Auf offener Straße erstochen: Schanze trauert um Kiosk-Betreiber
Seit einer Woche ist der Kiosk unter der Sternbrücke fest verrammelt. Die Rollläden sind heruntergelassen. Kiez-Gänger, die sich hier üblicherweise auf dem Weg ins Kneipenviertel mit einem Bier eindecken, warten vergeblich darauf, dass sich die Türen nochmal öffnen. Denn: Der im Stadtteil sehr beliebte Eigentümer ist tot. Ali A. wurde am vergangenen Wochenende auf offener Straße in Billstedt erstochen – von seinem eigenen Neffen.
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Seit einer Woche ist der Kiosk unter der Sternbrücke fest verrammelt. Die Rollläden sind heruntergelassen. Kiez-Gänger, die sich hier üblicherweise auf dem Weg ins Kneipenviertel mit einem Bier eindecken, warten vergeblich darauf, dass sich die Türen nochmal öffnen. Denn: Der im Stadtteil sehr beliebte Eigentümer ist tot. Ali A. wurde am vergangenen Wochenende auf offener Straße in Billstedt erstochen – von seinem eigenen Neffen.
Es ist laut unter der Sternbrücke. Lkw donnern über die Stresemannstraße. Pkw rauschen in einer Endlosschleife vorbei. Doch vor dem Tabakladen „Destina“ ist ein Ort der Stille entstanden. Irgendjemand hat Blumen hingestellt. Ein Anschlag an der Wand erinnert an den toten Kiosk-Besitzer.
Sternbrücke: Nachbarn trauern um getöteten Kiosk-Besitzer in der Schanze
„Ruhe in Frieden, Ali“, heißt es darauf. „Wir danken Dir für jahrelange Nachbarschaft und werden Dich nicht vergessen.“ Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt den 58-Jährigen in seinem Geschäft.
Im Kiosk „Stern Shop“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite herrscht noch immer Fassungslosigkeit über das, was am 2. Februar in der Druckerstraße (Billstedt) passiert ist. Die tödliche Messerattacke des drogenabhängigen Aydin K. (32) auf seinen eigenen Vater Ali K. (✝ 61) und Onkel – Kiosk-Besitzer Ali A.
„Ein ganz, ganz lieber Mensch ist da von uns gegangen“, sagt „Stern Shop“-Geschäftsinhaber Erdal Aygül. „Eigentlich waren wir ja Konkurrenten“, so der 37-Jährige. Aber Ali A., der aus dem gleichen Dorf in der Türkei stammt wie die Familie von Erdal Aygül, sei immer offen und hilfsbereit gewesen.
Beliebter Kiosk-Besitzer: Die Nachbarn nannten ihn „Abi“ (Bruder) oder „Amca“ (Onkel)
„Er hat unsere Pakete angenommen, er kam zu uns rüber, um bei uns einzukaufen oder mal einen Tee zu trinken.“ Das Verhältnis sei freundschaftlich gewesen. Alle Nachbarn hätten Ali entweder „Abi“ (Bruder) oder „Amca“ (Onkel) genannt.
„Wir sind alle sehr traurig“, sagt auch Sandra Lehmann, seit mehr als zehn Jahren Angestellte im „Stern Shop“ und daher ebenfalls gut bekannt mit dem Getöteten. Das brutale Ende des freundlichen Kiosk-Besitzers sei ein großes Gesprächsthema in der Nachbarschaft.
„Wir haben gehört, dass die Familie schon am Vortag der Tat die Polizei gerufen hatte, weil Aydin K. mit einem Messer gedroht hatte“, so Lehmann. „Wenn man ihn mitgenommen hätte, wären jetzt zwei Menschen noch am Leben.“ Stattdessen hatten Vater und Onkel Aydin K. am 2. Februar gemeinsam zu einem Arzt in der Druckerstraße bringen wollen. Wenige Minuten nach dem Termin in der Arztpraxis drehte der Täter durch und stach zu.
Ali A. wollte sich in der Türkei zur Ruhe setzen
Besonders tragisch für die Nachbarn: Während der geplante Abriss der Sternbrücke bei allen Geschäftstreibenden auf Empörung stieß, sei Ali A. als Einziger einverstanden gewesen. „Alle sind sauer, er war glücklich“, erzählt Erdal Aygül. Denn: Der 58-Jährige habe seit Jahren darüber nachgedacht, zurück in die Türkei zu gehen und sich dort zur Ruhe zu setzen. „Nur der Laden hat ihn hier festgehalten“, sagt Aygül.
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Dass nun der Tabakladen der neuen Brücke weichen muss, sei für Ali A. wie ein Wink des Schicksals gewesen. Er freute sich auf den neuen Lebensabschnitt in seiner alten Heimat. Nun hat das Schicksal auf andere Weise über sein Leben entschieden.