Hauptbahnhof, U5, Klimaschutz: Diese Großprojekte stehen in Hamburg auf der Kippe
Ob die Sanierung von Bahnstrecken, die Förderung von E-Autos oder Hamburgs große Klimapläne mit Wasserstoff – nach dem Karlsruher Urteil zum Bundeshaushalt steht vieles auf der Kippe. Nach bisherigen Schätzungen fehlen rund 260 Milliarden Euro in der Kasse des Bundes. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) spricht von „erheblichen Auswirkungen“. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Neukunden lesen die ersten 4 Wochen für nur 1 €!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen //
online kündbarMOPO+ Jahresabo
für 79,00 €Jetzt sichern!Spare 23 Prozent!Zugriff auf alle M+-ArtikelWeniger Werbung
Danach zum gleichen Preis lesen //
online kündbar
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Ob die Sanierung von Bahnstrecken, die Förderung von E-Autos oder Hamburgs große Klimapläne mit Wasserstoff – nach dem Karlsruher Urteil zum Bundeshaushalt steht vieles auf der Kippe. Nach bisherigen Schätzungen fehlen rund 260 Milliarden Euro in der Kasse des Bundes. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) spricht von „erheblichen Auswirkungen“. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie ist das Haushaltsloch entstanden?
Die Bundesregierung wollte mit Hilfe einer Umschichtung Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro nachträglich für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verwenden, die ursprünglich für Corona-Maßnahmen gedacht waren. Das Verfassungsgericht hatte das für nichtig erklärt. Das Geld steht nicht mehr zur Verfügung.
Von dem Urteil ist wohl auch der 200 Milliarden Euro schwere Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) betroffen. Vorsorglich wurden von der Regierung die Finanzzusagen aller Ministerien für die kommenden Jahre gesperrt. Der Bundeshaushalt 2024 liegt auf Eis.
Welche Folgen hat das?
Betroffen ist die Finanzierung zahlreicher Klima- und Industrieprojekte. Einige Beispiele: Der Umweltbonus für die Anschaffung von E-Autos kommt aus dem KTF, ebenso wie Gelder für die Sanierung der Bahn-Infrastruktur und Mittel zur Umsetzung des Heizungsgesetzes.
Zudem sind Mittel aus dem Fonds für die Ansiedelung von Batteriezellenfabriken wie der im schleswig-holsteinischen Heide eingeplant. Da der WSF ebenfalls betroffen sein könnte, müssen sich Verbraucher womöglich auf steigende Strom- und Gaspreise einstellen. Denn die Preisbremsen wurden bisher aus dem Fonds finanziert.
Inwiefern sind Hamburgs Umwelt- und Verkehrsprojekte betroffen?
„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird erhebliche Auswirkungen auch auf Hamburger Projekte haben“, ist sich Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sicher. Denn Hamburg habe im Bereich der Energiewende viele Vorhaben zur Förderung beim Bund angemeldet, die aus den Mitteln des KTF mitfinanziert werden sollten.
Als Beispiele nennt Kerstan das Wasserstoff-Industrienetz der Gasnetz Hamburg GmbH, das Wasserstoff-Projekt bei ArcelorMittal oder den Green Hydrogen Hub der Hamburger Energiewerke. „Wir müssen zur Zeit davon ausgehen, dass alle Projekte die aus dem KTF finanziert werden sollten und noch keinen Zuwendungsbescheid haben, in Frage stehen und auf jeden Fall einer Haushaltssperre unterliegen“, so Kerstan.
Dasselbe kann auch diesen Verkehrsprojekten in Hamburg passieren. Ein Beispiel: die Deutsche Bahn. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) räumte im „Spiegel“ ein, dass der Bahn nun 25 Milliarden Euro für die Sanierung fehlten. „Ohne die Mittel des KTF reicht das Geld im Haushalt des Bundes offenbar nicht für alle Schienenprojekte“, sorgt sich Ole Thorben Buschhüter, Verkehrsexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion.
Ob und wie sich die Mittel bei der Bahn auf Hamburger Projekte auswirken, sei aktuell schwer zu sagen. Der neue Fernbahnhof Altona, die U5, die Umgestaltung des Hauptbahnhofs oder auch der Verbindungsbahnentlastungstunnel – alles wird mit Geldern der Deutschen Bahn finanziert. „Schlimmstenfalls steht aber alles auf dem Prüfstand, wo der Bund irgendwie beteiligt ist“, so Buschhüter. Er erwarte vom Bund, dass er die notwendigen Investitionen möglich mache.
Aus der Verkehrsbehörde heißt es, die Auswirkungen für vom Bund potenziell geförderte Verkehrsprojekte in Hamburg lassen sich nach dem jetzigen Stand noch nicht abschätzen. „Der Bund hat allerdings in der Pressekonferenz nach dem Urteil bekräftigt, allen bereits eingegangen Förderzusagen nachzukommen“, so ein Sprecher.
Was ist mit anderen Hamburger Projekten?
Die Finanzbehörde teilte auf MOPO-Anfrage mit, dass Finanzierungen von Förderfonds durch die Stadt Hamburg zum jetzigen Stand nicht gefährdet sind. Die Auswertung der Auswirkungen des Urteils dauere an. Allerdings könnten die Mittel aus dem KTF nach Angaben von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) „nach jetzigem Stand auch nicht mehr für Projekte in Hamburg eingesetzt werden“.
Es sei abzuwarten, wie der Bund den Wirtschaftsplan des KTF verändert, welche neue Finanzmittel der Bund bereitstellt und welche Projekte nun noch daraus in Hamburg finanziert werden können. „Das ist eine bittere Konsequenz aus dem Urteil“, so Dressel. Andere Fachbehörden wie die Stadtentwicklungs- oder Wirtschaftsbehörde sagten auf Anfrage ebenfalls, dass erst Klarheit vom Bund geschaffen werden müsse. Im Bundesfinanzministerium ist man sich allerdings noch nicht sicher, ob und wie Hamburg betroffen sein wird. „Zu einzelnen Maßnahmen können wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht äußern“, heißt es auf MOPO-Anfrage.
Welche Lösung gibt es?
Die Debatte im Bund dreht sich vor allem um die Schuldenbremse. Sie legt fest, dass der Staat sich jedes Jahr nur bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandproduktes neu verschulden darf. SPD-Chefin Saskia Esken plädiert nun für eine Aussetzung der Schuldenbremse in diesem und dem kommenden Jahr.
Das könnte Sie auch interessieren: Haushaltsmittel nach Urteil gesperrt – Diskussion um Schuldenbremse
Dem Gesetz zufolge ist das in Notfällen möglich. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich für eine Reform der Schuldenbremse aus. Union und FDP gelten hingegen als Befürworter der Schuldenbremse. CDU-Chef Friedrich Merz fordert eher einen Verzicht auf Projekte wie die Kindergrundsicherung oder das Heizungsgesetz.