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  • NDR-Intendant Joachim Knuth
  • Foto: dpa

NDR-Krise: „Überbezahlte Damen und Herren fahren ein großartiges System vor die Wand“

Dass ein Ex-Intendant seinen Nach-Nachfolger ganz offen und öffentlich zum Rücktritt auffordert, hat es in der Geschichte des NDR noch nicht gegeben. Es zeigt, wie dramatisch die Situation ist und wie schlimm es um den Norddeutschen Rundfunk steht. Der Sender wurde von seiner Führungscrew um den derzeitigen Intendanten Joachim Knuth regelrecht runtergewirtschaftet.

Deshalb hat der Vor-Vorgänger von Knuth, der unvergessene Ex-Intendant Jobst Plog, der den NDR 17 Jahre lang geführt hatte, jetzt unüberhörbar Alarm geschlagen. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ legte er der Führungs-Spitze des NDR den Rücktritt nahe.

Dieser kollektive Rücktritt wäre in der Tat bitter nötig, denn eine echte Reform hin zu einer durchgreifenden Besserung ist dem gegenwärtigen Intendanten Knuth und seinen Direktor:innen nicht mehr zuzutrauen. Die gravierenden Mängel waren und sind seit Jahren offenkundig. Die da oben aber haben nichts dagegen getan, im Gegenteil. Sie haben den Gesamtzustand teilweise bewusst und willentlich verschlimmert.

Der kollektive Rücktritt der NDR-Spitze ist bitter nötig

Anlass für Plogs Generalangriff ist der sogenannte „Klimabericht“, die knapp hundertseitige Untersuchung eines Expertenteams um den Theologen und Manager Stephan Reimers über die Situation im NDR. Das Gutachten, das vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, kommt zu verheerenden Ergebnissen: Die Mitarbeitenden hätten kein Vertrauen in die Geschäftsführung, es gebe Vetternwirtschaft, und im NDR herrsche eine Top-Down-Mentalität, mit der von oben diktatorisch angeordnet wird, was unten exekutiert werden muss, ohne dass man eine Erklärung erhält.

Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO. privat/hfr
Lütgert
Der Autor: Christoph Lütgert war Rundfunk-Korrespondent beim NDR, Erster Reporter beim ARD-Politik-Magazin „Panorama“ und 17 Jahre lang Chefreporter Fernsehen beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkritischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er schreibt regelmäßig als Gastkommentator für die MOPO.

Schon dass es überhaupt einen solchen „Klimabericht“ geben musste, begreift Plog als Armutszeugnis für seinen Nach-Nachfolger und dessen Direktor*innen: „Zu erkunden, wie die Stimmung, wie das Klima im eigenen Haus ist, das ist doch die alltägliche Aufgabe von Führung. Ich erinnere mich nicht, dass ich dazu eines Gutachtens bedurft hätte. Und das zweite Erschreckende ist der Inhalt dieses Gutachtens, der eklatante Führungsmängel aufzeigt.“

Jetzt dürften die obersten Führungskräfte des NDR nicht immer nur von Verantwortung reden, sondern sie müssten das „dann auch mal in Realität umsetzen“. Also Rücktritt. Denn, so Plog weiter: „Ich weiß nicht, wie das hier geschehen soll, wenn dieselben Leute, denen gestern noch eklatante Mängel bescheinigt wurden, morgen anfangen sollen, an der Beseitigung dieser Mängel zu arbeiten.“

NDR: Machtstrategien und erschwerte Zusammenarbeit

Ein konkretes und gravierendes Beispiel für die Führungs-UN-Kultur im NDR, das auch im „Klimabericht“ abgehandelt wird: Im Zuge einer sogenannten Strukturreform rissen Programmdirektorin Katja Marx und Direktor Frank Beckmann gewachsene Redaktionseinheiten willkürlich auseinander und teilten sie dann nach ihren persönlichen „machtstrategischen Interessen“ unter sich auf. „Aus Sicht vieler Betroffener Mitarbeiter*innen hat diese Trennung vieles an der bisher selbstverständlichen Zusammenarbeit erschwert.“ Die Frage der Betroffenen nach sachlichen Gründen blieb „unbeantwortet“. Und Intendant Knuth, der nachweislich davon wusste, dachte überhaupt nicht daran, sich mal in diesen Konflikt einzuschalten.

Dass die Geschäftsführung des NDR offenkundig kein Problembewusstsein hat, sondern sich im Gegenteil ziemlich großartig findet, hat sie wiederholt bewiesen. So erst kürzlich Direktorin Marx und Direktor Beckmann: Auf einer internen Veranstaltung wenige Tage vor Veröffentlichung des auch für sie verheerenden Klimaberichts belobigten sie sich gegenseitig in einer geradezu albernen Performance, wie toll doch alles unter ihnen laufe.

Es braucht personelle Konsequenzen in NDR-Spitze

Und Intendant Knuth antwortete im „Spiegel“ auf die Frage, ob es „ein Signal mit personellen Konsequenzen auf Führungsebenen“ brauche: „Nein, das glaube ich nicht.“

Doch, Herr Intendant Knuth, das brauchte es. Dankenswerterweise hat der frühere Intendant Jobst Plog dieses Signal gegeben. Jetzt liegt es auch an den Mitarbeiter*innen des NDR das aufzunehmen und entschlossen nachzusetzen. Sie müssen zeigen, dass sie nicht mehr bereit sind, zur Tagesordnung überzugehen, sollten die da oben weiter an ihren höchstbezahlten Posten kleben.

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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen sind zu wertvoll und wichtig. Man darf es nicht länger überbezahlten Damen und Herren überlassen, die ein großartiges System vor die Wand fahren und sich auch noch eine goldene Nase daran verdienen.

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