Andy Grote: Landgericht blamiert den Pannensenator
MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über die Gerichts-Blamage von Innensenator Andy Grote (SPD) – und warum der Politiker trotz offiziellem Ende der „Pimmelgate“-Posse unter Beobachtung steht.
Es ist eine Klatsche für Innensenator Andy Grote (SPD): Das Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung gegen Marlon P., der ihn im Mai 2021 im Netz mit dem unfreundlichen Satz „Du bist so 1 Pimmel“ bedacht hatte, ist von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden (MOPO berichtete). Zudem erklärte das Landgericht am Freitag die Durchsuchung im Zuge der „Pimmelgate“-Ermittlungen bei der Lebensgefährtin von Marlon P. für „rechtswidrig“, da sie „unangemessen“ gewesen sei. Damit ist klar: Weil Grote die beleidigte Leberwurst spielte, wurde Recht gebeugt.
MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über die Gerichts-Blamage von Innensenator Andy Grote (SPD) – und warum der Politiker trotz offiziellem Ende der „Pimmelgate“-Posse unter Beobachtung steht.
Es ist eine Klatsche für Innensenator Andy Grote (SPD): Das Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung gegen Marlon P., der ihn im Mai 2021 im Netz mit dem unfreundlichen Satz „Du bist so 1 Pimmel“ bedacht hatte, ist von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden (MOPO berichtete). Zudem erklärte das Landgericht am Freitag die Durchsuchung im Zuge der „Pimmelgate“-Ermittlungen bei der Lebensgefährtin von Marlon P. für „rechtswidrig“, da sie „unangemessen“ gewesen sei. Damit ist klar: Weil Grote die beleidigte Leberwurst spielte, wurde Recht gebeugt.
Andy Grote hatte die Ermittlungen gegen Marlon P. selbst per Strafantrag auf den Weg gebracht, seitdem klebt die „Pimmel-Posse“ an ihm wie Honig. Grote (Niederländisch: der Große) dürfte weltweit der einzige Promi sein, in dessen Wikipedia-Eintrag derzeit gleich zehnmal der Begriff „Pimmel“ auftaucht.
„Pimmelgate“: Razzia laut Gericht rechtswidrig
Oppositionschef Dennis Thering (CDU) nutzte – noch bevor die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung bekannt wurde – vor wenigen Tagen die Gunst der Stunde und forderte via „Abendblatt“ von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Ablösung Grotes mit Verweis auf „das Pimmelgate des Innensenators“. Mitte der Woche ploppte auch noch die Nachricht auf, dass Grote der Vielflieger des Senats sei. Ein Freund von „Fridays for Future“ wird dieser Mann, der dringend eine Imageberatung braucht, wohl auch nicht mehr werden.
In Erinnerung bleibt von „Pimmelgate“ vor allem der komödiantische Aspekt der beispiellosen Posse: Polizist:innen, die mehrfach ausrückten, um mit Pinsel und Farbe das Pimmel-Zitat von der Außenwand der Roten Flora zu entfernen, das Stunden später wieder an derselben Stelle prangte. Beamt:innen, die auf St. Pauli Aufkleber mit dem Pimmel-Spruch von Laternenmasten und Verkehrsschildern kratzten, und die Plakate, die im Hamburger Straßenbild auftauchten, mit dem vieldeutigen Slogan: „Mensch Andy, sei doch nicht so steif!“

Der humorfreie Umgang Grotes mit dem Pimmel-Tweet hat andere und schließlich auch ihn selbst beschädigt. Grotes Strafanzeige führte dazu, dass sechs Beamte vergangenen September eine Privatwohnung stürmten, in der zwei kleine Kinder anwesend waren, auf der Suche nach „Speichermedien, von denen die in Rede stehende Nachricht versandt wurde“. Monatelang wurde gegen Marlon P. ermittelt. Und als sei all das nicht genug, mischte schließlich auch noch der Staatsschutz in der Angelegenheit mit.
Grote reagierte, als würde der Tatbestand der „Majestätsbeleidigung“ noch immer im Strafgesetzbuch stehen. Doch je mehr sich der Innensenator an der kleinen Eskapade rieb, umso mehr machte er die Sache zu einem Riesending, an dem keine deutschsprachige Satiresendung und auch die „Washington Post“ nicht vorbeikamen. Tausende User:innen kritisierten im Netz unter dem Hashtag „Pimmelgate“ die staatliche Reaktion auf den Tweet als vollkommen unverhältnismäßig. Genau das bestätigte nun auch das Landgericht in seinem Beschluss.
Andy Grote verstieß gegen Corona-Regel
Dabei war der Eklat voraussehbar und selbstverschuldet. Hatte Grote im Juni 2020 doch eine Wiederwahl-Party mit 30 Gästen veranstaltet und so gegen die Corona-Regeln verstoßen. Dass er den Verstoß zunächst auch noch bestritt, bevor er zähneknirschend die 1000 Euro Bußgeld berappte, nahm ihm jegliche Autorität, als Innensenator die Einhaltung der Corona-Regeln einzufordern. Als er es dann doch tat, erntete er nur Hohn und Spott. Ein Tweet, in dem Grote im Mai 2021 die Menschen als „ignorant“ und „dämlich“ beleidigte, die trotz Corona im Schanzenviertel gefeiert hatten, löste eine Flut von Reaktionen der Marke „Gerade der soll mal ganz ruhig sein“ aus und gipfelte in dem Pimmel-Tweet.
Das Gericht nimmt in seinem Beschluss nun Grotes Corona-Party und sein Bashing der Feiernden auf: „Vor diesem Hintergrund“, so Gerichtssprecher Kai Wantzen, sei die Schwere der Beleidigung durch Marlon P. „am unteren Rand der Erheblichkeitsschwelle einzustufen“, der mit der „Durchsuchung verbundene Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung“ sei deshalb „unverhältnismäßig, unangemessen“ und „rechtswidrig“ gewesen.
Rabiate Razzia zum Signal gegen Hasskriminalität hochgejubelt
Durch die klare Aussage des Gerichts fällt es Grote nun noch einmal auf die Füße, dass er – wie schon nach seiner Corona-Party – auch bei „Pimmelgate“ keine Fehler einräumte. Die rabiate rechtswidrige Razzia jubelte er damals zum Signal hoch, wie entschlossen die Polizei gegen die Hasskriminalität im Netz vorgehe. Postwendend musste er sich sagen lassen, wie oft auch in Hamburg Strafanzeigen von Menschen, die im Netz mit Mord und Vergewaltigung bedroht oder aufs Übelste sexistisch oder rassistisch beleidigt wurden, ins Leere laufen.
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Selbstironie und Leichtigkeit sind nicht die Kernkompetenz des Senators, ein souveräner Umgang mit Kritik nicht sein Markenzeichen. Für die misslungenen Einsätze und Rechtsbrüche der Polizei während des G20-Gipfels übernahm er bis heute keine wirkliche Verantwortung. Da sich die öffentliche Kritik ganz auf Bürgermeister Olaf Scholz und den polizeilichen Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde richtete, konnte Grote sich wegducken und blieb so unbeschädigt.
Das wird ihm nicht immer gelingen. Andy Grote steht auf der Kippe. Das Reservoir an Fehlleistungen, die man bereit ist einem Politiker zuzugestehen, ist ausgeschöpft. Sein nächster Eklat dürfte dafür sorgen, dass Tschentscher sich nach einem neuen Innensenator umsehen muss.
Hinweis: In einer früheren Version war im Text von einem Beschluss des OLG die Rede. Es war eine Entscheidung des Landgerichts. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.