Metalltür, Sehschlitze und Stahlbeton: Wozu hat dieses Häuschen wohl mal gedient?
Wir lösen den Riegel, ziehen kräftig daran und mit einem Mal öffnet sich die Metalltür laut quietschend. Gleich darauf schlägt uns beißender Geruch entgegen. Feucht ist es dort drin und vor allem ganz schön eng. Menschen, die unter Platzangst leiden, sollten vielleicht besser nicht in dieses Betonhäuschen hineinklettern. Nein, um ein öffentliches Klo vergangener Tage handelt es sich nicht, auch wenn es darin so riecht. Es ist vielmehr eine sogenannte „SSZ“.
- Deutsch (Deutschland)
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Wir lösen den Riegel, ziehen kräftig daran und mit einem Mal öffnet sich die Metalltür laut quietschend. Gleich darauf schlägt uns beißender Geruch entgegen. Feucht ist es dort drin und vor allem ganz schön eng. Menschen, die unter Platzangst leiden, sollten vielleicht besser nicht in dieses Betonhäuschen hineinklettern. Nein, um ein öffentliches Klo vergangener Tage handelt es sich nicht, auch wenn es darin so riecht. Es ist vielmehr eine sogenannte „SSZ“.
So jedenfalls wurden die Dinger in der Nazi-Zeit genannt, als es davon Zehntausende in ganz Deutschland gab. „SSZ“ – diese Abkürzung steht für Splitterschutzzelle. Der Volksmund sagte auch Ein-Mann-Bunker oder Einzelschutzraum dazu. Im Harburger Hafen, an der Ecke Dampfschiffsweg/Zitadellenstraße steht noch einer herum. Vielleicht der einzige in der ganzen Stadt. Die meisten Passanten ahnen wahrscheinlich nicht einmal, worum es sich dabei handelt.
Im Zweiten Weltkrieg gab es Zehntausende solcher Ein-Mann-Bunker
Wozu solche Splitterschutzzellen dienten, sagt schon der Name: Sie wurden errichtet, damit während alliierter Bombenangriffe ein bis maximal zwei Personen darin Schutz suchen konnten vor Bombensplittern, Pistolen- oder MG-Feuer.
Während des Krieges wurden Zehntausende dieser Ein-Mann-Bunker produziert und überall dort aufgestellt, wo es sonst keine geeigneten Schutzräume gab: beispielsweise im Umfeld von Fabriken, Bahnanlagen oder Versorgungseinrichtungen der Wehrmacht. Allein 1943 platzierten die Behörden rund 2000 Stück entlang der wichtigsten Bahnstrecken.
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Nach Vorgaben des Luftschutzes stellte die mittelständische Betonindustrie die SSZ in verschiedenen Varianten her. Das Dach wurde als Kuppel-, Kegel- oder Flachdach gebaut. Der Korpus, der üblicherweise aus Stahlbeton bestand, war mit ein oder zwei verriegelbaren Einstiegsluken und mit drei bis sechs Sehschlitzen für eine 360-Grad-Rundumsicht ausgestattet.
Um zu verhindern, dass die Zelle durch eine Explosionsdruckwelle umgeworfen werden konnte, wurde sie auf einem Fundament errichtet. Die SSZ waren nicht dafür ausgelegt, einen Volltreffer zu überstehen. Aus historischen Berichten geht hervor, dass Insassen bei Treffern umkamen oder schwer verletzt wurden.
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Wissen Sie, wo in Hamburg um Umgebung weitere „SSZ“ zu finden sind?
Nach der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 wurden Splitterschutzzellen abtransportiert und vernichtet. Nur wenige sind erhalten geblieben, so wie die in Harburg. Wissen Sie, wo in Hamburg und Umgebung es womöglich noch mehr davon gibt? Schreiben sind uns: olaf.wunder@mopo.de