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Stevie Schmiedel
  • Stevie Schmiedel schreibt einmal in der Woche in der MOPO zum Thema Feminismus.
  • Foto: hfr

Frau Dr. Schmiedel: Haben Frauen einen Helferinnen-Komplex?

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer netten Party. Ein Rechtsanwalt für Scheidungs- und Familienrecht ist auch eingeladen und wird Ihnen vorgestellt. Bei Ihnen zu Hause knirscht es seit einiger Zeit mächtig, also pirschen Sie sich an ihn heran, fangen ein nettes Gespräch an und bombardieren ihn dann mit all den Fragen, die Sie schon immer zum Thema Scheidung stellen wollten. Er beantwortet jede ihrer Fragen mit einem freundlichen Lächeln und größter Freude an ihrem Interesse.

Gibt es das? Natürlich nicht. Schon nach der ersten spezifischen Frage zückt er seine Visitenkarte, überreicht sie und sagt freundlich: „Wir können sehr gerne mal einen Termin vereinbaren, rufen Sie gerne meine Sekretärin an! Dann können wir uns das genauer anschauen. Und jetzt hole ich mir erst mal einen Drink, möchten Sie auch?“

Kolumne von Stevie Schmiedel: Haben Frauen einen Helferinnen-Komplex?

Die meisten Menschen wissen, dass andere nach Dienstschluss ungern kostenlos ihre Expertise preisgeben, und man mindestens Ärzte, Rechtsanwälte und Versicherungsfachmenschen abends und privat nicht belästigen sollte – alle anderen auch nicht. Auf jeden Fall scheinen das die meisten weiblichen Menschen zu wissen. Ärztinnen, Rechtsanwältinnen und Steuerberaterinnen fragen mich aber regelmäßig, warum Männer meinen, dass dieses stille Gesetz nicht für sie gilt. Als stünde ihnen auf die Stirn geschrieben: „Ich bin da um zu helfen! Um dir zu helfen!“

Auch ich kenne das: Ich komme auf eine Party, werde als Genderforscherin vorgestellt, und rums geht es los. Als hätte ich den Feminismus erfunden oder wäre persönlich schuld an den Beziehungsproblemen meines Gegenübers, werde ich von Männern befragt: „Wie das denn so sei“ und „ob das stimme“ und „ich solle mal bitte eine Studie nennen“ und es endet meist in: „Ihr seid schuld daran, dass …!“ Wahnsinn.

Wenn ich während des Gesprächs übrigens nicht freundlich lächele, kann es sehr rau werden. Wenn ich freundlich erkläre, dass ich müde sei und jetzt nicht über meine Arbeit sprechen möchte, ernte ich Unverständnis. „Aber du brennst doch dafür!“ (= „Du möchtest doch bestimmt jetzt, um 23.30 Uhr, genau mich überzeugen, wie wichtig deine Arbeit ist!“)

Deshalb sage ich es einmal ganz klar: Nein, Frauen kommen nicht mit einer angeborenen Hilfsfunktion auf die Welt, auch wenn sie aufgrund ihrer Erziehung manchmal schlecht „Nein“ sagen können. Auch ein Arzt oder Rechtsanwalt brennt für seine Arbeit und will helfen, aber im Gegenzug zu seinen weiblichen Counterparts wird nicht ständig hinterfragt, wie sehr: Die Höhe seines Stundensatzes beweist, dass er kompetent ist und es ernst meint.

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Während ich selbstredend für meine Vorträge, Texte und viele Pressetermine Honorare nehme, scheint die Tatsache, dass ich weiblich bin und in einem Feld arbeite, das allgemein Interesse erhält, mich zur potenziell kostenlosen Auskunft in Genderfragen zu machen. Und da ich die meisten Fragen, die mir in der Freizeit gestellt werden, in meinem Arbeitsleben schon tausendfach beantwortet habe, habe ich dazu selten Lust. Feierabend ist Feierabend. Der gilt auch für Aktivistinnen.

Diese Sätze können helfen

Ich habe mir für diese Situationen jetzt also ein paar Sätze zurechtgelegt, die ich auch besten Gewissens der Erzieherin, Atomphysikerin oder Fußpflegerin ans Herz legen möchte – und natürlich allen anderen Menschen, die dieses Dilemma kennen und schlecht „Nein“ sagen können:

– Hier ist meine Visitenkarte: Mich interessiert viel mehr, was du so arbeitest! Du kannst aber gerne einen Termin bei mir buchen und wir sprechen die nächsten Tage über deine Fragen! Mein Beratungssatz ist … Euro/Stunde.

– Sei mir nicht böse, ich muss dringend abschalten und nicht an Arbeit denken. Lass uns ein ganz anderes Thema wählen. Was sind deine Hobbys? Erzähl mal! Interessiert mich wirklich!

– Ah, die Frage wird mir oft gestellt: Ich empfehle dann immer das Buch … Oder die Website …

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Ich habe Glück: Die letzte Antwort kann ich jetzt öfter wählen und dann immer auf die MOPO verweisen: Denn für meine Kolumne hier können Sie alle Fragen stellen, die Sie zu Genderthemen umtreiben – oder online nachschauen, ob ich die schon beantwortet habe. Und das alles für nur 1,40 Euro pro MOPO! Zeitungen sind nämlich wirklich da, um Auskunft zu geben. Nicht Frauen.

Ihr habt Fragen zum Feminismus? Schreibt sie uns! feminismus@mopo.de

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