Antisemitischer Angriff in Hamburg: Richterin spricht hartes Urteil für Jugendlichen
Sie hatten „Scheiß Israel“ gebrüllt und einen Mann, der an einer Mahnwache gegen Antisemitismus teilnahm, so schwer misshandelt, dass das Opfer auf einem Auge nicht mehr sehen kann. Am Dienstag sind der 17-jährige Aram A. und ein Mitangeklagter im Jugendstrafverfahren verurteilt worden. A. wurde wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und 4 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zu den Bewährungsauflagen gehören die Erbringung gemeinnütziger Arbeit und ein Anti-Gewalttraining.
Es ist ein vergleichsweise hartes Urteil, das die Richterin auch mit „schädlichen Neigungen“ begründete – das Opfer und Angehörige sind erleichtert, doch ganz erledigt ist der Fall für sie damit noch nicht.
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Sie hatten „Scheiß Israel“ gebrüllt und einen Mann, der an einer Mahnwache gegen Antisemitismus teilnahm, so schwer misshandelt, dass das Opfer auf einem Auge nicht mehr sehen kann. Am Dienstag ist im Jugendstrafverfahren gegen den 17-jährigen Aram A. und einen Mitangeklagten das Urteil gesprochen worden: Das Gericht hat A. wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und 4 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zu den Bewährungsauflagen gehören die Erbringung gemeinnütziger Arbeit und ein Anti-Gewalttraining.
Der 15-jährige zweite Angeklagte – der Bruder von Aram A. – wurde der Beleidigung schuldig gesprochen. Ihm wurden erzieherische Weisungen erteilt: Er muss die Tat in Gesprächen mit der Jugendgerichtshilfe aufarbeiten und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

„Scheiß Israel“ und „Free Palestine“ rief der Jüngere und der Ältere schlug zu
Die Tat ereignete sich am 18. September vergangenen Jahres direkt vor Saturn an der Mönckebergstraße, wo eine Gruppe von Bürgern regelmäßig eine „Mahnwache für Israel – Gegen Antisemitismus“ veranstaltet. An dem fraglichen Samstag näherte sich zunächst der 15-Jährige dem Stand und gab Beleidigungen von sich. Das Gericht hat als erwiesen festgestellt, dass er „Scheiß Israel“ und „Free Palestine“ gerufen hat. Ob bei seinen Schimpftiraden auch der Ausdruck „Scheiß Juden!“ fiel, wie von einigen Zeugen behauptet, ist strittig.
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Nach den verbalen Angriffen hat dann ein Teilnehmer der Israel-Mahnwache, der 60-jährige Sebastian F. (Name geändert), den jungen Mann zur Rede stellen wollen. Genau in dem Moment kam dessen 17-jähriger Bruder Aram A. hinzu und schlug dem Mann mit der Faust brutal ins Gesicht. Mit verheerenden Folgen: Nasenbein- und Jochbeinbruch. Außerdem bohrten sich Brillensplitter ins Auge.
Richterin stellte die „Schwere der Schuld“ und „schädliche Neigungen“ fest, daher das harte Urteil
Vor dem Prozessauftakt Ende Juni hatten die beiden Beschuldigten nach MOPO-Informationen signalisiert, ein Geständnis ablegen zu wollen. Deshalb war ursprünglich nur ein einziger Verhandlungstag angesetzt. Im Gerichtssaal änderte der 17-jährige Angeklagte dann aber plötzlich seine Meinung und berief sich auf Notwehr. Daraufhin wurden am Montag und Dienstag mehrere Zeugen vernommen, darunter auch Elke F. (80), die Mutter von Sebastian F.

Das Urteil gegen den Haupttäter ist – gemessen daran, dass es sich um ein Jugendstrafverfahren handelt – als eher hart einzustufen: Nach MOPO-Informationen hat die Richterin das Strafmaß mit der „Schwere der Schuld“ und mit „schädlichen Neigungen“ begründet. Die Öffentlichkeit war von dem Verfahren ausgeschlossen.
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Die Hamburger Strafverteidigerin Dr. Christiane Yüksel, die als juristischer Beistand der Mutter des Geschädigten an dem Prozess beteiligt war, bezeichnete das Urteil als „angemessen“.
Mutter des Opfers: „Hatte ein deutlich mildereres Urteil befürchtet“
Elke F., die Mutter des Geschädigten, sagte zur MOPO: „Ich hatte schon gefürchtet, dass ein deutlich mildereres Urteil dabei herauskommt, denn die Angeklagten haben ja bis zuletzt versucht, sich als Opfer darzustellen. Es sei alles nur Notwehr gewesen und so… Insofern bin ich dankbar für dieses Urteil. Ich war heute selbst nicht im Gericht, aber mein Sohn hat mir berichtet, dass sich Staatsanwältin und Richterin die Angeklagten ganz schön zur Brust genommen und ihnen ins Gewissen geredet haben. Das ist gut so.“
Elke F. berichtet, dass es ihrem Sohn seit dem Angriff gar nicht gut geht. Auf dem verletzten Auge könne er nur noch Hell und Dunkel unterscheiden und bei Sonnenschein habe er Schmerzen. „Das Auge ist irreparabel geschädigt. Das ist sehr traurig.“

Schließlich hat die MOPO auch das Opfer des Angriffs selbst telefonisch erreicht: Sebastian F. ist voll des Lobes für das Gericht und die Staatsanwaltschaft. „Auch ich habe ein ganz anderes Urteil befürchtet und bin sehr angenehm überrascht.“
Seine eigene Situation schildert F. sehr düster. Seit dem Angriff lebten er und auch seine Mutter sehr zurückgezogen. „Sie ist fast noch mehr traumatisiert als ich. Sie hat mit ansehen müssen, wie ihr Sohn zusammengeschlagen und schwer am Auge verletzt wurde. Das war alles sehr schlimm. Für sie und für mich.“
Sebastian F. kündigt an, dass er – sobald das Urteil Rechtskraft erlangt – zivilrechtlich gegen die Täter vorgehen wird. „Ich werde Schmerzensgeld und Schadensersatz einklagen – mal sehen, ob bei den beiden und ihren Eltern überhaupt was zu holen ist. Aber versuchen muss ich das.“