Putins Krieg zerreißt die Hamburger Linke
Relativiert es die Schuld Russlands, wenn man auf die Nato-Sünden der Vergangenheit hinweist? Über diese Frage streitet die Linke – auch in Hamburg. MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über den Zoff auf dem Parteitag der Linken, deren Delegierte vergeblich nach einer gemeinsamen Haltung im Ukraine-Krieg suchten.
Vergangenen Mittwoch in der Bürgerschaft, da fielen die Abgeordneten der Linken in der Debatte über den Ukraine-Krieg kaum weiter auf. Sie sprachen vom „entsetzlichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“ oder dem „russischen Aggressionskrieg“. Die Formulierungen glichen dem Vokabular, welches auch die anderen Fraktionen benutzen, um den Einmarsch von Putin zu charakterisieren. Doch zuvor hatte es bei der Linken beim Thema Frieden gewaltig gekracht – vor allem auf ihrem Parteitag am vorigen Wochenende.
Relativiert es die Schuld Russlands, wenn man auf die Nato-Sünden der Vergangenheit hinweist? Über diese Frage streitet die Linke – auch in Hamburg. MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über den Zoff auf dem Parteitag der Linken, deren Delegierte vergeblich nach einer gemeinsamen Haltung im Ukraine-Krieg suchten.
Vergangenen Mittwoch in der Bürgerschaft, da fielen die Abgeordneten der Linken in der Debatte über den Ukraine-Krieg kaum weiter auf. Sie sprachen vom „entsetzlichen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“ oder dem „russischen Aggressionskrieg“. Die Formulierungen glichen dem Vokabular, welches auch die anderen Fraktionen benutzen, um den Einmarsch von Putin zu charakterisieren. Doch zuvor hatte es bei der Linken beim Thema Frieden gewaltig gekracht – vor allem auf ihrem Parteitag am vorigen Wochenende.
Deniz Çelik war dort sehr deutlich geworden: „Weder die Nato-Osterweiterung noch die Stationierung von Nato-Mittelstreckenraketen an der russischen Grenze rechtfertigen diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“, stellte der innenpolitische Sprecher der Linken-Bürgerschaftsfraktion klar und ergänzte: “Wer das in unseren Reihen relativiert und verharmlost, dem müssen wir entschieden widersprechen.“
Çelik selbst widersprach damit Parteifreunden wie dem Bezirksabgeordneten Jürgen Olschok, der auf dem Parteitag betonte, die Nato habe sich mit ihrem aggressiven Verhalten „Putin zum Feind gemacht“ und dürfe sich „nun nicht beschweren, wenn er so reagiere“. Eine Formulierung, die so manche:r Delegierte:r als „zynisch und menschenverachtend“ empfand.

Linke will die Aufrüstung der Bundeswehr stoppen
Die Linke streitet über den Krieg und findet dabei keinen innerparteilichen Frieden. Einig waren sich die gut 100 Parteitags-Delegierten nur in zwei Punkten: Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine müsse sofort beendet und die angekündigte massive Aufrüstung der Bundeswehr unbedingt gestoppt werden. Damit aber war der Vorrat an Gemeinsamkeiten im Bürgerhaus Wilhelmsburg aufgebraucht. Der Rest: innerparteiliche Grabenkämpfe, mit dem der Partei innewohnenden Hang zur Selbstbespiegelung am Rande der Selbstzerfleischung. Schon am Donnerstag zuvor, so verriet der Altonaer Bezirksabgeordnete Wolfgang Ziegert dem Auditorium, hatte es in der Bürgerschaftsfraktion in der Friedensfrage gewaltig geknallt.
Ukraine-Krieg: Hamburger Linke zerfällt in zwei Lager
Auf dem Parteitag zeigten sich – verkürzt gesprochen – zwei Lager in der Partei: Das eine, um die Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Christiane Schneider und Bezirksabgeordneten Rainer Behrens, betonte, die Linke habe sich „massiv in Putin geirrt“, müsse „das ehrlich eingestehen“, ihre „bisherigen Positionen überdenken“ und sich „dem Thema Selbstverteidigungsrecht der Ukrainer stellen“. Beide Redner:innen schlossen Waffenlieferungen in die Ukraine deshalb auch nicht explizit aus. „Wir haben Putin lange den Glorienschein aufgesetzt“, übte eine Parteitagsdelegierte freimütig Selbstkritik.
Das andere Lager verurteilte in knappen Worten den Ukraine-Einmarsch, stellte ihn dann aber in umso ausführlicheren Analysen in die Reihe der „völkerrechtswidrigen Kriege der Nato im Kosovo, im Irak oder in Libyen“, um zudem zu betonen, dass die aggressive Osterweiterung der Nato die Sicherheitsinteressen Russlands verletzt habe. Waffenlieferungen in Kriegsgebiete kämen nicht infrage, statt die Aufrüstung zu forcieren, müsse man „die Gelegenheit nutzen“, so ein Mitglied der innerparteilich starken Parteiströmung „Liste Links“, „über die Abschaffung von Bundeswehr und Nato nachzudenken“.

Linken-Parteitag: Kein „Signal der Geschlossenheit“
Wie gespalten die Linke in der Kriegsfrage ist, zeigte sich am Ende der Debatte daran, dass fast alle Anträge zum Thema entweder mit hauchdünner Mehrheit angenommen oder abgelehnt wurden. Eine als Minimalkonsens und „Signal der Geschlossenheit“ angekündigte Resolution, in der der „bedingungslose Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine“ gefordert und klargestellt wurde, dass „keine politische Entwicklung der letzten Jahre diesen menschenverachtenden Angriffskrieg rechtfertigen“ könne, wurde mit 46 zu 44 Stimmen abgelehnt. Ein Delegierter hatte zuvor kritisiert, die Formulierungen seien in „ihrer Verkürzung“ auf Russland und die Ukraine politisch „zu einseitig“.
Ebenfalls abgeschmettert, dieses Mal mit 45 zu 44 Stimmen, wurde ein Papier, verfasst von einem Kreis um den Bürgerschaftsabgeordneten David Stoop. Der Text stellte nach Auffassung seiner Gegner:innen nicht klar genug heraus, dass Waffenlieferungen an die Ukraine und auch Sanktionen gegen Russland, die nicht nur die Elite träfen, für die Linke nicht infrage kämen.
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Mit großer Mehrheit verabschiedet wurde hingegen ein Antrag, der alte Parteitagsbeschlüsse recycelt und auch deshalb ein ganz klein wenig aus der Zeit gefallen sein dürfte. In ihm heißt es, die Linke trete „offensiv den Kriegsvorbereitungen von USA und Nato gegen China und Russland entgegen“.