„Totalausfall“? So schlägt sich Senatorin Anna Gallina
Mit nur zwei neuen Senator:innen, den Grünen Anna Gallina und Anjes Tjarks, startete die rot-grüne Landesregierung vor gut zwei Jahren in die laufende Legislaturperiode. Die Hälfte der Amtszeit ist fast erreicht – und unser MOPO-Kolumnist Marco Carini zieht eine erste Bilanz. Teil 1: Anna Gallina
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Mit nur zwei neuen Senator:innen, den Grünen Anna Gallina und Anjes Tjarks, startete die rot-grüne Landesregierung vor gut zwei Jahren in die laufende Legislaturperiode. Die Hälfte der Amtszeit ist fast erreicht – und unser MOPO-Kolumnist Marco Carini zieht eine erste Bilanz. Teil 1: Anna Gallina
Dass die Opposition ein Regierungsmitglied aufs Korn nimmt, ist normal. Doch wenn sie die Justizsenatorin Anna Gallina ins Visier hat, dann fällt die Kritik für hanseatische Verhältnisse vernichtend aus. „Anna Gallina hat keine justizpolitisch relevante Initiative vorzuweisen“, schimpft etwa die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels. Der CDU-Justizexperte Richard Seelmaeker schlägt in dieselbe Kerbe, wird aber noch deutlicher: „Frau Gallina ist ein Totalausfall und richtet Schaden an. Es gibt keinen inhaltlichen Punkt, den sie gesetzt hätte, null, zero, nada.“
Kritik an Anna Gallina auch vom Koalitionspartner SPD
Erstaunlicher aber ist, dass auch beim Koalitionspartner SPD hinter vorgehaltener Hand kein gutes Wort über Gallina fällt: „Einige wachsen mit ihren Aufgaben, Anna Gallina nicht. Sie ist der eindeutige Schwachpunkt des Senats“, verlautet es auf Nachfrage aus der SPD. Einige Sozis, die sie besser kennen, beschreiben die Nichtjuristin als „in weiten Teilen kenntnisfrei“ aber auch als „arrogant und wenig nahbar.“ Sie habe „ihre Behörde nicht im Griff, weil sie keine persönliche und fachliche Autorität ausstrahlt“, glaubt eine SPD-Funktionärin und ergänzt: „Man merkt bei ihr oft, dass sie nur wiederholt, was ihr der Amtsleiter gerade aufgeschrieben hat.“
Gallinas Inthronisierung als Justizsenatorin war von vornherein umstritten, auch innerhalb der Grünen, die diesen Konflikt aber nie offen austrugen. Als Landeschefin der Grünen hatte sie 2019 Islamismusvorwürfe gegen zwei Mitglieder der Grünen-Fraktion Mitte an die Medien gespielt, die sich so aber als nicht haltbar erwiesen. Die Beschuldigten wurden beschädigt, die grüne Fraktion zerbrach, die Grünen flogen – obwohl stärkste Kraft im Bezirk – aus der Bezirksregierung. Und viele Grüne gaben Gallina ein gerüttelt Maß an Mitschuld an dem Desaster.
Verfahren gegen Ex-Partner der Justizsenatorin läuft
Noch problematischer aber ist das laufende Betrugsverfahren gegen Gallinas früheren Lebensgefährten und Kindsvater, Michael Osterburg. Der Ex-Fraktionschef der Grünen in Mitte soll laut Staatsanwaltschaft Fraktionsgelder seiner Partei in Höhe von fast 70.000 Euro veruntreut haben. Er soll private Restaurantbesuche und Urlaube aus Steuermitteln bestritten haben, an denen auch Gallina teilnahm. Vor dem Vorwurf, sie habe von den mutmaßlichen Betrügereien ihres Ex-Freundes profitiert, duckte Gallina sich weg. Ihr Schweigen – juristisch betrachtet ihr gutes Recht, politisch aber fragwürdig – führt dazu, dass viele politische Beobachter:innen sie als Justizsenatorin für untragbar halten – zumindest solange die ihr unterstellte Staatsanwaltschaft gegen Osterburg ermittelt.
Als Gallina Ende 2021 auch noch die Entlassung ihrer fachlich äußerst kompetenten Justiz-Staatssekretärin Katja Günther durchsetzte, die ebenfalls ein grünes Parteibuch besitzt und lange als Konkurrentin von Gallina für den Posten der Justizsenatorin gehandelt wurde, brachte sie viele rot-grüne Mitstreiter:innen gegen sich auf. Ein Sozialdemokrat spricht hier von „Gallinas Stutenbissigkeit“ und ergänzt: „Die Trennung aufgrund persönlicher Animositäten war ein Fehler, gerade weil es kaum inhaltliche Differenzen zwischen beiden Frauen gab.“
Gallinas Parteifreund:innen und ihr Umfeld in der Behörde hingegen mahnen, man solle die Politikerin doch bitte an ihrer Leistung als Senatorin messen. So betont die Justizbehörde, ihre Chefin habe seit Amtsantritt „mehr als 50 politische Initiativen auf Bundes- und Landesebene gestartet“ und koordiniere „im Bundesrat und in der Justizminister:innen-Konferenz das justizpolitische Auftreten der A-Länder“, was die SPD-geführten Bundesländer sind.
Lob von den Grünen für ihre Senatorin
Auch die justizpolitische Sprecherin der Grünen, Lena Zagst, ist voll des Lobes. Sie rühmt die „zuverlässige rechtliche Begleitung der Corona-Eindämmungsverordnungen“, durch Gallinas Behörde und die Ausstattung der Justiz mit moderner Videotechnik während der Pandemie. Zagst lobt zudem Gallinas Engagement gegen Hasskriminalität im Netz und für ein Parité-Gesetz, dass Parteien verpflichtet, auf ihren Wahllisten abwechselnd Frauen und Männer aufzustellen.
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Doch gerade Gallinas Aktivitäten gegen Hasskriminalität und für Parität bewerten viele Sozial- und Christdemokraten eher als grüne Profilierungsthemen, denn als Kernaufgaben einer Justizsenatorin. Für die Opposition ist die Liste der Versäumnisse Gallinas lang. „Seit zwei Jahren schafft sie es nicht, die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Staatsanwaltschaft zu beheben und die Tarifsteigerungen ihrer Mitarbeiter in den Haushalt aufzunehmen. Deswegen können Stellen in der Justiz nicht nachbesetzt werden.“, spult CDU-Seelmaeker sein Anti-Gallina-Programm ab.
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Bei der Finanzierung des Justiz-Personals aber soll, so verriet Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) vergangene Woche, 2023 und 2024 nun kräftig nachgebessert werden. Ein klarer Punkt für die Justizbehörde und ihre umstrittene Frontfrau.