• Harald Krüger, der Boss des DRK Harburg, verweigert jede Stellungnahme.
  • Foto: B. Blumenthal

Mitarbeiter widersprechen Chef: Neuer Impf-Ärger beim DRK: 60 Dosen schnell verteilt

Führungskräfte von Feuerwehr und Deutschem Roten Kreuz nutzten die Gunst der Stunde und ließen sich, weil Dosen übrig geblieben waren, schon mal vorab impfen – die Geschichte hat für viel Unmut gesorgt. Die Wut der „einfachen“ Feuerwehrleute und Rotkreuzler, die sich an vorderster Front immer in Gefahr befinden, sich anzustecken, ist groß – denn von ihnen warten noch viele auf den erlösenden Piks.

Bevor die MOPO vor wenigen Tagen erstmals über den Fall berichtete, hatte sie das Deutsche Rote Kreuz in Harburg mit den Vorwürfen konfrontiert – aber zur Antwort bekommen, dass es keine Antworten geben wird. Selbst als die MOPO ihre Fragen wiederholte und eine Frist zur Beantwortung setzte, kam nichts. Ein äußerst fragwürdiges Verhalten. Öffentlichkeitsarbeit nach Gutsherrenart.

Chefs der DRK-Ambulanzdienstes erklären sich den Mitarbeitern

Weil intern der Ärger riesig ist und Rotkreuzler hinter vorgehaltener Hand über ihre Chefs herziehen, haben sich die Geschäftsführer des DRK-Ambulanzdienstes, Stephan Topp und Jan Reichert, jetzt genötigt gesehen, ein Schreiben an die Mitarbeiter zu richten und zu erklären, was passiert ist. Die „Information der Geschäftsführung 3/2021“ wurde der MOPO von einem DRK-Mitarbeiter zugespielt.

In dem Papier wird der MOPO-Bericht im Wesentlichen bestätigt: Am 29. Dezember sind demnach vom mobilen Impfteam 60 Impfdosen nicht verbraucht worden. Um eine Vernichtung dieses nur begrenzt haltbaren Impfstoffes unbedingt zu vermeiden, seien deshalb am 30. Dezember Rettungsdienst-Mitarbeiter geimpft worden, „darunter auch zwei Leitungskräfte“.

229705098

60 Impfdosen hatte das DRK-Impfteam übrig – also ließen sich Personen aus der Chefetage des DRK Harburg impfen.

Foto:

picture alliance/dpa/dpa-Zentral

Weiter heißt es: „Zuletzt wurden weitere Personen geimpft, die zu diesem Zeitpunkt verfügbar waren.“ Nach MOPO-Informationen waren darunter auch Ehefrauen von Führungskräften und ein Kind. Die Geschäftsführung des DRK-Ambulanzdienstes bestreitet, dass ein Kind geimpft wurde.

Das könnte Sie auch interessieren: Die dreiste Impf-Aktion in der Chef-Etage

In dem internen Schreiben wird behauptet: Ein „Herbeitelefonieren“ weiterer Personen sei „aus organisatorischen und zeitlichen Gründen gar nicht möglich gewesen“. Die Impfung von DRK-Mitarbeitern anderer Wachen sei nicht infrage gekommen, weil Einsatzkräfte im Dienst wegen möglicher Impfreaktionen nicht geimpft werden dürften.  So weit das interne Schreiben.

60 Impfdosen schnell mal verteilt: DRK-Mitarbeiter sind auf Zinne

Was sagen die DRK-Mitarbeiter dazu? Die sind sauer. „Am 29. Dezember blieben 60 Dosen übrig und einen Tag später wurden sie verimpft? Das klingt für mich nicht nach großer Eile. In diesen 24 Stunden hätten problemlos genug Mitarbeiter aus der Freischicht mobilisiert werden können.“ Es stimme nicht, dass nur zwei DRK-Führungskräfte geimpft wurden. „Es waren zwei vom DRK-Kreisverband, nämlich der Vorstand Harald Krüger und seine Frau. Daneben wurden noch mindestens fünf Führungskräfte des DRK-Ambulanzdienstes geimpft.“

DRK Harburg verweigert weiterhin jede Stellungnahme

Erneut haben wir das DRK um eine Stellungnahme gebeten. Auch diesmal Fehlanzeige.

Der Sachverhalt wirft noch eine ganz andere Frage auf: Wie kann es überhaupt sein, dass ein Impfteam nach dem Besuch von Alten- und Pflegeheimen 60 Dosen übrig hat? Könnte die Ursache sein, dass das Personal der Impfteams rechtlich schlecht oder gar nicht aufgeklärt ist?

„Heime und Impfteams weigern sich, die Rechtslage zur Kenntnis zu nehmen“

Diese Erfahrung hat Stefan Schiller, ein Berufsbetreuer, mehrfach gemacht. „Wiederholt habe ich erlebt, dass die Impfteams sich weigern, Heimbewohner zu impfen, wenn der Betreuer nicht vorher schriftlich, und zwar ohne ärztlich aufgeklärt zu sein, also quasi blanko, zugestimmt hat.“ Schiller ist entsetzt über so viel Ahnungslosigkeit. „Jeder Pflegeheimbewohner, der einwilligungsfähig ist, hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob er eine Impfung will. Ist der Pflegeheimbewohner nicht einwilligungsfähig, dann genügt ein Anruf beim Betreuer, der nach ärztlicher Aufklärung gegebenenfalls zustimmt. Die Heime und die Impfteams weigern sich einfach, die Rechtslage zur Kenntnis zu nehmen. Die verfahren weiter nach dem Muster: Ist keine Unterschrift vom Betreuer da, keine Impfung.“ Und so bleiben die Impfdosen am Ende übrig.

Dass die DRK-Impfteams die Rechtslage nicht kennen, kann kaum verwundern – wenn selbst der Chef ahnungslos ist. Harald Krüger, Boss vom DRK Harburg, wurde vom „Abendblatt“ vor wenigen Tagen so zitiert: „Ein großes Problem bei den Impfungen in Seniorenheimen ist die Bürokratie. Viele der Bewohner sind nicht mündig und brauchen eine Einverständniserklärung des gesetzlichen Vormunds.“

Berufsbetreuer Schiller dazu: „Seit 1992 gibt es keine Entmündigungen mehr und auch keine Vormünder.“

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp