„Am Ende brennen Autos“: Hitzige Debatte über Vermummungsverbot auf Demos
Maske rauf, Maske runter!? In den Corona-Jahren mutete der Streit um Vermummungsverbot contra Maskenpflicht auf Demonstrationen wie eine Geschichte aus Absurdistan an. Das geht bis heute: Am 1. Mai stoppte die Hamburger Polizei einen Demo-Zug und verhinderte damit den Aufmarsch, weil einige Teilnehmer:innen Sonnenbrillen oder medizinische Masken trugen. Um diesen Wirrwarr zu beenden, forderte die Linke die Hamburger Bürgerschaft zu einem Beschluss auf – die Reaktionen war eindeutig.
Maske rauf, Maske runter!? In den Corona-Jahren mutete der Streit um Vermummungsverbot contra Maskenpflicht auf Demonstrationen wie eine Geschichte aus Absurdistan an. Das geht bis heute: Am 1. Mai stoppte die Hamburger Polizei einen Demo-Zug und verhinderte damit den Aufmarsch, weil einige Teilnehmer:innen Sonnenbrillen oder medizinische Masken trugen. Um diesen Wirrwarr zu beenden, forderte die Linke die Hamburger Bürgerschaft zu einem Beschluss auf – die Reaktionen war eindeutig.
Trotz ausgelaufener Corona-Maßnahmen raten Virologen immer noch dazu, bei Massenevents weiterhin Mund-Nasenschutz zu tragen, was die Polizei am 1. Mai allerdings „als Fortführung der Vermummung“ bewertete.
Vermummungen auf Demos: In Hamburg eine Straftat
Vermummung auf Demos ist seit 1985 bundesweit verboten, gilt in Hamburg als Straftat, für die man sogar ins Gefängnis wandern kann. Liberaler geht es bei unseren Nachbarn zu: In Schleswig-Holstein ist Vermummung eine Ordnungswidrigkeit, die von der Polizei meist toleriert wird. Das ist auch in Niedersachsen so, wo sie sogar erlaubt ist, „wenn dadurch die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht unmittelbar gefährdet wird.“

Die bundesweiten Vermummungsregeln sind nicht eindeutig, ihre Auslegung durch die Polizei ist oft willkürlich und in Hamburg meist sehr streng. 2017 eskalierten die G20-Gipfel-Proteste in Hamburg, nachdem die Polizei die „Welcome to Hell“-Auftaktdemo wegen der Vermummung kleiner Gruppen gestoppt und später aufgemischt hatte. Während Corona wurde dann aus dem Vermummungsverbot ein Vermummungsgebot. Nun wurde von der Polizei angezeigt, wer keine Maske trug. Heute, das zeigte der 1. Mai, herrscht wieder Maskenverbot. Wobei der Gesetzgeber auf Demos eigentlich eine Corona-Maske erlaubt, wenn Augen und Stirnpartie sichtbar bleiben. Doch das ist Auslegungssache.
Linken-Forderungen wird in der Bürgerschaft abgelehnt
Die Linke forderte am Mittwoch die Bürgerschaft auf, zu beschließen, „dass die Verwendung von FFP2-Masken (…) keine Vermummung“ sei, und ein Vermummungsverbot für Demonstrationen nur im Ausnahmefall erlassen werde. Das aber lehnten alle anderen Parteien, von der AfD bis zu den Grünen, ab. Ihr Argument: Wer keinen Rechtsbruch begeht, der müsse sein Gesicht nicht verbergen! Es gehe beim Vermummungsverbot „um die Verhinderung von Straftaten aus der Anonymität heraus“, betont CDU-Innenexperte Dennis Gladiator, während AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann Vermummung und Rechtsbrüche pauschal gleichsetzt: „Wer sich vermummt, begeht in aller Regel auch Straftaten, am Ende brennen Autos und Geschäfte!“
Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages – der nicht gerade im Verdacht steht, linksextreme Ideologie zu verbreiten – betont hingegen ausdrücklich, „dass aus einer Vermummung nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die unfriedlichen Absichten von Versammlungsteilnehmern geschlossen werden könne“, ein Vermummungsverbot aber in Grundrechte eingreife. Deshalb sei es „rechtspolitisch und verfassungsrechtlich auf das Heftigste umstritten“.
Zudem verstoße „nicht gegen das Verbot, wer sich vermummt, um von Dritten nicht erkannt zu werden.“ Der Dienst führt dazu aus: „Ein solcher Fall liegt vor, wenn sich ein Teilnehmer vor gewaltbereiten politischen Gegnern schützen will, insbesondere wenn diese Versammlungsteilnehmer fotografieren“. Deniz Celik ergänzt: „Es gibt plausible Argumente für eine anonyme Teilnahme an Versammlungen, etwa der Schutz vor der Identifizierung durch Arbeitgeber:innen:“
Vermummungen auf Demos: Schutz vor Polizeimaßnahmen am Rande der Legalität
Oder auch der Schutz vor Polizeimaßnahmen am Rande der Legalität: So veröffentlichte Hamburgs Polizei nach dem G20-Gipfel mehrere hundert Bilder mutmaßlicher Randalierer:innen, die sie bei den Anti-G20-Protesten angefertigt hatte. Die Gesichter meist junger Demonstrant:innen, einige nachweislich noch keine 16 Jahre alt, landeten im Rahmen einer Öffentlichkeitsfahndung auf den Titelseiten diverser Boulevardzeitungen, die den Gesuchten Namen wie „Krawall-Barbie“ verpassten. Unklar blieb, was genau gegen die Abgebildeten eigentlich vorlag.
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Für viele Jurist:innen war das ein jenseits aller Verhältnismäßigkeit liegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Und für manche Eltern ein Grund, ihren Kindern einzuimpfen, sie sollen sich – Rechtsbruch hin oder her – doch lieber vermummen, um bitte nicht auf der Titelseite der „Bild“ als gewalttätige:r Chaot:in zu landen.
Trotz aller offenen Fragen bleibt in Hamburg die Vermummung bis auf weiteres verboten. Wer demonstrieren will, sollte also die Sonnenbrille abnehmen und die Corona-Schutzmaske lieber gleich daheim lassen.