Rainer Wendts Thesen zur Cannabis-Legalisierung sind so dämlich, dass es weh tut
Cannabis wird in Deutschland legalisiert, der kontrollierte Verkauf ermöglicht. Endlich. Deutschland stellt sich damit in eine Reihe von Staaten, die verstanden haben, dass Prohibition den Umgang mit Drogen nur verschlimmert – für den Staat, für die Nutzer, für die Strafverfolgungsbehörden. Das kann man natürlich kritisch sehen. So wie zum Beispiel Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Nur: Seine Argumentation ist dabei so schlicht, dass es weh tut.
Kaum hatte die Ampel die Legalisierung beschlossen, rühmte sich Wendts DPolG, deren Mantra normalerweise das Anprangern der eigenen Arbeitsüberlastung ist, ihrer „Standhaftigkeit“ in der Sache: Sie will also eine nachweislich gescheiterte Repressionspolitik einfach fortführen.
Cannabis-Legalisierung: Rainer Wendts schräge Thesen
- Deutsch (Deutschland)
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Cannabis wird in Deutschland legalisiert, der kontrollierte Verkauf ermöglicht. Endlich. Deutschland stellt sich damit in eine Reihe von Staaten, die verstanden haben, dass Prohibition den Umgang mit Drogen nur verschlimmert – für den Staat, für die Nutzer, für die Strafverfolgungsbehörden. Das kann man natürlich kritisch sehen. So wie zum Beispiel Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Nur: Seine Argumentation ist dabei so schlicht, dass es weh tut.
Kaum hatte die Ampel die Legalisierung beschlossen, rühmte sich Wendts DPolG, deren Mantra normalerweise das Anprangern der eigenen Arbeitsüberlastung ist, ihrer „Standhaftigkeit“ in der Sache: Sie will also eine nachweislich gescheiterte Repressionspolitik einfach fortführen.
Cannabis-Legalisierung: Rainer Wendts schräge Thesen
Und Wendt hat auch eine steile These, warum das Projekt Legalisierung scheitern wird: „Wenn das Gramm Cannabis bislang etwa zehn Euro kostete, muss künftig die Gewinnspanne für die Apotheke obendrauf gerechnet werden. Dazu kommt dann noch die Steuer, denn der Staat will ja beim Drogenhandel mitverdienen. Dann sind wir schnell bei 15 Euro oder noch mehr. Den Drogenkauf in der Apotheke können sich dann nur gut bezahlte Jugendrichter oder Ampelpolitiker leisten. Der Rest geht weiter zum Dealer um die Ecke.“
So viel Unsinn in wenigen Sätzen – und das vom immerhin mächtigsten Polizeivertreter im Lande.
- Selbst, wenn es so käme: Wir hätte nichts verloren, sondern wären genau da, wo wir jetzt sind – Konsumenten gehen zum Dealer um die Ecke. In Hamburg gibt es ja mehrere Orte, die quasi offizielle Drogenverkaufsstellen sind und an denen Erwachsene genauso wie Kinder auch gleich Koks, Crack usw. bekommen. Tatsächlich aber haben es mehrere Staaten geschafft, mit kontrolliertem Verkauf Dealer zu verdrängen, den Konsum sicher zu machen und, Überraschung, die Polizei zu entlasten.
- Die Gewinnspanne: Ja, Apotheker (oder andere lizensierte Verkäufer) wollen Gewinn machen. Genauso wie Dealer, Blumenhändler und Zeitungsverleger. Warum das Gras laut Wendt für Konsumenten teurer würde, wenn man es nicht mehr heimlich anbauen, heimlich vertreiben und heimlich verkaufen muss, was alles ineffizient und kostspielig ist, bleibt sein Geheimnis. Und übrigens: Falls Rainer Wendt im Supermarkt eine Flasche Doppelkorn kaufen sollte, zum Beispiel, um den Frust über eine Legalisierung wegzutrinken, dann hat auch der Ladenbesitzer einen Gewinn gemacht. Das nennt man Marktwirtschaft, eigentlich ganz beliebt.
- Die Steuern: Dafür gibt es ein gutes Vorbild. Ob Bier, Sekt oder Schnaps – wer in Deutschland Alkohol trinkt, verschafft dem Staat Einnahmen. Kaufen wir deswegen Gin beim Schwarzbrenner nebenan? Weil der dort zwei Euro billiger wäre? Nein, machen wir nicht. Aus drei Gründen: A) Supermärkte mit geregelten Öffnungszeiten und kontrollierter Qualität sind praktisch. B) Wir trinken auch nicht alle nur den billigsten Fusel, um ein bisschen Geld zu sparen, sondern erfreuen uns an Craft-Bier, gutem Wein und teurem Whiskey. Und C) Die meisten Deutschen, auch wenn Wendt das vielleicht nicht glaubt, wollen einfach nur gesetzestreue Bürger sein. Warum also irgendeinen gepanschten Kram auf dem Schwarzmarkt kaufen? Kiffer denken da auch nicht anders: Lieber ein paar Euro mehr zahlen und wissen, was man bekommt – und das sogar legal – als zum dubiosen Dealer rennen.
Ob die Legalisierung ein Erfolg wird, hängt vielmehr an praktischen Gesichtspunkten: Wird der Markt so geschickt reguliert, dass es auch genügend Geschäfte geben kann, damit für illegale Dealer kein relevanter Markt bleibt? Wird der Anbau so reguliert, dass genug Gras zu akzeptablen Preisen produziert wird?
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Die Niederlande taugen da als Negativbeispiel: Dort wurde der Verkauf legalisiert, aber nicht der Anbau und Großhandel. Das ist ungefähr so sinnvoll, als wenn unser Feierabendbier heimlich von Al Capones Nachfolgern in dunklen Kellern gebraut und dann zum Kiosk nebenan gebracht würde.
Cannabis-Legalisierung: von Kanada lernen
Kanada, eines der ersten Länder, die Cannabis legalisiert haben, hat recht viele Erfahrungen gemacht. Am Anfang stimmten die Bedingungen für Züchter und Verkäufer nicht: Es gab zu wenige Läden, zu wenige Sorten, die Leute liefen weiter zum Dealer. Erst nach einigen Jahren verdrängt jetzt der legale den Schwarzmarkt. Der Konsum hat sich derweil nicht erhöht, zeigen Studien, vor allem nicht unter Minderjährigen. Der einzige Unterschied ist: Der Staat verdient jetzt Geld und muss keine harmlosen Cannabis-Konsumenten mehr drangsalieren, während er weiter gegen illegale Dealer vorgehen kann, die z.B. an Jugendliche verkaufen.
Eigentlich eine Win-Win-Situation für alle. Nur die Wendts dieser Welt hätten weniger Macht: Sie dürften nicht mehr einfach so Menschen drangsalieren, die anderes ticken als sie selbst.