Mehr als 5000 Corona-Demonstranten: Wer geht da auf die Straße?
In Hamburg formiert sich derzeit der größte Protest des Landes gegen die Corona-Politik und wissenschaftliche Evidenz. Nirgendwo sonst schließen sich so viele Menschen den Demos an wie hier. Doch wer ist das, der da auf die Straße geht? Und woher kommt der massive Zustrom?
Sie laufen mit Tausenden Menschen stundenlang durch die Hamburger Innenstadt und skandieren am liebsten „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“. An diesem Samstag zogen rund 5000 Menschen unter dem Motto „Das Maß ist voll – Hände weg von unseren Kindern“ durch die Straßen der Stadt – neuer Teilnehmerrekord.
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In Hamburg formiert sich derzeit der größte Protest des Landes gegen die Corona-Politik und wissenschaftliche Evidenz. Nirgendwo sonst schließen sich so viele Menschen den Demos an wie hier. Doch wer ist das, der da auf die Straße geht?
Sie laufen mit Tausenden Menschen stundenlang durch die Hamburger Innenstadt und skandieren am liebsten „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“. An diesem Samstag zogen rund 5000 Menschen unter dem Motto „Das Maß ist voll – Hände weg von unseren Kindern“ durch die Straßen der Stadt – neuer Teilnehmerrekord.
Die hohe Zahl mag zwar damit zusammenhängen, dass in Berlin etwaige Demonstrationen verboten wurden und hier fleißig auch im Umland mobilisiert wird. Doch trotzdem sind solche Zahlen für das traditionell eher linke Hamburg bemerkenswert. Dabei lassen sich die Teilnehmer nur schwer politisch verorten. Wer sich das Treiben aus nächster Nähe anschaut tut sich schwer, die Demonstrant:innen zu kategorisieren.
Hamburg: Demo-Teilnehmer kommen aus allen Ecken
Das Publikum ist gemischt, Männer und Frauen, Jung und Alt. Sie alle eint lediglich das diffuse Gefühl eines nötigen Aufbegehrens gegen die Obrigkeit. Beliebte Erzählungen, mit denen die Demonstrant:innen ihren Teilnahme begründen: Der Schutz von Kindern, das Einstehen gegen eine gesellschaftliche Spaltung durch Beschränkungen für Ungeimpfte (in Hamburg sind übrigens 90 Prozent der Erwachsenen geimpft), der Erhalt von Freiheitsrechten und ein vulgäres Verständnis des Mahnspruchs „Wehret den Anfängen“.
Die Demonstrationen werden von Privatpersonen angemeldet, es stecken also zumindest offiziell keine professionellen Zusammenschlüsse dahinter. Auf den Demonstrationen selbst sieht man dann auch wenige klar identifizierbare Gruppen. Gut sichtbar sind aber zumindest Plakate der Partei „Die Basis“, die den parlamentarischen Arm der Querdenker-Bewegung darstellt.
Die Verschwörung schwingt immer mit
Trotz der schwer zu verortenden Zusammensetzung der Demonstrierenden wird nicht mit verschwörungsideologischen Elementen gegeizt. In Reden ist von „Mainstream-Medien“, angeblich leeren Krankenhäusern und gelöschten Corona-Aufklärungsvideos die Rede. Eine Frau (laut eigenen Angaben Intensiv-Krankenschwester) behauptet in einem Wortbeitrag ernsthaft, sie würde in „ein offenes Messer laufen“, wenn sie sich impfen ließe.
Der Verfassungsschutz in Hamburg sieht derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass größere Teile der Demonstranten von extremistischen Querdenkern unterwandert sein könnten. „Personen, die der Verfassungsschutz diesem Beobachtungsobjekt zurechnet, machen in Hamburg derzeit nur einen geringen Teil des Protestspektrums aus“, so Sprecher Marco Haase zur MOPO. Man werde die Entwicklung aber weiterhin aufmerksam verfolgen, auch, weil einzelne Personen bereits eine Gefahr darstellen könnten.
Immer mehr Demonstrierende sehen sich im Widerstand
Sorgen macht sich Marco Hosemann, Vorstandsmitglied der Linken Hamburg, über die jüngsten Entwicklungen bei den Protesten. Er beobachtet schon seit längerer Zeit die Demonstrationen und stellt im Vergleich zum Sommer eine deutliche Professionalisierung bei der Organisation fest. Auffällig sei, dass „sich immer mehr Demoteilnehmende im Widerstand sehen“, so Hosemann zur MOPO. Und wer sich im Widerstand wähne, der suche vielleicht bald nach anderen Mitteln zur Durchsetzung seiner Anliegen, als nur friedliche Spaziergänge durch die Hamburger Innenstadt.
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Am Samstag meldete die Polizei keine besonderen Vorkommnisse bei der Demo. Lediglich das Abstandsgebot sei in wenigen Fällen nicht eingehalten worden, so ein Polizeisprecher.
Welche Antworten hat die Politik?
Der ganze Auflauf mag angesichts von 100.000 Corona-Toten allein in Deutschland und den durch die Impfung offenstehenden Weg aus der Pandemie perfide und entsetzlich irrational wirken. Doch Perfidie und Irrationalität sind vorerst kein Grund für die Behörden, um repressiv tätig zu werden.
Und so bleibt der Politik nur, nach Antworten zu suchen. Eine scheint auch mittlerweile gefunden, sie lautet: Keine Solidarität den Unsolidarischen. In Hamburg wird das schon lange konkret durch die 2G-Regelung praktiziert, eine Impfpflicht könnte im Frühjahr folgen. Dann werden wohl noch mehr Menschen auf die Straßen gehen, das kann ihnen niemand verbieten. Nur impfen lassen, das müssen sie sich dann trotzdem.