Gender-Wirrwarr in der Hamburger Verwaltung
Die Ansage ist eindeutig: „Allen Mitarbeitenden der Hamburger Verwaltung steht es frei, die weibliche und männliche Form oder Gender-Sternchen oder -Doppelpunkt zu nutzen. Es gibt keine Ausnahmen von dieser Wahlfreiheit“, bringt es Aileen Pinkert, Sprecherin der Gleichstellungsbehörde auf den Punkt. Und irrt dabei kräftig. In Teilen der Verwaltung ist diese Wahlfreiheit eingeschränkt, ohne dass ihre Behörde davon bislang Wind bekam.
Die Ansage ist eindeutig: „Allen Mitarbeitenden der Hamburger Verwaltung steht es frei, die weibliche und männliche Form oder Gender-Sternchen oder -Doppelpunkt zu nutzen. Es gibt keine Ausnahmen von dieser Wahlfreiheit“, bringt es Aileen Pinkert, Sprecherin der Gleichstellungsbehörde, auf den Punkt. Und irrt dabei kräftig. In Teilen der Verwaltung ist diese Wahlfreiheit eingeschränkt, ohne dass ihre Behörde davon bislang Wind bekam.
Ein Beispiel: die Steuerverwaltung, Teil der von Andreas Dressel (SPD) geleiteten Finanzbehörde. Der Senator bekennt freimütig, dass er die sogenannten „Wortbinnenzeichen“, also Gender-Stern (Mitarbeiter*innen), Unterstrich (Mitarbeiter_innen) oder Doppelpunkt (Mitarbeiter:innen) persönlich „eher selten verwendet“.
Das soll in Zukunft auch für seine 3700 Untergebenen in der Steuerverwaltung gelten. Diese bekamen jetzt per Intranet in einem von der Finanzministerkonferenz beschlossenem „Basisregelwerk“ erläutert, wie sie „im Sinne einer einheitlichen Gestaltung von Texten“ zu gendern haben und wie eben nicht. Darin werden die Bediensteten eindringlich aufgefordert, im Schriftverkehr die drei Wortbinnenzeichen nicht zu verwenden.

„Neben geschlechtsneutralen Formulierungen können künftig auch Gender-Stern oder Gender-Doppelpunkt verwendet werden“, heißt es hingegen in einer 2021 verabschiedeten Richtlinie des Senats: Das schließe „Formulierungsverbote künftig aus“. Damit ermöglichen wir „eine vielfältige, diskriminierungsfreie Sprache und greifen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Dritten Option auf“, betont Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne).
Gendern: erlaubt, erwünscht, doch nicht vorgeschrieben
Das Gericht hatte 2017 entschieden, die Rechte von Menschen zu stärken, die sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen und sich auch in der weiblichen und männlichen Sprachform nicht wiederfinden. Das sogenannte „queere Gendern“ in der Verwaltung ist damit seit 2021 ausdrücklich erlaubt, erwünscht, aber niemandem vorgeschrieben.
Die Finanzbehörde erkennt erstaunlicherweise „inhaltlich keinen Widerspruch“ zwischen Senatsempfehlung und Basisregelwerk. Beides seien zudem nur „Leitplanken“, an denen sich die Bediensteten der Steuerverwaltung „orientieren“ sollen. Eine Mitarbeiterin der Steuerverwaltung hingegen betont: „Wir werden mit zwei sich komplett widersprechenden Empfehlungen allein gelassen und durch das Basisregelwerk wird unsere Freiheit, auch queer zu gendern, anders als in allen anderen Behörden, eingeschränkt.“
Doch nicht nur die Steuerverwaltung unterläuft die Gender-Beschlüsse des Senats. So erwähnt die Schulbehörde in einem Internetauftritt zur „gendergerechten Sprache“ den Senatsbeschluss von 2021 mit keinem Wort. Genderstern und Doppelpunkt straft der Behördentext dann auch mit konsequenter Nichterwähnung.
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Die Empfehlungen der Steuerverwaltung sind Wasser auf die Mühlen der Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache“, die das Gendern in Behörden und Schulen ganz verbieten will. Denn das Basisregelwerk und auch die Pressestelle der Finanzbehörde argumentieren fast wortgleich wie die Initiative. Gender-Stern und Doppelpunkt würden „Verständlichkeit, Vorlesbarkeit“, aber auch die „Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten beeinträchtigen.“ Zudem widerspräche ihre Verwendung „dem Amtlichen Regelwerk des Rats für deutsche Rechtschreibung.“
Was so nicht ganz stimmt: Der Rat zählt Genderstern, Doppelpunkt und Unterstrich zwar weiterhin nicht zum Kernbestand der deutschen Sprache, bewertet sie aber seit Juli dieses Jahres als durchaus gängige sprachliche „Sonderzeichen“. Und eine von Hamburgs Grünen intern verfasste Rechtsexpertise kommt zu dem Schluss, dass das von der Volksini geforderte Verbot queer zu gendern, die Grundrechte der Verwaltungsbediensteten untergrabe. Eine Einschätzung, die auch auf die neuen Empfehlungen der Steuerverwaltung zutreffen dürfte.
Weil er die Forderungen der Anti-Gender-Initiative für nicht rechtmäßig hält, wird der rot-Grüne Senat dagegen voraussichtlich vor dem Hamburger Verfassungsgericht vorgehen. Initiativengründerin Sabine Mertens braucht dann nur genüsslich die Empfehlungen der Steuerverwaltung zu zitieren, um eine perfekte Kronzeugin für das von ihr geforderte Verbot von Genderstern & Co an den Start zu bringen.
Licht in das behördliche Gender-Wirrwarr will nun die Linke mit einer Kleinen Anfrage an den Senat bringen. Auch die Gleichstellungsbehörde schlug nach Bekanntwerden der MOPO-Recherchen Alarm, informierte die Senatskanzlei über das Durcheinander. Das sieht verdammt nach Klärungsbedarf aus.