Monatelanges Warten: Termin-Wahnsinn beim Hamburger TÜV
Valentin Schmidtner ist genervt. Vier Monate ist es her, seit der 19-Jährige von seinem Fahrlehrer als bereit für die praktische Prüfung eingestuft wurde. Passiert ist seitdem: nichts. Termine sind absolute Mangelware. Das liegt einerseits an den extrem hohen Anforderungen für Fahrprüfer – aber auch ein für Hamburg spezifischer Faktor spielt eine entscheidende Rolle.
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Valentin Schmidtner ist genervt. Vier Monate ist es her, dass der 19-Jährige von seinem Fahrlehrer als bereit für die praktische Prüfung eingestuft wurde. Passiert ist seitdem: nichts. Termine sind absolute Mangelware. Das liegt einerseits an den extrem hohen Anforderungen an Fahrprüfer – aber auch ein Hamburg-spezifischer Faktor spielt eine Rolle.
„Schon im November hat mich meine Fahrschule für einen Prüfungstermin angemeldet“, erzählt Valentin Schmidtner aus Altona. Seine Theorieprüfung hatte der Schüler zu diesem Zeitpunkt schon längst erfolgreich bestanden, auch alle vorgeschriebenen Fahrten über die Autobahn und bei Dunkelheit waren abgehakt. „Dass es dann aber so lange bis zur tatsächlichen Prüfung dauert, hätte ich nicht gedacht“, so der 19-Jährige.
Fahrprüfung in Hamburg – Termine sind Mangelware
Zuständig für die Terminvergabe ist der TÜV. „Mir wurde in der Fahrschule gesagt, dass es dort wegen der Corona-Pandemie immer noch zu Verzögerungen kommen würde“, fährt er fort. „So lange sollte ich doch einfach weiter Fahrstunden nehmen, um nicht aus der Übung zu kommen.“ Knackpunkt: Eine Doppelstunde kostet 130 Euro. „Das können wir uns auf Dauer nicht leisten.“ Schon davor hätten seine Eltern einige tausend Euro in den Führerschein investiert.
Bernd Ehlers, stellvertretender Vorsitzender des Hamburger Fahrlehrerverbandes, bestätigte der MOPO bereits die angespannte Lage. „Die Fahrschulen bekommen ein festes Kontingent an Prüfungen“, erklärte er. In seiner Fahrschule seien beispielsweise fünf Fahrlehrer beschäftigt, die 120 Prüfungstermine pro Jahr erhalten. „Aber wenn Prüflinge mehr als nur einen Termin brauchen, reicht das natürlich nicht.“
Spitzenreiter: In Hamburg fallen viele Fahrprüflinge durch
Denn: Hamburg steht bundesweit an der Spitze, wenn es ums Durchrasseln in der praktischen Fahrprüfung geht: Laut Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes fallen durchschnittlich 45 Prozent durch, deutschlandweit sind es gerade einmal 29,7 Prozent.
Der Vize-Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände, Kurt Bartels, erklärt, dass es in Großstädten immer eine höhere Durchfallquote als in ländlichen Gebieten gebe, „weil das Verkehrsaufkommen ein anderes ist.“ Einen anderen Grund sieht Sabine Darjus, Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Hamburg, aber auch in den monatelangen Wartezeiten auf einen Prüfungstermin – wie bei Valentin. „Wenn die Prüfung jetzt tatsächlich ansteht, ist es schon echt lange her, dass ich gefahren bin“, sagt der 19-Jährige besorgt.
Zu wenig Prüftermine: Fachkräftemangel beim TÜV
Beim TÜV Süd, dem der TÜV Hanse zu 90 Prozent gehört, ist man sich der Misere ebenfalls bewusst. Dort herrscht Fachkräftemangel. „Fahrerlaubnisprüfer können nicht auf dem freien Arbeitsmarkt akquiriert werden“, erklärt Sprecher Vincenzo Lucà. „Sie müssen ausgebildet werden. Die Ausbildung setzt ein abgeschlossenes Ingenieursstudium voraus und dauert zwei Jahre.“ Denn anschließend sitzen die Prüfer nicht nur auf der Rückbank hinter den Fahrschülern, sondern vergeben auch TÜV-Plaketten für Autos.
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Um die Situation kurzfristig zu entspannen, bietet der TÜV laut Lucà jetzt auch am Samstag Prüftermine an. Zudem gebe es eine Sondergenehmigung der Stadt Hamburg, die die restlichen zehn Prozent am TÜV Hanse hält, mit der langjährige Fahrlehrer zu Fahrprüfern ausgebildet werden können. „Diese Ausbildung dauert circa sechs Monate“, erklärt der Sprecher.
Bei Valentin ging es dann übrigens doch schneller als gedacht: Nach der monatelangen Wartezeit bekam er plötzlich einen Prüfungstermin innerhalb einer Woche – und ist jetzt glücklicher Neu-Besitzer eines Führerscheins.