x
x
x
  • Gestrandet in der Sperrzone: MOPO-Reporterin Janina Heinemann in Fiumefreddo auf Sizilien.
  • Foto: Heinemann

MOPO-Reporterin in der Sperrzone: So wurde der Italien-Urlaub zum Albtraum

Ich sitze fest. Seitdem Italien am 10. März die „zona rossa“, die „rote Sperrzone“, aufs ganze Land ausgeweitet hat, steht das öffentliche Leben still. Ich wurde davon im Arbeitsurlaub auf Sizilien überrascht. Was zunächst nur ärgerlich war, entpuppte sich als Albtraum.

Über Nacht war ich plötzlich in einer Sperrzone, durfte nur noch zum Einkaufen das Haus verlassen. Arrivederci, Cappuccino und Aperol Spritz in einer netten Bar – buongiorno Hausarrest!

Italien: Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten explodiert

Ich buchte einen früheren Rückflug – doch der nächste war erst knapp eine Woche nach dem neuen Dekret verfügbar. Eine lange Woche, in der die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten in Italien explodierte, in der es immer neue, strengere Regeln gab.

Etwa, dass man zum Verlassen des Hauses eine „Autocertificazione“, also eine Selbsterklärung, brauchte. Name, Adresse, Personalausweis- und Telefonnummer muss man darauf angeben. Und das Wichtigste: Den Grund, warum man unterwegs ist. Einkaufen und Arztbesuche sind okay. Spazierengehen nicht.

Corona-Pandemie: Italienische Polizei greift hart durch

Das mit dem Spazierengehen hatte sich auch über Nacht geändert. So fuhren wir – mein Gastgeber Giorgio, eine Argentinierin und eine Polin, die wie ich in Fiumefreddo di Sicilia gestrandet sind – vor einer Woche zum Ätna, ab in die Natur, fernab von allen Leuten. Wir verbrachten einen tollen Tag zwischen Lavalandschaft und Schnee, dachten für ein paar Stunden nicht an das Virus. Doch auf dem Rückweg holte uns Corona wieder ein.

Neuer Inhalt (11)Menschenleere Straßen in Fiumefreddo: In ganz Italien gilt eine strikte Ausgangssperre.

Menschenleere Straßen in Fiumefreddo: In ganz Italien gilt eine strikte Ausgangssperre.

Foto:

Heinemann

Zwei Carabinieri kontrollierten uns und gaben uns zwei Verwarnungen. Denn erstens waren seit dem Tag auch Ausflüge verboten, zweitens dürfen seitdem nur noch zwei Personen in einem Auto sitzen – eine vorn, eine hinten. Ich sehnte den Tag meines Abflugs herbei, war froh, dass mein Zug nach Catania fuhr. Denn drei von vier Zügen wurden als gestrichen angezeigt.

Corona-Krise in Italien: Apokalyptische Bilder am Bahnhof

Das Bild, das sich mir am Hauptbahnhof bot, war apokalyptisch. Ich war die einzige Person, die aus dem Zug stieg, wurde dennoch am Ausgang von Carabinieri gestoppt, die meine Selbsterklärung penibel prüften. Am Ende wünschten sie mir Glück, dass mein Flug gehe. Mir wurde flau im Magen.

Vor dem Bahnhof stand genau ein Taxi, Busse fuhren zwar, waren aber leer. Auch in meinem Bus zum Flughafen blieb ich der einzige Fahrgast, konnte kostenlos fahren, weil der Fahrer den vorderen Teil mit Absperrband abgeriegelt hatte und keine Tickets verkaufte. Wegen der Ansteckungsgefahr.

Corona-Krise: Gruselige Szenen am Flughafen von Catania

Noch gruseliger war es am Flughafen: Sämtliche Läden waren geschlossen. Sogar die Kioske. Leere Gänge, dunkle Restaurants und das Schlimmste: Nur ein Handvoll Menschen. Allesamt Reinigungspersonal. Keiner der Check-In-Schalter war besetzt. Ich spürte Panik in mir aufsteigen, beruhigte mich aber, weil mein Flug auf der Anzeigetafel noch normal angezeigt wurde.

Das könnte Sie auch interessieren: Leergefegt! Mein Urlaubsort wurde zur Corona-Sperrzone erklärt

Doch er wurde gecancelt. Zwei Frauen, ein Mann und ich standen allein am Check-In. Bei meiner Fluggesellschaft sagte man uns am Telefon, dass es für den nächsten Tag einen Flug gäbe. Ein Hotel könne man uns nicht vermitteln. Sie hätten keine Partnerhotels, würden keine in der Nähe kennen und man wünsche uns viel Glück, hätte Verständnis für unsere Lage.

Italienische Hotels nehmen keine Touristen mehr auf 

Die anderen Fluggäste waren Italiener, fuhren zurück nach Hause. Ich stand allein am Flughafen und heulte. Ja, nicht sehr hilfreich, aber ich war fertig mit den Nerven. Fünf Hotels musste ich anrufen, bis ich endlich eines fand, das eine Supersonderausnahme machte und mir für die Nacht ein Zimmer gab.

Ob das nun verboten ist oder die Hotels freiwillig aus Mangel an Gästen geschlossen haben, weiß ich nicht. Ich war einfach nur unendlich froh, einen Platz zum Schlafen gefunden zu haben. Da ich aber der einzige Gast war und Restaurants ohnehin geschlossen haben müssen, hatte ich kein Essen. Zum Glück fuhr mein Hotelier mit einer Einkaufsliste für mich zum Supermarkt. Ich glaube, so gut haben mir Baguette und Edamer noch nie geschmeckt.

Corona: Bundesregierung will deutsche Touristen aus Italien zurückholen

Da es mittlerweile hieß, die Bundesregierung würde alle deutschen Touristen zurückholen, trug ich mich dafür in die Liste beim Auswärtigen Amt ein, schrieb außerdem an das Honorarkonsulat Messina, weil das für Catania zuständig ist. Ich schilderte meine Lage und bat um Hilfe.

Gruselig: Endzeitstimmung am Flughafen von Catania.

Gruselig: Endzeitstimmung am Flughafen von Catania.

Foto:

Heinemann

Die Antwort kam zwar schon am nächsten Tag, war aber wie eine Ohrfeige: „Der Flugverkehr sowie der Schiffsverkehr wurden seit gestern von und nach Sizilien eingestellt. Wir können Sie leider nicht nach Deutschland bringen. (…) Es tut uns leid, dass Sie sich in dieser Situation befinden und wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Heimkehr nach Deutschland!“

Hamburgerin strandet wegen Corona in Italien: Psychische Zerreißprobe

Gleich morgens bekam ich außerdem eine SMS, dass auch mein verschobener Flug annulliert wurde. Ich simste meinem ehemaligen Gastgeber Giorgio, ob ich zurück zu ihm könne. Er holte mich am nächsten Tag mit seinem Auto vom Hotel ab – denn Züge fuhren mittlerweile gar nicht mehr.

Die zwei Tage im Hotel waren eine psychische Zerreißprobe gewesen. Nicht nur die Ungewissheit, ob ich nun fliegen könne oder nicht, sondern auch das Eingesperrtsein. Ein Hotelzimmer, ein Balkon, keine anderen Menschen. Selbst lesen fiel mir schwer, weil ich innerlich unruhig war. Dreimal lief ich die Treppen rauf und runter, kam mir dabei aber reichlich blöd vor.

Hamburger MOPO-Reporterin verzweifelt auf Sizilien

Die Rückkehr nach Fiumefreddo di Sicilia war fast wie nach Hause kommen. Seitdem sind wir vier – ein Italiener, eine Polin, eine Argentinierin und ich – eine WG auf unbestimmte Zeit.

Und meine Gefühle schwanken zwischen Verzweiflung und Freude. Freude, weil ich hier immerhin einen Garten habe und darin mehrere Stunden jeden Tag arbeiten und so etwas Sinnvolles tun kann. Freude auch, weil wir vier eine lustige Truppe sind, abends Kartenspiele spielen und gemeinsam kochen oder auch in allen vier Sprachen zählen lernen.

Aber zwischendurch kommt Verzweiflung auf. Wie lange sitze ich hier fest? Wochen oder gar Monate? Ich bin selbstständig – wie lange kann ich ohne Einkünfte überbrücken?

Deutsche Botschaft in Italien kann Hamburger Touristin nicht helfen

Ende der Woche meldete sich dann die deutsche Botschaft in Rom. Dahin hatte ich nämlich auch eine E-Mail geschickt. Eine sehr nette Dame rief mich an, fragte, wie es mir gehe und wo ich sei. Es gäbe einen Flug der Lufthansa, ich solle einfach auf den Link klicken und buchen. Euphorisch rannte ich zu meinem Laptop. Nur – es gab keinen Flug.

MOPO-Reporterin Janina Heinemann lenkt sich mit Arbeit im Garten ihres Gastgebers von der Krise ab.

MOPO-Reporterin Janina Heinemann lenkt sich mit Arbeit im Garten ihres Gastgebers von der Krise ab. 

Foto:

Heinemann

Kurz darauf die Nachricht der Botschaft: Man sei gerade dabei, bei der Lufthansa nachzuhaken. Dann hörte ich bange Stunden lang nichts. Abends eine neue Info: Es gäbe jeden Abend einen Flug von Catania nach Rom, von da könne ich weitersehen.

Corona-Krise in Italien: Flüge nach Deutschland annulliert 

Die Flüge waren jedoch alle schon ausgebucht, ab Rom wurden mir auch nur welche nach Frankfurt angezeigt, die den Status „ausverkauft“ hatten. Mittlerweile bin ich resigniert. Ich rechne damit, für lange Zeit nicht von der Insel zu kommen. Viele Fluggesellschaften haben schon jetzt alle Flüge von und nach Italien bis Mitte oder gleich Ende April annulliert.

An Ausnahmen traue ich mich nicht zu glauben. Und doch bleibt eine kleine Hoffnung, dass ich bald nach Hause komme. Bis dahin lenke ich mich eben mit Gartenarbeit und Spielen ab. Doch auch wenn ich hier vielleicht in einer Art Paradies bin: Ein Paradies, das man nicht verlassen kann, ist ein Gefängnis. Egal, wie schön es ist.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp