Wut, Angst, Gewalt bei Klima-Protest: „Verpiss dich, sonst ticke ich aus!“
Es sind brutale Szenen, die sich da Samstag auf den Elbbrücken abgespielt haben: Klimaaktivisten der Bewegung „Letzte Generation“ legten den Verkehr stadteinwärts lahm. Und mehrere Autofahrer verloren komplett die Nerven, ein Lkw-Fahrer trat einem der Aktivisten mit voller Wucht in den Bauch. Der reagiert im MOPO-Gespräch erstaunlich gelassen, gegen den Schläger wird ermittelt. Der Vorfall zeigt: Aktionen der „Klima-Kleber“ eskalieren schnell, die Aktivisten selbst berichten von Angst und Anspannung. Ein Psychologe erklärt, warum Autofahrer so austicken. Und sagt zur steigenden Gewaltbereitschaft: „Dieser Tritt ist vielleicht nur die Vorstufe“.
Es sind brutale Szenen, die sich da Samstag auf den Elbbrücken abgespielt haben: Klimaaktivisten der Bewegung „Letzte Generation“ legten den Verkehr stadteinwärts lahm. Und mehrere Autofahrer verloren komplett die Nerven, ein Lkw-Fahrer trat einem der Aktivisten mit voller Wucht in den Bauch. Der reagiert im MOPO-Gespräch erstaunlich gelassen, gegen den Schläger wird ermittelt. Der Vorfall zeigt: Aktionen der „Klima-Kleber“ eskalieren schnell, die Aktivisten selbst berichten von Angst und Anspannung. Zwei von ihnen müssen jetzt direkt länger im Gefängnis bleiben. Ein Psychologe erklärt, warum Autofahrer so austicken. Und sagt zur steigenden Gewaltbereitschaft: „Dieser Tritt ist vielleicht nur die Vorstufe“.
Die Nerven liegen blank. Über Stunden blockierten sieben Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ am Samstag die Auffahrt der Elbbrücken in Richtung Innenstadt. Vier von ihnen klebten sich am Vormittag mit schnellbindendem Beton auf der Straße fest und stellten zusätzlich zwei Transporter auf die Fahrbahn.
Besonders kritisch: Der Elbtunnel und die A7 waren wegen Bauarbeiten gesperrt – die Elbbrücken waren damit die einzige Möglichkeit, von Süden aus nach Hamburg zu gelangen. Erst um 15.30 Uhr rollte der Verkehr wieder.
Blockade an den Elbbrücken: Tritte und Schläge gegen Aktivisten
Zu viel für einige Autofahrer: Laut Polizei kam es sowohl zu Tritten als auch zu Schlägen gegenüber den Aktivisten. Ein Video zeigt, wie ein Lkw-Fahrer einen der Aktivisten von der Straße zerrt, ihn auf dem Gehweg ablegt und ihm mit voller Wucht in den Bauch tritt. Der Aktivist stöhnt auf. Dann will der Lkw-Fahrer auf einen Fotografen losgehen, der aber noch weglaufen kann. Ein anderes Video zeigt, wie ein Mann mehrere Aktivisten grob wegschleift oder zur Seite stößt: „Verpiss dich da jetzt! Sonst ticke ich gleich aus, Mann!“, brüllt er.
Der Aktivist, der getreten wurde, ist Arne Springorum. „Ich hatte schon Angst, wurde bei dem Tritt aber zum Glück nicht verletzt“, sagt der 50-Jährige zur MOPO. „Mir wurde Samstag auch noch von jemandem mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ich hege da aber keinen Groll, kann die Wut der Autofahrer verstehen.“
Die Spedition „Garbe“ äußerte sich auf Anfrage des „Stern“ zu dem Gewaltausbruch ihres Fahrers: „Wir sind absolut gegen Gewalt und unser Fahrer darf natürlich so nicht reagieren. Das Video zeigt nur den Teil mit der Gewalt – aber nicht, was alles vorher passiert ist“, so Inhaber Michael Garbe. „Auch wir sind für den Klimaschutz, können aber diese Aktionen der Aktivisten nicht gutheißen. Die Angelegenheit wurde an die Polizei übergeben und wird genau geprüft. Ich kenne den Fahrer nur als besonders höflichen, besonnenen und friedlichen Mitarbeiter, der noch nie auffällig war.“
Aktivist der „Letzten Generation“: „Ich hatte schon Angst“
Wieso nimmt die Gewalt gegen die Aktivisten so zu? „Für die Autofahrer bedeuten diese Blockaden die völlige Kontrolllosigkeit“, erklärt der Hamburger Diplom-Psychologe Michael Thiel (62). „Die meisten Menschen greifen dann zum Handy und sagen ihre Termine ab. Im Idealfall steigen sie aus und bewegen sich, um Stress abzubauen. Einige reagieren dann aber auch aggressiv. Meistens sind das Menschen, die nie gelernt haben, ihre Gefühle zu kontrollieren.“
Der Psychologe habe den Eindruck, dass die Stimmung in Deutschland gewalttätiger geworden ist. „All die Krisen unserer Zeit, angefangen mit Corona, machen den Menschen Angst vor der Zukunft. Und diese Form der Hilflosigkeit kann sich bei einigen in Aggressionen äußern“, sagt Thiel. „Menschen, die eine sogenannte Affekt-Inkontinenz haben, können ihre Gefühle nur schwer kontrollieren. Die Wut platzt dann aus ihnen heraus. Ein Tritt in die Magengrube ist da vielleicht nur eine Vorstufe.“
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Erst am vergangenen Montag wurden Klimaaktivsten in Dresden mit einem Auto attackiert, blieben aber unverletzt. Auch unter der „Letzten Generation“ geht die Angst um. „Es ist jedes Mal eine Überwindung. Minuten vor der Blockade spürt man eine krasse Anspannung“, sagt Sprecher Jakob Beyer zur MOPO.
„Weil wir alle wissen, dass uns Gewalt passieren kann. Niemand von uns macht diese Art des Protestes gerne. Aber wir sehen sie als effektivste an, die wir gerade zur Verfügung haben. Wir verstehen die Wut der Autofahrer, appellieren aber an alle, trotzdem Ruhe zu bewahren.“ Die Aktivisten würden nie zurückschlagen und in der Regel auch keine Anzeige erstatten. „Wir wollen uns nicht in kleinteiligen juristischen Auseinandersetzungen verlieren.“
Ob sie sich durch ihre radikalen Aktionen auch noch die letzten Sympathien verspielen? „Uns geht es nicht ums Beliebtsein. Unser Ziel ist es, Druck hinter unser Anliegen zu bekommen“, sagt Beyer. „Beliebtheit ist nicht entscheidend für Erfolg. Wie man an Fridays for Future gesehen hat.“ Diese Bewegung sei sehr gut angesehen, habe aber auch noch keine Klimawende gebracht.
Gegen die Blockierer wurden Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen des Verdachts der Nötigung, eingeleitet. Sieben wurden laut Polizei vorübergehend in Gewahrsam genommen. Laut Aussage der Aktivisten müssen zwei Blockierer für zehn Tage in Gewahrsam – „sie bleiben bis 4. April eingesperrt“.
Dennis Thering: „Krawallmacher muss die volle Härte des Rechtsstaats treffen“
Die Reaktionen aus der Politik sind unterschiedlich. Die Linke fordert Konsequenzen für die gewalttätigen Autofahrer. „Diese um sich schlagenden und tretenden Menschen sind ein Risiko für den Verkehr“, sagte Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Dennis Thering hingegen fordert Strafen für die Aktivisten: „Es reicht!“, erklärte jetzt der Vorsitzende der CDU-Fraktion. „Diese Krawallmacher muss die volle Härte des Rechtsstaats treffen. Die entstehenden Kosten für die Einsätze müssen den Verursachern vollständig in Rechnung gestellt werden. Andere Bundesländer zeigen wie es geht, hier drohen den Blockierern empfindliche Haftstrafen.“
Für Aktivist Jakob Beyer steht jedenfalls fest: „Wir bleiben in unserer Sache weiterhin entschlossen und gehen die Gefahr von Gewalt ein. Wir ertragen sowas.“