Signalstörung, blockierte Türen, „Totmannschalter“: Der harte Weg zur U-Bahn-Fahrerin
„Einmal den Hebel leicht nach vorne drücken!“ Langsam setzt sich die U-Bahn auf dem Bildschirm in Bewegung und fährt aus der Station raus, während ich den Anweisungen des Ausbilders folge. Doch nur wenige Meter später ertönt ein lautes Warnsignal, was den Zug mit einem harten Ruck wieder zum Stoppen bringt. Die MOPO hat sich mal angesehen, wie die Hochbahn ihre U-Bahn-Zugführer ausbildet, was in Notfällen zu tun ist und wie sich der Job in Zukunft verändern wird.
„Einmal den Hebel leicht nach vorne drücken!“ Langsam setzt sich die U-Bahn auf dem Bildschirm in Bewegung und fährt aus der Station raus, während ich den Anweisungen des Ausbilders folge. Doch nur wenige Meter später ertönt ein lautes Warnsignal, was den Zug mit einem harten Ruck wieder zum Stoppen bringt. Die MOPO hat sich mal angesehen, wie die Hochbahn ihre U-Bahn-Zugführer ausbildet, was in Notfällen zu tun ist und wie sich der Job in Zukunft verändern wird.
Verwirrt schaue ich nach der Vollbremsung auf die Knöpfe und Schalter: Was habe ich falsch gemacht? „Das Pedal war nicht fest genug gedrückt“, erklärt mir Hochbahn-Ausbilder Thomas Sberna. Dieses Pedal wird auch „Totmannschalter“ genannt – der Fahrer muss es durchgängig betätigen. So wird überwacht, ob Zugführerin oder -führer handlungsfähig sind. Falls nicht, geht das System von einem medizinischen Notfall aus und bremst.
U-Bahn-Simulator: Immer das Pedal gedrückt halten!
Okay, weiter geht‘s also mit gedrücktem Pedal. „Jetzt abbremsen!“, gibt Sberna Anweisungen. „Bei einer Weiche darf die Bahn höchstens mit 20 Kilometern pro Stunde unterwegs sein.“ Das klappt reibungslos. Dann kommt die Haltestelle Landungsbrücken in der Simulation in Sicht. „Bis zu der Markierung fahren und dort stehenbleiben“, sagt der 59-Jährige. Das ist ja noch ein gutes Stück, denke ich, gebe nochmal Gas – und verpasse natürlich den Punkt. „Jetzt können die Leute in den vorderen Waggons leider nicht aussteigen“, kommentiert Sberna und lacht dabei. „Das müsste jetzt sofort der Leitstelle gemeldet werden.“

Der Fahrsimulator ist nur ein Teil der Ausbildung. Davor kommt der theoretische Teil, in dem die zukünftigen U-Bahn-Führer unter anderem sämtliche 47 Signale und ihre Bedeutung lernen. „Wie verhalte ich mich bei einer Signalstörung? Was mache ich, wenn eine Kindergartengruppe die Türen blockiert? Was, wenn sich jemand prügelt?“, zählt Ausbilder André Tiesler (40) auf. „In Notfällen muss der Fahrer sofort die Hochbahn-Wache oder die Polizei alarmieren.“
Was lernt man als U-Bahn-Fahrer in der Ausbildung?
In der Fahrzeugschulung geht es dann um Aufbau und Technik der Züge und anschließend sind die Azubis dann auch schon im Praxisbetrieb unterwegs – natürlich immer mit einem Lehrfahrer an der Seite, der jederzeit eingreifen kann. Nach vier Monaten steht die Abschlussprüfung an.

Jährlich etwa 70 bis 80 U-Bahn-Führer bildet die Hochbahn aus, die bei erfolgreicher Prüfung alle übernommen werden. Die meisten, etwa 84 Prozent, sind Männer. Mitbringen müssen die mindestens 21-jährigen Bewerber eine abgeschlossene Berufsausbildung und einen Führerschein. „Dadurch, dass wir nur mit Quereinsteigern arbeiten, sind die Gruppen bunt durchmischt“, erzählt Sberna. „Der Älteste war mal ein 60-jähriger pensionierter Polizist. Viele kommen aber auch zu uns, weil sie in ihrem alten Job unglücklich waren.“
Diese Voraussetzungen brauchen U-Bahn-Führer
Einer davon ist der 34-jährige Dawid Wiggert, der Mitte Januar seine Abschlussprüfung haben wird. „Ich war vorher im Qualitätsmanagement“, erzählt er. „Aber wirklich zufrieden war ich dort nie, es war viel zu eintönig, und ich wollte etwas Aktiveres machen.“ Die Ausbildung bei der U-Bahn sei abwechslungsreich, endlich habe er habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.

Bei Mit-Azubi Torben Lehmann war es hingegen die Sicherheit des Jobs, die ihn zu seiner Entscheidung gebracht hat. Der 27-Jährige war vorher in der Hotellerie. „Während Corona habe ich dann gemerkt, wie krisenanfällig diese Branche ist“, erzählt er. „Mir wurde zwar nicht gekündigt, aber es gab sehr lange Kurzarbeit und das Geld wurde knapp.“ Bei der Hochbahn will er jetzt nochmal neu anfangen.
Wie zukunftsfähig ist der Job als U-Bahn-Fahrer?
Aber wie zukunftsfähig ist eigentlich der Job als U-Bahn-Führer? Immerhin plant die Hochbahn ja auf der U2 und U4 einen halbautomatischen und auf der U5 sogar einen vollautomatischen Betrieb. „Wenn es so weit ist, werden wir unsere Fahrer entsprechend umschulen“, erklärt Sberna. „Der Job wird sich natürlich verändern – es braucht bei einem vollautomatischen Betrieb eine ganz andere Technik-Expertise – aber gebraucht werden die U-Bahn-Fahrer trotzdem.“
Ist auf jeden Fall besser, wenn ein ausgebildeter Fahrer vorne sitzt und nicht ich. Mehrere Sekunden lang starre ich die simulierten Fahrgäste auf dem Bildschirm an: Warum steigen die denn nicht endlich ein? Bis mir auffällt, dass ich auf der falschen Seite die Türen geöffnet habe. Spaß gemacht hat es trotzdem.