Mit Karacho gegen den Bordstein – darum sind E-Scooter-Unfälle so gefährlich
Je näher das Wochenende rückt, desto voller wird es in Hamburgs Notaufnahmen. Ein fester Bestandteil der den Patienten sind inzwischen die E-Scooter Fahrer. Wie gefährlich sind die Unfälle mit den Rollern? Eine neue Simulation zeigt: Sie führen oft zu schweren Kopfverletzungen. Unterschätzen die Nutzer die Gefahr und kommt bald die Helmpflicht?
Je näher das Wochenende rückt, desto voller wird es in Hamburgs Notaufnahmen. Ein fester Bestandteil der Patienten sind inzwischen die E-Scooter Fahrer. Wie gefährlich sind die Unfälle mit den Rollern? Eine neue Simulation zeigt: Sie führen oft zu schweren Kopfverletzungen. Unterschätzen die Nutzer die Gefahr und kommt bald die Helmpflicht?
Anfang Juli mietete sich ein 29-Jähriger am Hauptbahnhof einen E-Scooter und düste in Richtung Kurt-Schuhmacher-Allee davon – volltrunken. Weit sollte er allerdings nicht kommen: In Höhe des Besenbinderhofs war die Fahrt bereits zu Ende, als der Mann gegen einen Kantstein fuhr, über den Lenker flog und mit dem Gesicht auf dem Asphalt landete. Er musste in eine Klinik gebracht werden.
E-Scooter-Unfälle: Unterschätzen die Fahrer das Risiko?
Solche Fälle sind für Holger Kleinertz, Unfallchirurg am UKE, Alltag. „Es gibt so gut wie kein Wochenende ohne einen E-Scooter-Fahrer in der Notaufnahme“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. Etwa 40 Prozent der Unfälle passierten zwischen 23 Uhr und 7 Uhr. „Das liegt daran, dass die Scooter im Gegensatz zum Fahrrad in den allermeisten Fällen für Freizeitwege genutzt werden.“

Aus seiner Sicht unterschätzten viele Fahrer die schmale Lenkstange und das kleine Rad des Scooters. „Vor allem bei Bürgersteigkanten rollen zum Beispiel Fahrräder ohne Probleme drüber, das Rad des E-Scooters hingegen kippt viel einfacher weg.“
So viele E-Scooter Unfälle gab es bisher in Hamburg
Kleinertz hat zusammen mit anderen Medizinern bereits zwei Studien zu E-Scooter-Unfällen veröffentlicht: Die erste erschien 2021 im „Deutschen Ärzteblatt“, die zweite Anfang dieses Jahres in „Scientific Reports“. Seitdem stieg die Zahl der E-Scooter Unfälle in der Hansestadt stetig: Waren es im Jahr 2020 noch 222, registrierte die Polizei 2022 bereits 858 in Unfälle verwickelte Roller.
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„Etwa ein Drittel der Unfallopfer ist betrunken“, sagt Kleinertz. „Die können sich dann bei Stürzen oft aufgrund fehlender Reflexe nicht mehr mit den Händen abstützen und fallen direkt aufs Gesicht. Das kann besonders gefährlich werden, denn in der Unfallchirurgie können wir zwar vieles operativ behandeln – am Kopf kann ein solcher Sturz dann aber verheerend werden.“ Etwa 58 Prozent aller E-Scooter Fahrer verletzten sich bei Unfällen im Gesicht.
Unfallchirurg Nils Proksch am Asklepios St. Georg bestätigt die Zahlen. „Bei uns ist es ein ganz ähnliches Patienten-Portfolio“, sagt er. „Etwas mehr als 50 Prozent haben bei uns Verletzungen am Kopf oder der Halswirbelsäule.“
Neues Simulationsmodell zeigt: Kopfverletzungen sind wahrscheinlich
Um derartige Unfälle mit E-Scootern und mögliche Verletzungen besser vorherzusagen, hat die Dekra-Unfallforschung zusammen mit der Universität Gustave Eiffel in Marseille und der École de Technologie Supérieure in Montréal jetzt ein neuartiges Simulationsmodell entwickelt.

Das hat sich auf genau das Szenario „E-Scooter gegen Bordsteinkante“ fokussiert – in mehr als 160 verschiedenen Varianten. Diese unterscheiden sich dann zum Beispiel bei der Ausgangsgeschwindigkeit, im Anprallwinkel oder in der Größe des Fahrers. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.
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Ziel ist es, mehr darüber zu erfahren, was bei und nach dem Aufprall mit dem menschlichen Körper passiert. Die ersten Ergebnisse zeigen jetzt: Bei Stürzen wie in den untersuchten Szenarien sind schwere oder sogar schwerste Kopfverletzungen wahrscheinlich – denn in beinahe jeder der mehr als 160 untersuchten Varianten prallte der Kopf auf den Boden. Allerdings: In den allermeisten Fällen hätte ein Fahrradhelm die Verletzungen entweder verhindert oder wenigstens abgemildert, sagt der Biomechaniker Andreas Schäuble der Dekra.
Auch die Hamburger Unfallchirurgen raten den Scooter-Nutzern zu einem Helm – eine Pflicht befürworten sie allerdings beide nicht. „Ich glaube nicht, dass wir als Mediziner in der Position sind, eine Tragepflicht zu fordern“, sagt Proksch. „Empfehlen würde ich es aber dringend, denn ein Helm kann Verletzungen natürlich deutlich verringern.“