GNTM ist Trash-TV: Model-Chef packt übers Business aus
Es ist der Traum vieler junger Frauen: Ein Leben zwischen Fotoshootings und Laufsteg, auf dem Weg, das nächste Supermodel zu werden. Am Donnerstag ist es wieder soweit, die neue Staffel „Germany’s Next Topmodel“ startet – Millionen Menschen werden sich die Show (20.15 Uhr, ProSieben) anschauen. Doch die Sendung sei gefährlich, sagt Marco Sinervo. Der 46-jährige Hamburger hat vor 17 Jahren MGM gegründet – mittlerweile eine der größten Modelagenturen Europas. In seinem Büro in Rotherbaum hat die MOPO den Experten zum Interview getroffen über falsche Erwartungen bei Heidi Klums Models, die Gehälter in der Branche, Schönheitsideale und eine überraschende Einschätzung zum Diversity- und Plus-Size-Trend. Ein Blick hinter die Kulissen des knallharten Model-Business.
MOPO: Herr Sinervo, um als Model bei MGM arbeiten zu können, müssen Frauen mindestens 1,73 Meter groß sein und eine Konfektionsgröße von 34 bis 36 haben. Sind diese Normen nicht aus der Zeit gefallen?
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Es ist der Traum vieler junger Frauen: Ein Leben zwischen Fotoshootings und Laufsteg, auf dem Weg, das nächste Supermodel zu werden. Am Donnerstag ist es wieder soweit, die neue Staffel „Germany’s Next Topmodel“ startet – Millionen Menschen werden sich die Show (20.15 Uhr, ProSieben) anschauen. Doch die Sendung sei gefährlich, sagt Marco Sinervo. Der 46-jährige Hamburger hat vor 17 Jahren MGM gegründet – mittlerweile eine der größten Modelagenturen Europas. In seinem Büro in Rotherbaum hat die MOPO den Experten zum Interview getroffen über falsche Erwartungen bei Heidi Klums Models, die Gehälter in der Branche, Schönheitsideale und eine überraschende Einschätzung zum Diversity- und Plus-Size-Trend. Ein Blick hinter die Kulissen des knallharten Model-Business.
MOPO: Herr Sinervo, um als Model bei MGM arbeiten zu können, müssen Frauen mindestens 1,73 Meter groß sein und eine Konfektionsgröße von 34 bis 36 haben. Sind diese Normen nicht aus der Zeit gefallen?
Marco Sinervo: Nein, das finde ich überhaupt nicht. Dieser Trend der Diversität aus den vergangenen Jahren hat sich im High-Fashion-Bereich nicht durchgesetzt. Das Thema Plus Size war mega gehyped, aber seit zwei Jahren ist das komplett vorbei.
Woher kommt dieser Rückschritt?
Dieser Modeltyp ist das, was unsere Kunden haben wollen – Marken wie Dior und Chanel haben eben ganz klare Vorstellungen. Abgesehen davon finde ich nicht, dass das ein Rückschritt ist. Die ganze Debatte ist letztendlich verlogen.
Inwiefern?
Wir haben alle Schönheitsideale, denen wir nacheifern. Doch keiner traut sich, das anzusprechen. Von jetzt auf gleich festzulegen, was wir als die „neue Schönheit“ anzusehen haben, das kann nicht funktionieren.
Also befürworten Sie, dass die Models groß und schlank sein müssen, um erfolgreich zu sein?
Ja, ich finde das in Ordnung. Im High-Fashion-Business haben wir eben auch einen künstlerischen Anspruch, den man bei einer Konfektionsgröße 60 nicht wirklich umsetzen kann. Ich bin durchaus für Vielfalt und ich finde es toll, dass so viele Nationalitäten im Model-Business eine Rolle spielen. Aber ich finde, dass die Diversity-Debatte am Ziel vorbeigeschossen ist. Mode, und vor allem Modefotografie, muss nicht stellvertretend für alles sein. Sie kann auch als Inspiration dienen. Und mal ganz ehrlich: Ein Kleid an einem großen, schlanken Model sieht einfach besser aus.
Wenn man jetzt mal aus der Perspektive eines fülligen Konsumenten schaut, dann fühlt man sich überhaupt nicht repräsentiert. Dann denkt man: So, wie ich bin, ist es anscheinend nicht richtig.
Ja, aber das kann ja auch ein Ansporn sein – da spreche ich aus eigener Erfahrung. Ich fühle mich da nicht ausgeschlossen, sondern denke eher: Wenn ich noch ein paar Kilo abnehme, dann sieht der Anzug auch an mir endlich gut aus.
Model-Experte kritisiert „Germany’s Next Topmodel“: „Das ist Trash-TV“
Bei „Germany’s Next Topmodel“ ist es ja aber seit ein paar Jahren so, dass auch füllige Models dabei sind.
Ich nehme das Heidi Klum nicht ab. Noch vor kurzer Zeit hat sie die Mädchen fertiggemacht, wenn sie zu viel gegessen haben. Auf einmal kommt da der große Sinneswandel und sie springt auf die Diversity-Welle auf. Wir müssen uns klar machen: „Germany’s Next Topmodel“ hat nichts mit dem wahren Model-Business zu tun. Das ist Trash-TV.
Was stört Sie an der Show am meisten?
Da gehen Leute ins Fernsehen in der Hoffnung, Model zu werden. Und dann kommen die aus der Show und stellen fest, dass sie in der Branche überhaupt keine Chance haben, weil sie nicht in die Kategorien passen. Wir haben als Agentur auch eine Verantwortung den Models gegenüber – einige verzichten zum Beispiel auf das Studium, um bei uns arbeiten zu können. Wir dürfen den jungen Frauen keine falschen Versprechen machen.
Haben Sie mit GNTM-Models gesprochen?
Ja, das sind Mädchen, die sehr naiv an die ganze Sache herangegangen sind. Die sitzen dann hier an meinem Tisch, sind pleite und fragen sich: „Wie geht es mit mir jetzt weiter?“ Dann muss ich ihnen sagen, dass keiner meiner Kunden sie mit einer Größe von 1,50 Meter buchen wird – da sind die jungen Frauen natürlich total enttäuscht, weil ihnen von Heidi Klum und ProSieben etwas anderes versprochen wurde. Die zerbrechen daran.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburger Agenturchefin erklärt: So wird man heute Model
Wenn dann eine solche gebrochene Frau vor Ihnen sitzt: Tut sie Ihnen leid?
Nein. Nicht, weil ich ein böser Mensch bin, sondern weil ich es wichtig finde, ihnen ehrlich zu sagen, wie das Business läuft.
Ist Magersucht immer noch ein Thema?
Nein, das hat die Diversitäts-Debatte tatsächlich gebracht – die Marken sind bei dem Thema Magersucht sehr sensibel geworden, das ist total verpönt. Früher sind die jungen Frauen an ihre Belastungsgrenze gegangen, sind ernsthaft krank geworden. Heute reicht eine gesunde 36 völlig aus – die Models essen normal, gehen regelmäßig zum Sport und feiern weniger.
„Nach oben gibt es keine Grenzen“: So viel verdient man als Model
Wie viel Geld kann man als Model im High-Fashion-Bereich verdienen?
Durchschnittlich liegen wir so bei 20.000 bis 30.000 Euro im Monat. Gute Models verdienen 60.000 bis 100.000 Euro und nach oben gibt es keine Grenzen.
Seit einigen Monaten vertreibt MGM auch Kosmetik. Wie kam es dazu?
Die Entwicklung hat vor circa fünf Jahren angefangen – das war damals ein spontaner Einfall von mir. Ich bin da völlig naiv drangegangen und habe mit vielen Laboren gesprochen – unter anderem in Frankreich und England. Am Ende ist es dann aber ein Familienbetrieb aus Bayern geworden.
Das könnte Sie auch interessieren: Mit Kleidern und Handtasche: Wie Felix aus Elmshorn zum absoluten Top-Model wurde
Was ist das Besondere an der Kosmetik?
Wir kaufen ausschließlich in der höchsten Qualitätsstufe ein. Das macht das Produkt natürlich teuer: Hyaluron aus Fernost kostet circa 400 Euro pro Kilo, bei Hyaluron aus Deutschland liegen wir bei 3500 Euro. Außerdem haben wir viele sogenannte „Effektwirkstoffe“ verbaut – das sind Dinge wie Syn-Ake, ein Nachbau von dem Schlangengift von der Tempelotter. Das hat eine sofortige Wirkung gegen Falten.
Die größte Box kostet 550 Euro. Wer gibt so viel Geld für Kosmetik aus?
Das sind vor allem gut verdienende Frauen, die zwischen 30 und 50 Jahre alt sind, viel Wert auf ihr Äußeres legen und voll im Berufsleben stehen. Mittlerweile haben wir auch Kundinnen und Kunden aus dem Ausland – aus Skandinavien, Großbritannien, Spanien, Frankreich.