Wohn-Hochhäuser für Hamburg! Bezirkschef bricht nächstes Tabu
Seit zwei Jahren ist Michael Werner-Boelz (Grüne) Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord und seitdem hat sich der Politiker mit seinen Entscheidungen und Aussagen nicht nur Freunde gemacht: Erst vor einer Woche forderte er Anwohnerparken für ganz Hamburg. Mit der MOPO hat Werner-Boelz darüber gesprochen, was sich in der Verkehrs- und Wohnungspolitik sonst noch ändern muss – und der Bezirkschef schneidet gleich das nächste Tabuthema an.
MOPO: Herr Werner-Boelz, mit Ihrer Haltung zum Anwohnerparken haben Sie sich viele Feinde gemacht …
Seit zwei Jahren ist Michael Werner-Boelz (Grüne) Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord und seitdem hat sich der Politiker mit seinen Entscheidungen und Aussagen nicht nur Freunde gemacht: Vor etwa einem Jahr verfügte er, dass in seinem Bezirk zukünftig aus Platzgründen keine Eigenheime mehr gebaut werden dürfen und vor einer Woche forderte er Anwohnerparken für ganz Hamburg. Mit der MOPO hat Michael Werner-Boelz darüber gesprochen, was sich in der Verkehrs- und Wohnungspolitik sonst noch ändern muss – und warum die Hansestadt endlich mehr in die Höhe bauen sollte.
MOPO: Herr Werner-Boelz, mit Ihrer Haltung zum Anwohnerparken haben Sie sich viele Feinde gemacht…
Michael Werner-Boelz: Die Aufregung verwundert kaum. Alle reden von der Verkehrswende, wenn es aber konkret wird und an die Vorrechte der Autofahrer:innen gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden geht, ist der Aufschrei groß. Gegenüber denjenigen, die keinen Pkw besitzen ist das kostenlose Abstellen von Autos im öffentlichen Raum ungerecht. In Hamburg gibt es erhebliche Kämpfe um die Nutzung der immer knapper werdenden Ressource Boden. Das kostenlose Abstellen eines Pkw im öffentlichen Raum, der in der Regel 23 Stunden nicht bewegt wird, können wir uns nicht mehr leisten.
Wie sieht also die Zukunft im Hamburger Verkehr aus?
Wenn die Verkehrswende ansatzweise ernst gemeint ist, dann kann man nicht alles so laufen lassen wie bisher. Wir brauchen einen attraktiven ÖPNV, attraktive Rad- und Fußwege. An einigen Stellen müssen aber auch die Stellschrauben angezogen werden. Eine der ersten Sachen, die ich umsetzen möchte, ist das Ende des illegalen Parkens. Es wird stillschweigend geduldet, dass die Leute ihre Pkws mitten auf den Gehwegen abstellen. Das behindert andere Verkehrsteilnehmer, vor allem Fußgänger.
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Sie selbst sind laut eigenen Aussagen passionierter Fußgänger. Haben Sie manchmal Angst, in Hamburg zu Fuß unterwegs zu sein? Fahrräder fahren dicht vorbei, Autos, E-Scooter…
Für die Fußgänger ist die Situation noch sehr schlecht. Das liegt daran, dass sie in der Verkehrsplanung lange nicht im Fokus waren. Als Bezirksamtsleiter ist es mein Anliegen, dass sich das ändert. Zu Fuß gehen macht mir einfach Spaß und im urbanen Raum ist es die einfachste und günstige Form der Fortbewegung. Wir wollen insbesondere unsere Fußverkehrsstrategien für Hoheluft-Ost und Alsterdorf umsetzen.
Was hat sich in Hoheluft-Ost schon konkret verändert?
In der Einbahnstraße Heiderstraße war bislang auf beiden Seiten Parken auf den Gehwegen erlaubt. Das hat aber dazu geführt, dass der Platz für Fußgänger sehr begrenzt war, für Personen mit Kinderwagen oder Rollator eine besonders schwierige Situation. Jetzt können Autos nur noch auf einer Seite parken und das auf der Fahrbahn. Es ist endlich möglich, dort entspannt entlang zu laufen, dafür sind Parkplätze weggefallen. Im Abendrothsweg/Ecke Löwenstraße ist zudem die Errichtung eines Pocket-Parks (Anm. d. Redaktion: Miniatur-Grünfläche) denkbar.
Haben Sie das Gefühl, dass inzwischen Krieg zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmern herrscht?
Das Verkehrsklima ist rau. Ich selbst bin ein großer Fan für die Umkehrung der Straßenverkehrsordnung, was die Geschwindigkeit innerorts betrifft. Im Moment beträgt die Regelgeschwindigkeit dort 50 Stundenkilometer und in Ausnahmefällen Tempo 30. Ich finde, das müsste umgekehrt sein.
Nicht nur der Verkehrsraum ist knapp, sondern auch der Wohnraum. Wie fühlt es sich als Grünen-Politiker an, Grünflächen für Wohnungen zu opfern?
Das sind immer Abwägungsprozesse. Fakt ist, dass bezahlbarer Wohnraum die zentrale Frage in den Metropolen ist. Es gibt viele Familien, die 40 oder 50 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete bezahlen und das hat erhebliche Auswirkungen auf die soziale Teilhabe. Da muss dann die Klassenfahrt oder der Kinobesuch ausfallen. Natürlich ist aber auch der Grünerhalt wichtig und nötig für den Klimaschutz und das persönliche Wohlbefinden.
Wie war die Abwägung beim Diekmoor? Dort werden 700 Wohnungen auf einem Landschaftsschutzgebiet errichtet…
Das Landschaftsschutzgebiet beträgt 65 Hektar, davon haben wir 16 Hektar für den Wohnungsbau vorgesehen. Dazu kommt: Diese 16 Hektar bestehen hauptsächlich aus Kleingärten und nicht aus den ökologisch wichtigen Flächen, wie Wasserflächen oder Wald. Außerdem liegt das Diekmoor direkt an der U-Bahn Haltestelle Langenhorn Nord und ist somit optimal an den ÖPNV angeschlossen. Das ist eine ideale Voraussetzung für Wohnungsbau. Für die genutzte Fläche schaffen wir Ausgleich. In der Nähe gibt es Flächen, die ökologisch aufgewertet werden könnten. Von den 700 Wohneinheiten werden 300 von der SAGA errichtet und insgesamt sollen dort 60 Prozent geförderte Wohnungen entstehen.
Das ist also die Wohnbaustrategie der Zukunft: Ständiges Abwägen zwischen Grünflächen und Wohnungsbau?
Genau. Aber man muss auch überlegen, wie der Wohnungsbau neue Wege gehen kann. Zum Beispiel könnte der Altbestand stärker genutzt werden: Also nicht gleich abreißen und neu bauen, sondern schauen, was man noch verwenden kann. Beim Postbank-Areal in der City Nord hatten wir eigentlich einen Wettbewerb für Neubau ausgerufen. Ein pfiffiger Architekt hat jetzt aber die Hälfte des Bestands in einen Neubau integriert.
Was könnte sich sonst noch ändern?
Man muss auch überlegen, höher zu bauen. Das ist ein guter Weg, mit Fläche schonend umzugehen. Hamburg ist eine Metropole – wenn ich aber die Skyline mit der von Frankfurt vergleiche, gibt es einen kleinen Unterschied. Auch in Hamburg könnte öfter mal acht oder zehn Stockwerke hoch gebaut werden. Das wäre keine Sünde.
Würden das viele als Sünde bezeichnen?
Mich verwundert, dass viele sagen, die Skyline von Hamburg dürfe nicht angefasst werden – die Kirchtürme sollen von überall gesehen werden. Ich weiß nicht, ob das im 21. Jahrhundert noch die richtige Haltung ist. Wir sehen diese Haltung auch in den Quartieren. Wenn wir dort mehr als drei- oder vierstöckige Gebäude planen, beschweren sich die Anwohner, wir würden ein Ghetto errichten.