Rebellin abgestraft: Grüne in Hamburg verlieren ihre Glaubwürdigkeit
Kaum hatte die Grüne Fraktion am Montag ihre wirtschaftspolitische Sprecherin Miriam Block des Amtes enthoben und aus zwei Bürgerschafs-Ausschüssen abgezogen, da brach über sie in den Sozialen Medien ein Shitstorm herein. Auffällig: Vor allem die eigene Parteibasis, der Nachwuchs aber auch diverse antifaschistische Organisationen beteiligten sich aktiv daran. Tenor des Aufschreis: Die Grünen hätten nicht nur ihre eigenen Ideale mal wieder komplett verraten, sondern auch noch ihre einzige Abgeordnete mit Rückgrat abgestraft. Und damit signalisiert: Wer über Moral und Gewissen verfügt, ist in dieser Partei fehl am Platz.
Kaum hatte die Grüne Fraktion am Montag ihre wirtschaftspolitische Sprecherin Miriam Block des Amtes enthoben und aus zwei Bürgerschaftsausschüssen abgezogen, da brach über sie in den sozialen Medien ein Shitstorm herein. Auffällig: Vor allem die eigene Parteibasis, der Nachwuchs, aber auch diverse antifaschistische Organisationen beteiligten sich aktiv daran. Tenor des Aufschreis: Die Grünen hätten nicht nur ihre eigenen Ideale mal wieder komplett verraten, sondern auch noch ihre einzige Abgeordnete mit Rückgrat abgestraft. Und damit signalisiert: Wer über Moral und Gewissen verfügt, ist in dieser Partei fehl am Platz.
Das kann man so sehen. In die politische Bedeutungslosigkeit wurde Block verbannt, nachdem sie die Koalitionsdisziplin brach und einem Antrag der oppositionellen Linken zustimmte, einen NSU-Untersuchungsausschuss (PUA) einzurichten, den eigentlich auch die Grünen seit Jahren vehement fordern. Die rechtsextreme Terrorgruppe hatte neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordet, darunter 2001 in Hamburg den Gemüsehändler Süleyman Tasköprü. Obwohl bis heute viele Fragen offen sind – etwa, warum sich die Polizei lange darauf versteifte, die Tat habe keinen politischen Hintergrund – ist Hamburg das einzige von den Morden betroffene Bundesland, das dazu keinen PUA eingerichtet hat. Was nun auch so bleiben wird.
Denn die SPD lehnt den PUA ab und erklärte sich nach langen Verhandlungen mit den Grünen nur zum Kompromiss bereit, den NSU-Komplex wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen – auch das nur, weil 14 grüne Abgeordnete zuvor intern erklärt hatten, sie liebäugelten damit, dem Linken-Antrag zuzustimmen und so einen PUA zu ermöglichen, wenn die eigene Verhandlungsdelegation mit leeren Händen von den Gesprächen mit der SPD zurückkäme.

MOPO-Kolumnist Marco Carini
Der Grüne Fraktionschef Dominik Lorenzen hat selbst vor Kurzem betont, die Grünen hielten einen PUA für notwendig und würden sich lediglich der Koalitionsdisziplin beugen. Und seine Co-Vorsitzende Jenny Jasberg fand es „erschütternd, wie vehement die SPD einen PUA“ ablehne. Am Ende opferten beide ihre innere Überzeugung dem Koalitionsfrieden. Block aber stimmte als einzige grüne Abgeordnete so ab, wie es die Fraktion wohl gern getan hätte, sich aber mit Blick auf die SPD nicht traute. Einfach den Saal während der Abstimmung zu verlassen, wie es zwei andere grüne PUA-Befürworter:innen taten, oder sich „nur“ zu enthalten, waren für die Abgeordnete keine Alternativen. Sie wollte ein Zeichen setzen.
So wichtig Fraktionsdisziplin für das Funktionieren einer Regierung ist, so wichtig ist es auch, Ausnahmen zuzulassen, um die Reste des freien Mandats von Abgeordneten zu bewahren, das im Grundgesetz ausdrücklich verbrieft ist. In dessen Artikel 38 heißt es: „Abgeordnete sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Die Praxis aber ist eine andere: In aller Regel beugen sich Abgeordnete mit abweichenden Meinungen dem Fraktionszwang, stimmen ab, wie die Fraktionsführung es beschlossen hat. Hier geht es um Macht und Regierungsfähigkeit, nicht um Überzeugung und Gewissen.
Freie Mandat von Abgeordneten in Artikel 38 definiert
Weil Blocks Abstimmungsverhalten die rot-grüne Mehrheit nicht gefährdete, hätte die Fraktion ihre Gewissensentscheidung wohl ohne Strafmaßnahmen toleriert und damit signalisiert, dass ihr der Koalitionsfrieden zwar wichtig ist, einzelne Abgeordnete aber durchaus auf ihre Grundsätze und Parteitagsbeschlüsse pochen dürfen. Da Block aber seit Wochen über die Medien Politik gegen ihre eigene Fraktion machte, zerstörte sie dort die Vertrauensbasis und isolierte sich zunehmend. Sie inszenierte sich dabei als Märtyrerin und letzte aufrechte grüne Kämpferin gegen den Rechtsextremismus.
Das war für ihre koalitionsgefesselte Fraktion zu viel: Sie fühlte sich von der Kollegin vorgeführt, an den Pranger gestellt und hinters Licht geführt. Zudem soll die 32-jährige andere Abgeordnete moralisch unter Druck gesetzt haben, getreu dem Motto: Wer nicht für den PUA stimmt, untergräbt den Antifaschismus.
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Der galt lange als zweite Kernkompetenz der Grünen neben dem Klimaschutz. Seit dem NSU-Desaster aber heißt es: Wir sind antifaschistisch – und zwar so doll, wie es uns die SPD erlaubt. Das freut vor allem den politischen Gegner. So kommentierte die langjährige FDP-Parteichefin Sylvia Canel das grüne PUA-Hickhack auf Facebook recht schadenfroh mit den Worten: „Die Grünen sind halt eine Partei wie andere auch.“ Dem gibt es nichts hinzuzufügen.