Vier-Tage-Woche: Mehr Freizeit oder mehr Arbeit für Hamburger?
Es gibt keine Brücken. Die bundesweite Diskussion über eine Vier-Tage-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich ist zwar in der Hamburger Bürgerschaft angekommen, dort aber stehen sich die Parteien unversöhnlich gegenüber. Einen Vorstoß der Linken, das Vier-Tage-Modell testweise in einigen ausgewählten Verwaltungsbereichen auszuprobieren, konterte die CDU vergangenen Mittwoch mit der Bewertung, „der Antrag sei nicht von dieser Welt“, während die AfD von „linken Arbeitsverweigerern“ sprach.
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Es gibt keine Brücken. Die bundesweite Diskussion über eine Vier-Tage-Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich ist zwar in der Hamburger Bürgerschaft angekommen, dort aber stehen sich die Parteien unversöhnlich gegenüber. Einen Vorstoß der Linken, das Vier-Tage-Modell testweise in einigen ausgewählten Verwaltungsbereichen auszuprobieren, konterte die CDU vergangenen Mittwoch mit der Bewertung, „der Antrag sei nicht von dieser Welt“, während die AfD von „linken Arbeitsverweigerern“ sprach.
„Wir müssen länger und härter arbeiten, auch in der Verwaltung, um unseren Wohlstand zu halten“, konterte CDU-Arbeitsmarktexperte Götz Wiese die Linken-Offensive – eine Forderung, die nicht allen CDU-Wähler:innen schmecken dürfte. Die Argumentation von Wiese und auch des SPD-Abgeordneten Sven Tode ist schlicht und klingt auf den ersten Blick total logisch: Wo Fachkräfte an allen Enden und Ecken fehlen, müssten die, die noch zur Verfügung stehen, eben mehr reinhauen, statt weniger zu arbeiten, um die anfallende Arbeit zu erledigen.
Antrag der Linken abgeschmettert
So verweigerte neben CDU und AfD auch die rot-grüne Koalition jede weitere Diskussion des Linken-Antrags im zuständigen Ausschuss und schmetterte ihn schnöde ab. Und das obwohl der Grünen-Arbeitsmarktexperte Dennis Paustian-Döscher Minuten in der Debatte zuvor die Vier-Tage-Woche ausdrücklich angepriesen und eine „intensivere Debatte“ über ihre Einführung auch in Hamburg eingeklagt hatte.
Gefordert hatte die Linke, „die Vier-Tage-Woche im Rahmen eines Modellversuchs in ausgewählten Verwaltungsbereichen und öffentlichen Unternehmen zu erproben“, und das bei vollem Lohnausgleich für die Beschäftigten. Ihr Argument: Nur attraktivere Arbeitsbedingungen – mehr Geld oder mehr Freizeit – könnten den Fachkräftemangel auf Dauer beheben. „Wenn es richtig gemacht wird, erhöht sich die Arbeitseffizienz, die Krankheitstage sinken und die Zufriedenheit der Beschäftigten steigt“, verweist der haushaltspolitische Sprecher der Linken, David Stoop auf internationale Studien, die das belegen.
Immer mehr Unternehmen reduzieren die Arbeitszeit
Längst ist die Diskussion um eine Vier-Tage-Woche in der Arbeitswelt voll entbrannt, reduzieren immer mehr Unternehmen die Arbeitszeit, um überhaupt noch Fachkräfte zu bekommen. So bietet das Hamburger Software-Start-up Knowhere bereits seit vergangenem Jahr die Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich an – der Freitag bleibt frei. Geschäftsführer Patrick Zimmermann ist der festen Überzeugung, dass „wir mit zunehmender Digitalisierung in der Lage sind, in weniger Wochenstunden die gleichen Ziele zu erreichen“. Zudem betont der Firmenmitgründer, er „hoffe, so im sehr umkämpften Arbeitsmarkt unsere Mitarbeiter:innen fester an uns zu binden“.
Auch der Herrenausstatter „Policke“ in St. Georg führt – wie die MOPO unlängst berichtete – ab Dezember zunächst testweise für zwei Monate die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ein. Für Inhaber Claus Burchard ein „Anreiz, die eigenen Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen“. Und bundesweit mehren sich ohnehin die Stimmen von Unternehmen, die diesen Schritt gegangen sind, dass sich nun mehr Bewerber:innen auf Stellenausschreibungen melden und weniger Mitarbeitende ihren Job kündigen oder wegen Krankheit oft fehlen.
Dem Fiskus entgehen Millionen, weil Personal fehlt
Auch in der Hamburger Verwaltung bleiben vielerorts Stellen unbesetzt. So fehlen etwa den Finanzämtern entsprechende Steuerprüfer:innen, weil private Wirtschaftsprüfungs-Kanzleien qualifizierten Fachkräften deutlich attraktivere Arbeitsbedingungen bieten. Die Folge: Durch fehlende Steuerprüfungen und Nachforderungen entgehen dem Fiskus und damit dem Hamburger Haushalt Millionen.
Nicht anders sieht es bei den Pflegeberufen und dem pädagogischen Fachpersonal aus, das etwa für Schulen und Kindergärten gebraucht wird. Weil beide Berufsfelder jahrzehntelang als unattraktiv und unterbezahlt galten, fehlt nun der Nachwuchs. Und beim Wettstreit um die wenigen Fachkräfte, die auf dem Markt sind, können städtische Unternehmen oder Träger mit den Arbeitsbedingungen auf dem freien Markt oft nicht konkurrieren.
Wie CDU-Mann Wiese nun rare Fachkräfte im Zeitalter der Work-Life-Balance zum härteren und längeren Arbeiten bekommen will, bleibt sein Geheimnis. Ein Geheimnis bleibt auch, warum Rot-Grün nicht einmal bereit ist, in ausgewählten Bereichen für einen begrenzten Zeitraum einen Vier-Tage-Modellversuch zu starten und diesen dann wissenschaftlich auszuwerten. „Versuch macht kluch“ sagt der Volksmund – doch das haben Hamburgs Politiker:innen mehrheitlich anscheinend gar nicht nötig.