Michael Osterburg: Der tiefe Fall eines grünen Autokraten
Die Szene ist sinnbildlich: Die Kapuze seines Anoraks tief ins Gesicht geschoben, Mund und Kinn mit Corona-Maske bedeckt, den Rest des Gesichts hinter einer blauen Aktenmappe verborgen, so irrte Michael Osterburg am Donnerstag minutenlang durch die Flure des Strafjustizgebäudes – auf der Suche nach dem Verhandlungssaal, in dem ihm der Prozess gemacht werden soll. Auf dem Weg zur Wahrheit, die das Gericht herausfinden soll, ist der ehemalige Grünen-Politiker nicht mit offenem Visier unterwegs; wie ein Schwerverbrecher versteckt er sich vor den Kameras der Medien, deren Aufmerksamkeit er früher so genoss.
Die Szene ist sinnbildlich: Die Kapuze seines Anoraks tief ins Gesicht geschoben, Mund und Kinn mit Corona-Maske bedeckt, den Rest des Gesichts hinter einer blauen Aktenmappe verborgen, so irrte Michael Osterburg am Donnerstag minutenlang durch die Flure des Strafjustizgebäudes – auf der Suche nach dem Verhandlungssaal, in dem ihm der Prozess gemacht werden soll. Auf dem Weg zur Wahrheit, die das Gericht herausfinden soll, ist der ehemalige Grünen-Politiker nicht mit offenem Visier unterwegs; wie ein Schwerverbrecher versteckt er sich vor den Kameras der Medien, deren Aufmerksamkeit er früher so genoss.
Lange war Osterburg die Galionsfigur der Grünen in Mitte. Von 2004 bis 2019 amtierte er als Chef der Bezirksfraktion, war hier Kopf und Aushängeschild seiner Partei. Den erbitterten Kampf um ein Bürgerschaftsmandat verlor er zwar gegen das andere Alpha-Männchen der Grünen in Mitte, Farid Müller, doch dafür errichtete er im Bezirk etwas, das viele damalige Weggefährten heute „das System Osterburg“ nennen.
Nun steht er vor den Scherben seiner Polit-Karriere, weil er private Ausgaben aus der Grünen-Fraktionskasse beglich. Ist der „gewerbsmäßigen Untreue“ in 121 Fällen angeklagt, oft in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung. In seinem Teilgeständnis räumt Osterburg ein, dass er Bewirtungsbelege in Höhe von mehr als 6000 Euro und auch Quittungen in Höhe von rund 9000 Euro für die Betreuung seiner Tochter manipuliert hat, deren Mutter Anna Gallina ist, die heutige Justizsenatorin. Auch habe er sich eine Privatreise nach Malta von der Fraktion bezahlen lassen. Laut einer ersten Einschätzung des Gerichts muss der 55-Jährige nach Aktenlage zumindest mit einer Bewährungsstrafe rechnen.

Wie das alles passieren konnte, lässt eine der ersten Zeugenaussagen erahnen. Sie zeichnet das Bild eines despotischen, selbstherrlichen Autokraten im grünen Gewande. So berichtet die ehemalige Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen in Hamburg-Mitte, Nina Fabricius, man habe nie gewusst, wann der „aufbrausende“ Osterburg „aus der Haut fahre und ausfallend wurde“. Sein „dominantes Wesen“ und die damit einhergehenden „einschüchternden Strukturen“ hätten es ihr „nicht erlaubt“, Osterburgs Anweisungen „zu hinterfragen und zu widersprechen“. So habe sie die vielen Spesenquittungen, die ihr „schräg vorkamen, einfach nur hingenommen“.
Am Ende kontrollierte Osterburg nur noch sich selbst, und kein Grüner nahm Anstoß daran. Nicht die zunehmend entmachtete Geschäftsführerin, sondern das von ihm selbst beauftragte Hamburger Wirtschaftsprüfungsbüro A2C überprüfte schließlich das Finanzgebaren der Fraktion und beanstandete keinen der manipulierten Belege. 2018 richtete Osterburg zudem neben dem offiziellen Fraktionskonto noch ein inoffizielles Neben-Konto ein, für das nur er eine Vollmacht besaß.
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So verwandelte der Grünen-Chef die Fraktionskasse in einen Selbstbedienungsladen. 67.000 Euro Schaden, so haben die Grünen in Mitte errechnet, seien ihnen so entstanden. Angeklagt vor der Strafkammer des Landgerichts sind noch Untreuevergehen in Höhe von immerhin 33.000 Euro. Bevor die neue Fraktionsführung der Grünen die mutmaßlichen Betrügereien 2020 zur Anzeige brachte, versuchte sie, sich die veruntreuten Gelder von Osterburg zurückzuholen. Doch der versemmelte leichtfertig seine letzte Chance, einer Strafverfolgung zu entgehen, bot als Schadensausgleich nur läppische 20.000 bis 30.000 Euro an. Der Deal platzte.
Osterburgs Absturz: Vom mächtigen Bezirkspolitiker zum Angeklagten
Osterburgs Absturz vom mächtigen Bezirkspolitiker zum Angeklagten, er zieht auch dessen Ex-Lebensgefährtin Anna Gallina mit in den Sumpf, auch wenn seine Verteidigungsstrategie darauf abzielt, sie aus der Schusslinie zu halten. Osterburg räumt ein, dass die Personen, die er auf den eingereichten Bewirtungsbelegen angab, allesamt frei erfunden sind. Doch er äußert sich nicht dazu, ob viele der aus der Fraktionskasse erstatteten Restaurantbesuche in Wirklichkeit mit Gallina stattfanden, wie Aussagen des Wirtes seines Lieblingsitalieners nahelegen.
Als Privatperson braucht sich Gallina, die Zeugin, jedoch nicht Beschuldigte im Verfahren ist, zu alledem nicht äußern. Als Justizsenatorin aber muss sie proaktiv dazu Stellung beziehen, dass sie, wie die Ermittlungsakten nahelegen, von Osterburgs Betrügereien – möglicherweise unwissend – materiell profitiert habe und wie sie damit umzugehen gedenkt. Bislang hat die Senatorin geschwiegen. Doch nur wenn sie den Verdacht ausräumen kann, Mit-Nutznießerin der von ihrem Ex-Partner eingeräumten Straftaten gewesen zu sein, bleibt sie als Justizsenatorin tragbar.