30 und noch nicht schwanger? „Eine Frau ist auch ohne Kinder vollständig!“
Als Kind wurde sie sexuell missbraucht, heute kämpft sie für Betroffene: Lena Jensen (29) ging beim Wettbewerb um „Miss Germany“ – bei dem sie Zweite wurde – mit ihrer eigenen Geschichte an die Öffentlichkeit. Sie hat ihre traumatischen Kindheitserfahrungen überlebt und gefunden, worauf sie hoffte: Ein schönes Leben und eine glückliche Beziehung. Heute ist die Wahlhamburgerin Finanzberaterin, Schauspielerin, Model und Influencerin. Im August heiratet sie ihren Freund. Doch neben Glückwünschen kommt auch immer wieder die eine Frage: Wann wirst du schwanger? In der MOPO spricht Lena Jensen über den Druck und die Angst, die diese Frage auslösen.
Frau Jensen, ist eine Frau nur vollständig, wenn sie Kinder bekommt?
Auf gar keinen Fall. Eine Frau ist immer vollständig, egal was sie macht. Ich finde es extrem schwierig, dass diese Verbindung noch in vielen Köpfen vorherrscht.
Sie heiraten dieses Jahr, werden bald 30. Und immer wieder fragt man Sie, wie es mit der Familienplanung aussieht. Was macht das mit Ihnen?
Am Anfang hielt ich die Frage für normal – da jeder fragte. Also dachte ich: Okay, ich brauche also endlich eine Antwort darauf. Mittlerweile halte ich die Frage für absolut übergriffig.
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Als Kind wurde sie sexuell missbraucht, heute kämpft sie für Betroffene: Lena Jensen (29) ging beim Wettbewerb um „Miss Germany“ – bei dem sie Zweite wurde – mit ihrer eigenen Geschichte an die Öffentlichkeit. Sie hat ihre traumatischen Kindheitserfahrungen überlebt und gefunden, worauf sie hoffte: Ein schönes Leben und eine glückliche Beziehung. Heute ist die Wahlhamburgerin Finanzberaterin, Schauspielerin, Model und Influencerin. Im August heiratet sie ihren Freund. Doch neben Glückwünschen kommt auch immer wieder die eine Frage: Wann wirst du schwanger? In der MOPO spricht Lena Jensen über den Druck und die Angst, die diese Frage auslösen.
Frau Jensen, ist eine Frau nur vollständig, wenn sie Kinder bekommt?
Auf gar keinen Fall. Eine Frau ist immer vollständig, egal was sie macht. Ich finde es extrem schwierig, dass diese Verbindung noch in vielen Köpfen vorherrscht.
Sie heiraten dieses Jahr, werden bald 30. Und immer wieder fragt man Sie, wie es mit der Familienplanung aussieht. Was macht das mit Ihnen?
Am Anfang hielt ich die Frage für normal – da jeder fragte. Also dachte ich: Okay, ich brauche also endlich eine Antwort darauf. Mittlerweile halte ich die Frage für absolut übergriffig.
Warum?
Die fragende Person kennt die Hintergründe nicht. Vielleicht kann ich keine Kinder bekommen – oder ich versuche es die ganze Zeit, aber es klappt nicht. Die Frage kann wirklich traumatisierend sein. Wenn mich jetzt jemand fragt, antworte ich immer, dass ich dazu erstmal nichts sagen möchte und erkläre kurz warum. Ich finde, dass wir uns viel mehr darüber Gedanken machen müssen, warum diese Frage überhaupt gestellt wird.
Hamburg: Lena Jensen über die Kinder-Frage
Es ist tatsächlich auffällig, dass das Thema Kinder in Bezug auf Frauen dem Privaten entrissen ist. Was glauben Sie, woran liegt das?
Die Gesellschaft hat die Erwartung, dass die Frau sich reproduziert. Häufig wird Frauen, die keine Kinder wollen, vorgeworfen, sie seien egoistisch. Dabei sollte das eine komplett freie Entscheidung sein.
Was bedeuten Ihnen Kinder?
Ich habe noch nie die bekannte biologische Uhr ticken gehört – und oft das Gefühl, mit Kindern nicht so viel anfangen zu können. Neulich habe ich mich mit einer Freundin über das Thema unterhalten. Sie erzählte, dass jemand zu ihr meinte, sie werde nie erfahren, was wirkliche Liebe ist, wenn sie keine Kinder bekomme.
Eine extreme Aussage.
Ja, ich fand das wirklich hart – und falsch. Es gibt so viele Arten von Liebe, die muss ja nicht nur über ein Kind kommen. Es gibt Liebe in Freundschaft, in der Familie, mit dem Partner. Eine Entscheidung gegen ein Kind ist keine Entscheidung gegen Liebe.
Ein älterer Kollege erzählte neulich, er bereue es, kein Vater geworden zu sein – auch, weil man damit etwas erschafft, das über einen selbst hinaus geht. Sich fortführen in jemand anderem. Was halten Sie von dieser Idee?
Ich kann das nachvollziehen. Aber es gibt manchmal unvorteilhafte Gründe, aus denen Menschen Kinder bekommen. Ein Kind ist nicht dazu da, ein Loch zu stopfen oder eine bestimmte Rolle zu erfüllen.
Es sollte einfach um seiner selbst willen geliebt werden.
Genau. Das Kind ist erstmal einfach nur da. Und die Eltern sollten es dafür lieben, ihm zeigen wie das Leben funktioniert und natürlich auch Grenzen aufzeigen. Das Kind wird dich also auch mal blöd finden oder sogar hassen. Wer ein Kind nur aus dem Grund bekommt, weil er geliebt werden will, kann mit so einer Situation dann gar nicht umgehen.
Wer ein Kind möchte, sollte sich also fragen: Werden meine Gründe einem eigenständigen menschlichen Wesen gerecht?
Ja, es ist immerhin eine große Verantwortung. Man muss sich erstmal selbst zurückstellen. Deshalb sollte man einen Kinderwunsch gut hinterfragen. Wer das tut, kann dem Kind später viel mehr Raum und Liebe zum Aufwachsen ermöglichen. Denn letztendlich geht es doch darum, dass das Kind glücklich ist.
Ihnen wurde als Kind Gewalt angetan. Haben Ihre Erfahrungen Auswirkungen auf Ihre Entscheidung, Mutter zu werden?
Auf jeden Fall. Ich hinterfrage mehr den Grund, warum ich Kinder haben möchte und auch, was eine Geburt mit einem machen kann.
Was meinen Sie genau?
Die Geburt kann ein Trauma auslösen. Das kann eine Erfahrung sein, die man früher gemacht hat oder während der Geburt. Frauen berichten beispielsweise davon, dass sie eine natürliche Geburt wollten und der Arzt dennoch einen Kaiserschnitt gemacht hat. Nicht aus medizinischer Not, sondern auch Kosten- und Termingründen. Andere bekommen nach der Geburt eine Depression. Als Frau denkst du dann, alle schaffen das, ich schaffe das auch. Sie quälen sich durch die Zeit danach, oft ohne Hilfe. Der ganze Themenbereich ist aber noch nicht genau beleuchtet, weil man immer denkt: „Jaja, die Frau schafft das schon.“
Haben Sie Angst, es nicht zu schaffen?
Ja, vielleicht habe ich dazu nicht die Kraft. Oder das Kinderkriegen löst bei mir nochmal eine Art Trauma aus. Natürlich habe ich auch Angst, keine gute Mama zu sein. Viele denken sich vielleicht, dass Menschen wie ich, die in der Kindheit Gewalt erfahren haben, keine Kinder in die Welt setzen wollen, weil sie so kaputt ist. Aber das denke ich nicht. Natürlich gibt es viel Schlimmes auf der Welt. Aber auch so viel Schönes, für das es sich zu kämpfen lohnt. Wenn man Kindern das Leben schenkt, kann man ihnen das alles zeigen und sie können die Schönheit selbst erleben.
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Als Person des öffentlichen Lebens haben Sie die Möglichkeit, auf wichtige Themen aufmerksam zu machen. Was ist Ihre Botschaft an die Frauen, die sich unter Druck gesetzt fühlen – und an die Menschen, die diesen Druck aufbauen?
Ich würde den Frauen raten, ehrlich damit umzugehen. Einfach den Fragenden erklären, was diese Frage auslösen kann. Gesellschaftlich braucht es eine Veränderung der Wahrnehmung: Eine Frau muss keine Kinder bekommen. Die Frage, warum will jemand Kinder haben, sollte dafür mehr im Fokus stehen.