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  • Demo in Blankenese: Rund 1000 Menschen forderten Umverteilung
  • Foto: Marius Roeer

Nach Demo in Reichen-Viertel: Das Totschlag-Argument mit dem Neid

Es ist ja nicht so, dass die Linken nicht auch Boulevard könnten. Die Slogans im Vorfeld der Demo durch Blankenese waren martialisch gewählt – die medialen Reaktionen waren absehbar. Aber friedlich blieb es dann zum Glück – allen Ängsten und Unkenrufen zum Trotz. Und jetzt ist mal Zeit, über die Inhalte zu sprechen.

„Wer hat, der gibt.“ „Geld ist genug da, und jede und jeder weiß, wo es zu holen ist.“ So klang das, als für die Demo in Blankenese mobilisiert wurde. Und solche Slogans riefen die etwa 1000 Menschen „aus dem linken Spektrum“ dann auch, als sie am Samstag durch die Straßen Blankeneses zogen. Friedlich, wie die Polizei anschließend konstatierte – und im Vorfeld auch vermutet hatte. Auch in anderen deutschen Städten hatte das sogenannte Umverteilungsbündnis zu Demonstrationen aufgerufen.

„Ein aggressives Motto“ hatte FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein hingegen den Anmeldern attestiert. „Offene Aggressivität“ angeprangert. Von „Gewalt, Hass und Intoleranz“ geschrieben und mit dem absoluten Totschlagsatz für jede Debatte über soziale Gerechtigkeit geendet: „Eine Neidgesellschaft macht die Welt nicht besser!“

Böse Erinnerungen an G20 wurden wach

Puh. Verständlich, dass die brutalen G20-Bilder in Hamburgs gut betuchten Kreisen unvergessen sind und bei dieser Gemengelage wieder in Erinnerung kommen. Und auch dass der Verfassungsschutz einige der Beteiligten auf seiner Beobachtungsliste hat, wirkte nicht vertrauensbildend. Veranstalter Ansgar Ridder (32), Pflegeassistent für Menschen mit Behinderung, hatte jedenfalls im Vorfeld auf Nachfrage beteuert, er schließe aus, dass es bei der Demo zu Gewalt komme.

Wichtig ist aber bei allem Streit um Form und Ton, dass dies nicht untergeht: Immobilien, Aktien, sichere Jobs – statistisch ist vielfältig belegt, dass auch die Corona-Krise das seit Jahren galoppierende Reicher-Werden der Reichen nicht abgebremst hat. Im Gegenteil. Wer Geld hat, profitierte meist von der Börsen-Rallye. Wer kaum seine Miete zahlen kann, der zockt nicht mit Bitcoins und streicht über Nacht 30-prozentige Zuwächse ein oder greift noch mal schnell bei der Zweit- und Drittwohnung in guter Lage zu, mit der man garantiert nix falsch macht. Die unteren Lohngruppen stagnieren. Und die wichtigen Schritte nach „oben“ (Wohneigentum!) sind für sie in Hamburg inzwischen völlig illusorisch.

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Ist es nun „Neid“, das anzumerken? Wer sieht, wie verklemmt CDU, SPD und Grüne um das Thema Umverteilung (Vermögenssteuer! Erbschaftssteuer!) herumschleichen, weiß, dass wir sehr weit davon entfernt sind, bei diesen Fragen voranzukommen. Und wer sieht, wie reflexhaft das Abwehrbollwerk der Großkapital-Lobby in diesem Wahlkampf arbeitet, wenn es darum geht, jeden Vorstoß abzuwürgen, der etwas Grundsätzliches ändern will, damit wir vorankommen z. B. gegen die fortschreitende soziale Spaltung („Kostet Arbeitsplätze!“), der wird skeptisch sein.

Selbst das Offensichtliche gestehen viele nicht ein

Selbst das Anerkennen der offenkundigen Missstände kommt vielen Politikern grundsätzlich nicht über die Lippen. Während sogar Wolfgang Schäuble feststellt, dass etwas mit dem Kapitalismus inzwischen in eine falsche Richtung läuft, bietet die FDP Gutverdiener-Familien wie meiner zurzeit Tausende Euro Steuerersparnis im Jahr an, wenn sie an die Macht gewählt wird. Tausende Euro mehr Cash! Brauch ich nicht. Ich finde, große Herausforderungen sollte man gemeinsam stemmen. Aufstiegschancen brauchen alle. Nicht nur die, die eh schon oben sind. Starke Schultern sollten mehr stemmen als schwache.

Und wer das für Neid hält, der sollte nochmal über Solidarität nachdenken.

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