• Philip Spenner kommt aus einem Waisenhaus in Nairobi – heute lehrt er an einer Hamburger Stadtteilschule.
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„Mit Glück überlebt“: Hamburgs erster schwarzer Lehrer über Armut und Opferrollen

„Ich hab Glück, dass ich überlebt habe“: Philip Spenner hat in seiner Jugend viel durchgemacht. Doch er hat es geschafft, dem Elend zu entkommen. Heute hilft er anderen Kindern: hier und in Kenia.

„Ich bin wieder Zuhause. Ich werde wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht und das macht einen demütig“, sagt Philip Spenner, während er auf einem einfachen Metallbett in seinem ehemaligen Schlafsaal sitzt. Einmal im Jahr fährt der 41-Jährige zurück in seine Heimat Kenia und besucht das Waisenhaus in Nairobi, in dem er selbst acht Jahre seines Lebens verbracht hat. „Mit wenig Geld kann man hier sehr viel erreichen“, erzählt er in dem Video auf der Homepage seines Vereins Kanduyi Children, den er 2007 gegründet hat. Die Waisenkinder bekommen nun drei Mahlzeiten am Tag und können in die Schule gehen – das war nicht immer so.

Hamburger Lehrer: „Dass ich überlebt habe, ist ein Wunder“

Philip Spenner hatte Glück – und einen starken Willen. Mit neun Jahren hatte ihn seine Tante auf die Straße gesetzt, seine Eltern hatte der Junge nie kennengelernt. Von diesem Tag an musste er sich in den Slums von Nairobi alleine durchschlagen: Hunger, Gewalt und Angst waren seine ständigen Begleiter.

„Dass ich das überlebt habe, ist ein Wunder“, sagt er heute. Mit zwölf Jahren kommt er in das Waisenheim, das er heute finanziell unterstützt. Robert Spenner aus Hamburg übernimmt eine Patenschaft für ihn und zahlt sein Schulgeld. Endlich darf er zur Schule gehen und lernen – das Größte für ihn. „Ich war ein Streber, wollte immer der Beste sein“, erinnert er sich.

Mit 20 nach Deutschland: Lehrer-Job in Hamburg

Mit 20 Jahren kommt er nach Deutschland, Robert Spenner hatte ihn mittlerweile adoptiert. Er studiert Lehramt, weil er es als seine Berufung ansieht, Schüler zu unterrichten und zu motivieren. Seit 2009 arbeitet Philip Spenner an der Stadtteilschule Am Heidberg in Langenhorn, eine Schule, an der rund 60 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben.

„Ich war eine Rarität: Der erste schwarze Lehrer in Hamburg“, erzählt er. Und er hat eine Botschaft, die bei seinen Schülern ankommt: Um erfolgreich zu sein, kommt es nicht auf die Herkunft an. „Ich möchte den Schülern die Möglichkeit geben, an sich zu glauben. Dann bin ich selber glücklich“, sagt er.

Aus Kenia: Lehren emotionale Angelegenheit für Hamburger 

Lernen ist für ihn eine emotionale Angelegenheit. Es sei für ihn ein Vorteil, dass er sich in die Probleme seiner Schüler hineinversetzen kann. „Ich weiß, was es heißt, aus einem Haushalt zu kommen, wo fünf Leute auf wenigen Quadratmetern leben müssen, ohne Internet und Laptop und Eltern, die kein Deutsch sprechen“, erzählt er.

Auch, dass er Suaheli spreche, das mit dem Arabischen verwandt ist, sei oft ein großer Vorteil. „Viele Menschen mit Migrationshintergrund werden häufig situationsbedingt dazu gezwungen, sich in der Opferrolle zu sehen“, sagt Spenner, der mit seiner Familie in Poppenbüttel lebt. „Mit einem Lehrer, der auch einen Migrationshintergrund hat, funktioniert das aber eher selten.“

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In seiner Freizeit engagiert sich der 41-Jährige für seinen Verein, hält Vorträge an Schulen und berichtet von seiner Arbeit vor Ort. 60 Prozent der Kinder in Kenia können sich eine weiterführende Schule nicht leisten, ein Schuljahr kostet 600 Euro – das entspricht einem durchschnittlichen Jahresgehalt. „Bildung ist die nachhaltigste Form zur Selbsthilfe“, ist Spenner überzeugt. Seit den Anfängen konnte der Verein rund 500 Kindern eine Schulausbildung ermöglichen. Viele von ihnen sind mittlerweile selbst Ärzte, Lehrer oder Anwälte – und können einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

Lehrer aus Kenia: „Glauben an sich selbst wiedergewinnen“

„Es geht darum, den Teufelskreis der Armut, die sich von einer Generation zur anderen weitergibt, zu durchbrechen“, sagt Spenner. Dazu gehöre nicht nur Bildung, sondern auch, dass die Kinder den Glauben an sich selbst wiedergewinnen.

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„Unser Aushängeschild ist Derek. Ohne uns hätte er keinerlei Chance gehabt“, erzählt er mit einem Lächeln. Mittlerweile hat Derek sein Medizinstudium abgeschlossen und arbeitet als Arzt. „Er ist ein wahnsinniges Vorbild für die anderen: Schaut, das könnt ihr auch schaffen.“ 

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