Kein Welpenschutz: Neue Senatorin muss sofort Lösungen liefern
Es gibt in der Politik einen „Welpenschutz“: 100 Tage Schonzeit bekommen neue Senatoren normalerweise, bevor sie von der Opposition und den Medien hart angefasst werden. Bei Karen Pein ist das anders: Weil die Mieten 2022 explodiert sind und gleichzeitig der Wohnungsbau einbrach, ist die neue Stadtentwicklungssenatorin schon jetzt gefordert. Nach nur einem Monat im Amt muss sie für viele Probleme Lösungen finden – und das sehr schnell.
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Es gibt in der Politik einen „Welpenschutz“: 100 Tage Schonzeit bekommen neue Senatoren normalerweise, bevor sie von der Opposition und den Medien hart angefasst werden. Bei Karen Pein ist das anders: Weil die Mieten 2022 explodiert sind und gleichzeitig der Wohnungsbau einbrach, ist die neue Stadtentwicklungssenatorin schon jetzt gefordert. Nach nur einem Monat im Amt muss sie für viele Probleme Lösungen finden – und das sehr schnell.
Die Angebotsmieten in Hamburg sind nach einer druckfrischen Immowelt-Studie im Durchschnitt um sieben Prozent von 11,70 auf 12,50 Euro geklettert. Auch wenn das sogar leicht unter der Rekordinflation von 7,9 Prozent liegt, so ist das doch die höchste Mietsteigerung seit Jahren. Darüber hinaus sind die Mieter:innen auch bei den Nebenkosten kräftig belastet. Wohnen in Hamburg wird so selbst für Durchschnittsverdiener:innen unbezahlbar.
Mietsteigerungen versuchte der Senat bislang mit verstärktem Neubau zu kontern, weil bei größerem Angebot die Nachfrage und damit auch die Miete sinkt. Zwischen 2016 und 2019 erteilten die Bezirksämter im Schnitt 12.500 Baugenehmigungen pro Jahr, 2022 immerhin noch 10.037. Doch die Genehmigungen vergilben in den Schubladen der Bauherren. Schon 2021 wurden nicht – wie noch im Jahr davor – mehr als 11.000, sondern nur 7461 Wohnungen fertiggestellt. 2022 waren es – exakte Zahlen liegen nicht vor – noch weniger. „In Baugenehmigungen kann niemand wohnen“, bringt es Heike Sudmann von der Linkspartei auf den Punkt.
Steigende Baupreise, Fachkräftemangel und ausgelaufene Bundesmittel für energieeffizientes Bauen lähmen den Neubau. Am schlimmsten sieht es bei geförderten Wohnungen mit günstigen Mieten aus. 3000 neue Sozialwohnungen pro Jahr lautet das Ziel des Senats. Doch im ersten Halbjahr 2022 – neuere Zahlen gibt es nicht – wurden gerade mal 19 genehmigt. Eine Bankrotterklärung.
Peins Vorgängerin Dorothee Stapelfeldt (SPD) versuchte diesen Abwärtstrend verzweifelt zu stoppen – wirkte dabei aber oft resigniert. Immerhin können Stapelfeldt und Pein darauf verweisen, dass Hamburg viel getan hat, um Münchner Mieten – die im Schnitt bei 18 Euro liegen – zu vermeiden. Die vielen sozialen Erhaltungssatzungen, die vor Umwandlung in Eigentum und Luxusmodernisierung schützen, und eben die zahlreichen Baugenehmigungen – hier ist Hamburg Spitze – gehören zu den effektivsten Maßnahmen. Doch was hilft eine Lizenz zum Bauen, die nicht umgesetzt wird?
Pein klingt angesichts der Aufgaben pessimistisch
Auch Pein klingt pessimistisch, räumt ein, dass „wir in den kommenden Jahren von sinkenden Neubauzahlen ausgehen müssen“. Das aber heißt: Die gebürtige Hamburgerin muss auf andere Maßnahmen als nur Baugenehmigungen setzen, um den Markt zu stabilisieren. „Senatorin Pein muss ihren Ehrgeiz nicht auf die Genehmigung von Wohnungen richten, sondern auf deren Fertigstellung“, klagt die Vize-FDP-Landeschefin Katarina Blume und empfiehlt „eine schnellere Ausweisung von Bauland, keine Erhöhung der Grunderwerbsteuer sowie eine Entrümpelung der Bauvorschriften“.
Doch auch diese Maßnahmen werden die Krise nicht in Luft auflösen. Gefragt sind effizientere Fördermaßnahmen, Konzepte zur Umwidmung von Bürobauten in Wohnraum oder auch Tauschbörsen, in denen Mieter:innen, etwa nach dem Auszug der Kinder, eine kleinere Wohnung finden können, die weniger und nicht noch mehr Miete kostet.
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Pein war seit 2015 Geschäftsführerin der städtischen IBA GmbH, die im Auftrag Hamburgs Bauprojekte wie den neuen Stadtteil Oberbillwerder entwickelt. Wer Personen, die bislang mit ihr gearbeitet haben, über Pein befragt, bekommt recht unterschiedliche Antworten. Sie habe ihren alten Job „hervorragend ausgefüllt“ sagen die einen, „oftmals überfordert gewesen“ sei sie, sagen andere.
Fest steht: Nicht immer hat die gestandene Sozialdemokratin als IBA-Chefin taktisch klug agiert. Einmal fiel sie ihren Bergedorfer Genossen gar in den Rücken, als sie unabgesprochen erklärte, es würden in Oberbillwerder viel weniger Auto-Stellplätze benötigt als bislang vorgesehen. Die Grünen übernahmen ihre Zahlen dankend, SPD und FDP aber empfanden die Pein-Worte als Dolchstoß. Die Bergedorfer Ampel krachte deshalb Mitte 2022 fast auseinander. Solche Alleingänge kann sich Pein als Senatorin kaum erlauben, will sie im Haifischbecken Politik überleben.