Mutmaßlicher PKK-Mann vor Gericht: „Deutschland macht sich zum Handlanger Erdogans“
Reicht der Arm Erdogas wirklich soweit? Wird dem 49-jährigen mutmaßlichen PKK-Terroristen Kenan Ayas nur deshalb in Deutschland der Prozess gemacht, weil der türkische Diktator das so will? So argumentiert jedenfalls die Verteidigung. Und die zahlreichen Demonstranten, die am Freitag bei Prozessbeginn vor dem Ziviljustizgebäude demonstrierten – die meisten davon ebenfalls Kurden – sehen das genauso.
Reicht der Arm Erdogans wirklich so weit? Wird dem 49-jährigen mutmaßlichen PKK-Terroristen Kenan Ayas nur deshalb in Deutschland der Prozess gemacht, weil der türkische Diktator das so will? So argumentiert jedenfalls die Verteidigung. Und die zahlreichen Demonstranten, die am Freitag bei Prozessbeginn vor dem Strafjustizgebäude demonstrierten – die meisten davon ebenfalls Kurden – sehen das genauso.
Dem Angeklagten Kenan Ayas werden nicht etwa Gewalttaten vorgeworfen. Er hat niemanden angegriffen, niemanden verletzt, niemanden ermordet. Zur Last gelegt wird ihm die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, nämlich der kurdischen Arbeiterpartei PKK – darauf stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Ayas soll laut Bundesanwaltschaft zwischen 2018 und 2020 zuerst in Hamburg, später im Rheinland und im Ruhrgebiet Leitungsaufgaben als hauptamtlicher PKK-Kader wahrgenommen haben. In dieser Funktion organisierte er demnach Demonstrationen und Spendensammlungen zugunsten der PKK.
Der Bruder des Angeklagten ist wütend: „Das ist ein politischer Prozess“

Im Prozess vor einer Staatsschutzkammer des Hanseatischen Oberlandesgerichts äußerte sich Ayas zunächst nicht zu den Vorwürfen. Das will er an einem der folgenden Verhandlungstage nachholen. Verteidigerin Antonia von der Behrens sagte, die Beweismittel der Bundesanwaltschaft für eine „vermeintliche PKK-Mitgliedschaft“ fußten fast ausschließlich auf SMS, wenigen abgehörten Telefonaten und Erkenntnissen des Verfassungsschutzes. „Ausgeblendet wurden Inhalte, die gegen eine solche Annahme sprechen.“
Ihr Mandant habe als „politischer Kurde“ bereits seit den 1990er Jahren „ein langes Verfolgungsschicksal in der Türkei“ erlitten und habe dort mehr als elf Jahre im Gefängnis gesessen, wobei er auch Foltererfahrungen habe machen müssen, sagte die Verteidigerin, die im übrigen kritisierte, dass die PKK von der Bundesrepublik immer noch als Terrororganisation angesehen werde. Es sei die autokratische türkische Regierung, die Terror ausübe und Menschenrechte tagtäglich verletze – die Kurden wehrten sich nur.
Der Angeklagte wurde auf Zypern festgenommen
Die Anwältin äußerte den Verdacht, dass der Prozess aus politischen Motiven stattfinde – Deutschland habe dem Druck des NATO-Partners Türkei nachgegeben. Von der Behrens machte auf den „seltsamen“ Umstand aufmerksam, dass der internationale Haftbefehl der Bundesanwaltschaft gegen Ayas im Mai 2022 erlassen wurde – fast zeitgleich mit einem NATO-Gipfel in Madrid, bei dem der türkische Präsident Erdogan den Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO von einem härteren Durchgreifen der Europäer gegen die PKK abhängig machte. Von der Behrens vielsagend: „Das kann aber auch nur Zufall sein…“
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Aufgrund des internationalen Haftbefehls aus Deutschland wurde Ayas im März 2023 auf Zypern festgenommen, wo er zuletzt als anerkannter politischer Flüchtling lebte. Die Auslieferung an die Bundesrepublik traf in der Inselrepublik auf viel Unverständnis, denn Zypern stuft die PKK – ähnlich wie beispielsweise die USA – nicht als Terrororganisation ein. Die meisten Parteien im zypriotischen Parlament sprachen sich daher gegen die Auslieferung aus. Erst am vergangenen Donnerstag kam es wegen des Prozesses zu Demonstrationen vor der deutschen Botschaft in Nikosia.
Parlamentsabgeordneter aus Nikosia als Prozessbeobachter dabei

Als Beobachter nahm der zypriotische Parlamentsabgeordnete Giorgos Koukoumas von der linken Partei AKEL an dem Prozess teil. Der MOPO sagte Koukoumas, Ayas habe sich keiner Gewalttaten und keiner kriminellen Delikte schuldig gemacht, „er wird in Deutschland nur wegen seiner Meinung und seiner politischen Aktivitäten vor Gericht gestellt“. Dieser Prozess sei eine „Schande“. Koukoumas wies daraufhin, dass Zypern die Auslieferung an Deutschland von zwei Bedingungen abhängig gemacht habe: dass der Beschuldigte eine eventuelle Strafe auf Zypern absitzen dürfe und keinesfalls an die Türkei ausgeliefert werde.
Wütend über den Prozess ist der Bruder des Angeklagten, Orhan Ayas (50), der im schwedischen Exil lebt und auch nach Hamburg gereist war: „Deutschland macht sich zum Handlanger Erdogans.“
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Ebenfalls zu Prozessbeginn mit dabei: die Kurdin Cansu Özdemir, eine von zwei Fraktionsvorsitzenden der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Ich finde die Anklage lächerlich“, sagt sie der MOPO. „Erst wird die PKK von allen gefeiert wegen ihres Kampfes gegen den IS. Und jetzt wird einer vor Gericht gestellt, dessen ganze terroristische Aktivität darin bestanden haben soll, Demonstrationen zu organisieren.“
Vor dem Gericht demonstrierten Mitglieder der Initiative „Free Kenan“

Wer ist die PKK eigentlich? Sie kämpft in der Türkei und den angrenzenden Ländern Syrien und Irak für die politische Autonomie kurdisch besiedelter Gebiete. Ihr militärischer Arm verübt Anschläge insbesondere auf türkische Sicherheitskräfte. Das Ziel der PKK ist je nach Lesart die Gründung eines unabhängigen kurdischen Staates oder ein „demokratisches autonomes Kurdistan“ innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen.