Mein Tag als Müllfrau: „Mal gucken, ob du durchhältst“
Die Stadtreinigung braucht neue Leute und sucht nun gezielt nach Frauen. Denn gerade einmal ein Prozent der Mitarbeiter ist weiblich bei der Müllabfuhr. Anpacken, Tonnen wuchten, draußen sein: MOPO-Reporterin Pauline Reibe hat eine Schicht mitgemacht. Und findet: Das muss kein Männerjob bleiben!
An das frühe Aufstehen müsste ich mich gewöhnen: Um 5.15 Uhr soll ich zur Stadtreinigungs-Einweisung auf dem Gelände an der Schnackenburgallee gegenüber vom Volksparkstadion parat stehen, um 4.15 Uhr stehe ich auf. Aus der Redaktion bin ich andere Zeiten gewohnt. Der schöne Sonnenaufgang, auf den ich mich gefreut habe, bleibt mir leider verwehrt: Der Himmel ist grau und verhangen.
Die Stadtreinigung braucht neue Leute und sucht nun gezielt nach Frauen. Denn gerade einmal ein Prozent der Mitarbeiter ist weiblich bei der Müllabfuhr. Anpacken, Tonnen wuchten, draußen sein: MOPO-Reporterin Pauline Reibe hat eine Schicht mitgemacht. Und findet: Das muss kein Männerjob bleiben!
An das frühe Aufstehen müsste ich mich gewöhnen: Um 5.15 Uhr soll ich zur Stadtreinigungs-Einweisung auf dem Gelände an der Schnackenburgallee gegenüber vom Volksparkstadion parat stehen, um 4.15 Uhr stehe ich auf. Aus der Redaktion bin ich andere Zeiten gewohnt. Der schöne Sonnenaufgang, auf den ich mich gefreut habe, bleibt mir leider verwehrt: Der Himmel ist grau und verhangen.
Müllabfuhr: „Anfangs denken alle, Orange steht ihnen nicht“
Auf dem Platz in Bahrenfeld sind sie schon alle hellwach. Überall wuseln Menschen in orangenfarbenen Klamotten umher, werfen sich gegenseitig launige Sprüche zu. Auffällig: Es sind fast nur Männer. Eine Frauenumkleide gibt es dennoch, und in die werde ich jetzt mitsamt meiner neuen Kleidung geführt.
Orangefarbene Latzhose, T-Shirt, Pulli und schwarze Arbeitsschuhe: Ich werfe einen skeptischen Blick in den Spiegel. „Am Anfang denken alle, dass ihnen die Farbe nicht steht“, sagt eine freundliche Kollegin. „Aber du gewöhnst dich dran.“ Die Frauen sind enttäuscht, als ich ihnen sage, dass ich nur für einen Tag da bin. „Wir haben uns schon über eine neue Kollegin gefreut!“
- Florian Quandt Peter Reuter (56), Lena Jolitz (42), MOPO-Reporterin Pauline Reibe und Michael Nischik (59) haben eine Stadtreinigungs-Schicht zusammen absolviert.
Peter Reuter (56), Lena Jolitz (42), MOPO-Reporterin Pauline Reibe und Michael Nischik (59) haben eine Stadtreinigungs-Schicht zusammen absolviert.
Insgesamt 4000 Mitarbeiter arbeiten bei der Stadtreinigung (SRH). Ein Team ist für die Reinigung von Wegen und öffentlichen Flächen zuständig, hier sind acht Prozent Frauen. Bei der klassischen Müllabfuhr ist nur ein Prozent der Belegschaft weiblich. Mit einer von ihnen darf ich heute mitfahren: Lena Jolitz (42) ist als einzige Frau mit der Müllabfuhr im Hamburger Westen unterwegs. Seit sieben Monaten arbeitet die ausgebildete Bäckerin bei der Stadtreinigung. Auf die Idee kam sie durch ihren Bruder, der hier arbeitet.
Stadtreinigung: Am Anfang mache ich noch ganz viel falsch
Im Auto sitzen außerdem Vorarbeiter Peter Reuter (56) und Kolonnentrainer Michael Nischik (59), der häufig neue Kollegen einarbeitet. „Wollen wir mal sehen, was du so drauf hast – und ob du eine ganze Schicht mit uns durchhältst!“, sagt Nischik, groß gebaut, Hamburger Schnack. Bei ihm sollte man um einen frechen Spruch nicht verlegen sein.

Und los geht die Fahrt quer durch den Hamburger Westen, während die Sonne (hinter den Wolken) langsam aufgeht. In der Haubachstraße (Altona) springen wir aus dem Wagen, schließen die ersten Kellertüren auf und laufen hinunter, um die Mülltonnen rauszuholen. Alles geht sehr schnell, wirkt wie ein einstudierter Tanz, zu dem mir die Choreografie fehlt. Ich stehe im Weg.

Die drei aber sind hochmotiviert, mich in ihr Team zu integrieren. Sie zeigen mir, wie ich die Mülltonnen richtig anfasse, wie man sie mit möglichst wenig Aufwand bewegt, wie man sie an die Klappe vom Müllwagen hängt, welche Knöpfe und Sicherheitsvorkehrungen man beachten muss. „Was habe ich dir erklärt, Mädchen?“, sagt Nischik in mahnendem Ton, als ich beim Hochfahren der Mülltonne zu weit vom Notknopf entfernt stehe. „Wie würdest du mich jetzt retten?“ Schnell laufe ich ein paar Schritte zurück und betätige den Knopf.
So viel verdient man in Hamburg bei der Müllabfuhr
„Wir gehen hier mit Frauen genauso um wie mit Männern“, erklärt er mir. „Du musst zeigen, dass du willst, dann wird dir jeder auf dem Platz helfen.“ Auch Lena Jolitz hat nicht das Gefühl, dass sie anders behandelt wird als ihre männlichen Kollegen. „Nur manchmal hat es Vorteile. Dann kommen mir die Anwohner schon mit der Mülltonne entgegen, um mir einen Gefallen zu tun. Einer sagte: Nächste Woche helfe ich dir.“
Als Mitarbeiter/Entsorger in der Müllabfuhr kann man laut Stadtreinigungsangaben mit etwa 3000 Euro brutto rechnen. Kraftfahrer bzw. Schichtleiter liegen bei bis zu 4000 Euro brutto. Im März 2024 kommen dank Tarifverhandlung nochmal rund 10 Prozent hinzu. Obendrauf bekommt man Muckis, Bewegung an der frischen Luft und meistens gute Laune – aber man muss auch bei Wind und Wetter raus und mit unangenehmen Gerüchen umgehen können.
- Florian Quandt An ihrem Tag als Müllfrau darf die MOPO-Reporterin auch auf dem Trittbrett mitfahren.
An ihrem Tag als Müllfrau darf die MOPO-Reporterin auch auf dem Trittbrett mitfahren. - Florian Quandt Eins wird an dem Tag klar: Frauen wie Lena Jolitz (l.) können den Job genauso gut wie Männer.
Eins wird an dem Tag klar: Frauen wie Lena Jolitz (l.) können den Job genauso gut wie Männer. - Florian Quandt Mülltonnen tragen ist gar nicht so einfach, wie es aussieht.
Mülltonnen tragen ist gar nicht so einfach, wie es aussieht. - Florian Quandt Pauline Reibe lernt, wie man eine Mülltonne richtig an den Wagen klemmt.
Pauline Reibe lernt, wie man eine Mülltonne richtig an den Wagen klemmt.
Vor einem Haus in Othmarschen mache ich die Erfahrung, dass Frauen bei der Müllabfuhr kein Standard sind. Ein älterer Herr nickt Lena Jolitz und mir im Entgegenkommen zu. Wir schieben gemeinsam eine Mülltonne zum Wagen. „Ich habe in der Altenpflege gearbeitet und hatte fast nur weibliche Kolleginnen. Es ist schön, wenn Rollenklischees aufgebrochen werden“, sagt er.
Nach acht Stunden habe ich meine erste Schicht geschafft
Schön ist es auch, als ein kleiner Junge fasziniert mit seinem Vater am Straßenrand steht und uns mit großen Augen zuwinkt. „Für solche Momente liebe ich den Job!“, sagt Lena Jolitz.
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„Ich bereue den Jobwechsel nicht“, sagt Lena Jolitz. Und siehe da – nach acht Stunden und einer gemeinsamen Mittagspause mit viel Geplänkel und Gummibärchen für alle ist die Schicht rum. Ich bin ausgepowert, aber glücklich, und genauso geht’s meinen männlichen Kollegen auch.