Kollektive Kapitulation vor Kühne: Wie Hamburg Milliarden Steuern entgehen
Es war eine kurze Debatte zu später Stunde: Die Linke hatte die Tonnagesteuer, die dafür sorgt, dass Großreedereien wie Hapag-Lloyd und ihr Haupteigner Klaus-Michael Kühne kaum Steuern zahlen müssen, auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gesetzt. Obwohl zumindest SPD und Grüne diese schreiende Ungerechtigkeit kritisierten, suchten alle Parteien außer der Linken Gründe, die Hände in den Schoß zu legen. MOPO-Kolumnist Marco Carini findet: Eine beschämende Kapitulation der Hamburger Politik vor Kühne und dem Kapital.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Es war eine kurze Debatte zu später Stunde: Die Linke hatte die Tonnagesteuer, die dafür sorgt, dass Großreedereien wie Hapag-Lloyd und ihr Haupteigner Klaus-Michael Kühne kaum Steuern zahlen müssen, auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gesetzt. Obwohl zumindest SPD und Grüne diese schreiende Ungerechtigkeit kritisierten, suchten alle Parteien außer der Linken Gründe, die Hände in den Schoß zu legen. MOPO-Kolumnist Marco Carini findet: Eine beschämende Kapitulation der Hamburger Politik vor Kühne und dem Kapital.
Darum geht es: Mit der Tonnagesteuer, die eingeführt wurde, um deutsche Reedereien wettbewerbsfähig zu machen, zahlen diese eine Miniabgabe auf ihre Tonnage, während ihr Gewinn unversteuert bleibt. Dadurch entgehen Hamburg nach Berechnungen der Linken derzeit Steuereinnahmen von zwei Milliarden Euro jährlich. So hat etwa Hapag-Lloyd 2021 bei einem Gewinn von 9,4 Milliarden Euro insgesamt nur 61,3 Millionen Euro Steuern bezahlt – gerade mal 0,65 Prozent. Haupteigner Kühne bekam 2021 den unvorstellbaren Betrag von 1,9 Milliarden Euro ausgeschüttet.
Linke rechnet vor: Hamburg entgehen Milliarden an Steuern
Da Hamburg die Tonnagesteuer nicht im Alleingang abschaffen kann, forderte die Linke eine entsprechende Bundesratsinitiative und einen Vorstoß auch auf EU-Ebene, da es eine Tonnagesteuer in vielen europäischen Ländern gibt.
„Darüber müssen wir diskutieren“, forderte Linken-Wirtschaftsexperte Norbert Hackbusch die Bürgerschaft auf. Doch SPD, Grüne, CDU, AfD und FDP lehnten den Antrag ab und würgten jede weitere Diskussion ab.
Das könnte Sie auch interessieren: Weitere Gespräche geplant: HSV und Kühne schließen Frieden
Die erschreckende Botschaft aller Parteien: Wir sind machtlos und erpressbar. SPD-Wirtschaftsexperte Markus Schreiber (SPD) befürchtet: Wenn wir in Deutschland Reedereien stärker besteuern, würden sie „ihre Firmensitze ins Ausland“ verlegen und Deutschland würde nicht mal mehr die Tonnagesteuer erhalten. Da auch Staaten außerhalb Europas auf richtige Steuern verzichten würden, sei „das Problem nicht mal auf europäischer Ebene zu lösen“, deshalb müsse man den Antrag nicht weiter diskutieren.
Kleine Steuer für Reedereien: Nicht anders möglich?
Ungerührt räumt Schreiber ein, dass die Mini-Steuer für Reedereien „ganz klar eine Subvention“ für eine derzeit florierende Branche sei, die Hamburg nach seinen Berechnungen jährliche Mindereinnahmen in dreifacher Millionenhöhe beschere. Eine Idee, wie das zu ändern sei, hat Schreiber nicht im Repertoire.
Ähnlich argumentieren die Grünen. Ihre wirtschaftspolitische Sprecherin Miriam Pütz bagatellisiert die weitgehende Steuerfreiheit für Großreedereien als „Schieflage, die wir aus Hamburg heraus nicht lösen können“. Da brauche es „einen größeren Aufschlag, etwa eine „Allianz der Nordländer“, die gemeinsam einen Impuls „nach Brüssel“, also auf EU-Ebene aussenden könnten. Doch selbst dann stände Europa ja eben noch „in Konkurrenz mit den asiatischen Reedereien“. Und weil Pütz weder weiß, wie der große Aufschlag genau aussehen könnte, noch die kleinen Schritte der Linken mitgehen möchte, weigert ihre Fraktion sich genau wie die SPD, den Antrag in dem zuständigen Ausschuss weiter zu besprechen.
Aus Angst vor Auslandsflucht: Mini-Steuer für Reedereien
Die CDU hat sich da ein wenig mehr Mühe gemacht und auf den Antrag der Linken mit einem eigenen reagiert, dem sie den donnernden Titel „Tonnagesteuer neu denken“ gegeben hat. Sprecher Götz Wiese sieht in der Mini-Besteuerung zwar „eine Diskrepanz, die wir beobachten müssen“, da laut Subventionsbericht „insgesamt fünf Milliarden Euro“ Steuern dem Staat entgangen seien, doch so richtig ändern möchte die CDU das nicht. Denn nur mit der weitgehenden Steuerfreiheit könne Deutschland „Reedereien die bestmöglichen Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb bieten“, worauf „die maritime Wirtschaft in Deutschland angewiesen“ sei.
Das könnte Sie auch interessieren: Wie Hamburg Milliarden entgehen – und Reeder satte Gewinne einfahren
Dass auch die AfD glaubt, die Mini-Steuer „nützt unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit Hamburg“, verwundert da kaum. Dass weder SPD und Grüne noch CDU und FDP irgendeine konkrete Idee beisteuerten, superreiche Reeder wie Kühne zur Kasse zu bitten, aus Angst sie könnten dann die Flucht antreten, ist eine Bankrotterklärung, die Menschen, die ganz normal Steuern zahlen, kaum zu erklären ist.
Privatvermögen von Kühne hat sich inzwischen verdoppelt
Das Privatvermögen vom Kühne soll sich allein während der Corona-Krisenjahre auf nunmehr fast obszöne 37 Milliarden Euro verdoppelt haben. Zumindest „die Empörung darüber sollte uns einen“, appellierte Hackbusch an die anderen Parteien.
Die aber waren froh, als die Bürgerschaftskurzdebatte nach gerade mal zehn Minuten vorbei und der Linken-Antrag versenkt worden war.