Freund habe, hat er aufgegeben. Er meinte dann noch sowas wie: ‚Ist ja schön, dass es noch Frauen gibt, die nicht ganz so große Schlampen sind‘, und ist dann abgedampft.“ Wenn die 22-jährige Leoni heute allein unterwegs ist, telefoniert sie dabei mit Freunden und lässt ihren Standort durch das Handy übermitteln – aus Angst davor, dass beim nächsten Mal etwas noch schlimmeres passiert.