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  • In einer Hausarztpraxis wird eine Spritze mit Biontech-Impfstoff  aufgezogen. 
  • Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Mediziner entsetzt: „Jeden Tag werden in Hamburg Hunderte Impfdosen vernichtet“

Zwar nimmt die Impfkampagne Fahrt auf. Aber der Impfstoff ist nach wie vor knapp. „Trotzdem werden jeden Tag Hunderte Impfdosen in Hamburg vernichtet“, sagt Allgemeinmediziner Jan K. sauer. Der Grund: Aus den Biontech-Fläschchen werden häufig nur sechs Dosen entnommen, obwohl die Menge für eine siebte Impfung reichen würde.

Erst waren es fünf Dosen. Dann ließ die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zu, dass sechs Dosen aus einer Ampulle gezogen werden dürfen. Allerdings sind die Biontech-Fläschchen auch danach nicht leer. „Sie sind immer mit einer Sicherheitsbefüllung des Herstellers bedacht. Mit einer bestimmten Spritze und Kanüle könnte man in den meisten Fällen mindestens sieben Dosen herausbekommen“, sagt der Hamburger Arzt Jan K..

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Dr. Jana Husemann ist Vorsitzende des Hausärzteverbands Hamburg. 

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picture alliance/dpa

Auch Dr. Jana Husemann, Vorsitzende des Hausärzteverbands Hamburg, macht sich für die Verimpfung der siebten Dosis stark. „In der derzeitigen Situation können wir es uns einfach nicht leisten, Impfstoff zu vernichten. Wir müssen alles nutzen, was uns zur Verfügung steht.“

Verantwortung liegt laut Gesundheitsbehörde beim Impfarzt

Die Gesundheitsbehörde weist darauf hin, dass die Dosen in Hamburg gemäß EMA-Zulassung entnommen werden. Und die sieht nur sechs Impfungen pro Ampulle vor. „Ob darüber hinaus weitere Dosen entnommen werden können, liegt in der Verantwortung des jeweiligen Impfarztes“, sagt Anja Segert, Sprecherin der Gesundheitsbehörde. Bedeutet: Die Ärzte dürfen zwar eine siebte Dosis verimpfen, tragen die Verantwortung aber selber. „Die Haftung geht teilweise auf den Arzt über“, bestätigt Dr. Jochen Kriens, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.

Kommentar: Wir müssen jeden Impf-Tropfen nutzen!

Im Hamburger Impfzentrum ist die Vorgabe klar: Weil laut Zulassung nur sechs Dosen enthalten sind, „müssen wir uns daran halten“, sagt Leiter Dr. Dirk Heinrich. In den Hausarztpraxen sieht das anders aus. Trotz des Risikos verimpfen viele Mediziner in Hamburg die siebte Dosis. Wenn auch mit ungutem Gefühl. „Wir würden uns Rückendeckung und eine offizielle Freigabe wünschen“, sagt Dr. Jana Husemann. Doch die soll es nicht geben. „Eine verbindliche Handlungsanweisung der Landesregierung gibt es hierzu nicht und ist auch nicht in Planung“, sagt die Sprecherin der Gesundheitsbehörde. 

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Bei der Impfung mit der siebten Dosis liegt laut Kassenärztlicher Vereinigung ein „Off-Label-Use“ (Gebrauch außerhalb der Zulassung) vor und der Impfling müsste schriftlich sein Einverständnis geben. Dr. Jana Husemann hält das für nicht praktikabel. „Das scheitert schon daran, dass wir als Ärzte gar nicht wissen, welche Spritze jetzt die siebte Dosis enthält, weil sie alle gleich aussehen. Dafür müsste jede siebte Dosis gekennzeichnet werden, was aufwendig und völlig unsinnig ist, weil sie genau das Gleiche enthält, wie die anderen Dosen auch.“

Etliche Bundesländer haben siebte Dosis offiziell freigegeben

Was in Hamburg unmöglich scheint, ist in etlichen anderen Bundesländern bereits durchgesetzt. Unter anderem in Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz dürfen niedergelassene Ärzte aus einem Fläschchen Biontech-Impfstoff offiziell sieben Dosen verimpfen. Und das scheint notwendiger denn je – nachdem der Hersteller jetzt bekanntgegeben hat, dass zwei Impfungen mit Biontech wohl nicht ausreichen werden.

„Ein wahrscheinliches Szenario ist, dass es die Notwendigkeit einer dritten Dosis geben wird, irgendwo in einem Zeitfenster zwischen sechs und zwölf Monaten, und danach eine jährliche Neu-Impfung, aber all das muss noch bestätigt werden“, sagte Albert Bourlader, Vorstandsvorsitzender des Pharmakonzerns Pfizer, dem US-Sender CNBC. 

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