Auch in Hamburg verkauft: Wenn Tiere für billige Ramschware sterben
Pelz wird zur Ramschware: Winterjacken mit echtem Marderhundefell an der Kapuze sind im Schlussverkauf derzeit für 35 Euro zu bekommen – oft auch noch falsch deklariert als „100 Prozent Polyester“. Die MOPO begleitete den Hamburger Tierschützer Stefan Klippstein in mehrere Modegeschäfte und sprach mit ihm über Etikettenschwindel, gleichgültige Kunden und das kurze, schreckliche Leben der Marderhunde, die zu Millionen an Kapuzen und Kragen landen.
Pelz wird zur Ramschware: Winterjacken mit echtem Marderhundefell an der Kapuze sind im Schlussverkauf derzeit für 35 Euro zu bekommen – oft auch noch falsch deklariert als „100 Prozent Polyester“. Die MOPO begleitete den Hamburger Tierschützer Stefan Klippstein in mehrere Modegeschäfte und sprach mit ihm über Etikettenschwindel, gleichgültige Kunden und das kurze, schreckliche Leben der Marderhunde, die zu Millionen an Kapuzen und Kragen landen.
Hamburg, Billstedt Center, ein Outlet-Laden für günstige Mode: In langen Reihen hängen hier warme Steppjacken, eine Fellkapuze reiht sich an die Nächste. „Ein Marderhund-Friedhof“ sagt Stefan Klippstein und greift nach einem Etikett: Von 139,99 Euro heruntergesetzt auf 50 Euro. Der Echtfell-Test: Er pustet gegen das weiche Fell, die Haare bewegen sich bei dem leisesten Hauch. Unter dem dichten weichen Fell ist Leder, kein Stoff wie bei Kunstfell. Der Kragen war einmal ein Marderhund – das ist auf den Schildern aber nicht vermerkt.
„Echter Marderhund ist billiger als Kunstpelz“, sagt Klippstein. Und weil „Marderhund“ sich zu sehr nach Hundefell anhört und Kunden sich erschrecken könnten, steht stattdessen oft „Raccoon“, auf dem Schild, englisch für „Waschbär“. Waschbären, so glauben die Kunden dann, sind ja Schädlinge und müssen geschossen werden. „Dabei stammen die genauso von den elenden Pelztierfarmen wie die Marderhunde“, so der Tierschützer.

Besonders dreist: Mit „100 Prozent Polyester“-Etiketten wird den Kunden Kunstpelz vorgegaukelt, obwohl etwa der Bommel der billigen Pudelmütze einmal ein Kaninchen war. Mehrere solcher Fälle hat Klippstein auf Hamburger Weihnachtsmärkten aufgedeckt, zuletzt in Bergedorf.
Risiko für Pelz-Schummler ist überschaubar
Schummelhändler müssen nicht befürchten, dass Behörden ihnen das Fell über die Ohren ziehen. Selbst wenn Tierschützer wie Klippstein Hinweise geben, hält sich der Eifer der Kontrolleure in Grenzen: „Die in der Beschwerde genannten Betriebe werden im Rahmen der üblichen Kontrollen aufgesucht und auf die angezeigten Missstände hin überprüft“, heißt es lapidar aus dem Bezirk Mitte, in dem das Billstedt Center liegt. Und das Bezirksamt Bergedorf, bei dem Klippstein den Mützenstand am Weihnachtsmarkt angezeigt hat, erklärt: „Da es sich um einen Erstverstoß handelte und der Verkäufer die drei Mützen sofort aus dem Verkauf nahm, wurde kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und auch die Einziehung der Ware nicht angeordnet.“
Das Leid der Marderhunde für die Billigklamotten ist schrecklich. Zehn Monate lang sind die Tiere in gestapelten Drahtkäfigen eingesperrt, in denen sie sich kaum drehen können, bevor sie „geerntet“ werden. Ob die Farmen in China stehen oder nur ein paar Autostunden von Berlin entfernt in Polen, das macht kaum einen Unterschied.

Klippstein blickt auf die zahlreichen Kunden, die mit puscheligen Kragen und Kapuzen durch das Einkaufszentrum Billstedt bummeln. Viele tragen Marderhund ums Gesicht, vielleicht sogar, ohne es zu wissen. Ob es sie empören würde? Klippstein winkt ab: „Den meisten Menschen ist es egal.“ Warum gerade Marderhunde? „Die werden weniger schnell krank als Nerze oder Füchse“, sagt Klippstein.
Pelz: Darum sind Marderhunde so beliebt
Früher gab es bei Pelzen die Fantasiebezeichnung „Gaewolf“, das waren die Felle von Hunden. Als die EU 2008 die Einfuhr von Hunde- und Katzenfellen verbot, weil die Menschen die Bilder von den chinesischen Hunde- und Katzenfarmen dann doch zu schockierend fanden, mussten die Pelzproduzenten eine andere, ebenso einträgliche Tierart finden – und kamen auf den Marderhund. Er ist recht groß und hat wunderbar weiches Fell mit lang heraus stehenden Haaren, die sich schön im Wind bewegen.
So etwas gefällt den Menschen und der Marderhund gilt als nicht so niedlich wie der Haushund. „90 Prozent der echten Felle an Kapuzen, Kragen oder Schuhen sind inzwischen von Marderhunden“, sagt der Tierschützer.

Nur ein paar Schritte weiter im Billstedt-Center, in einem Laden der Fastfashion-Kette „Jumex“, die nächste Steppjacke mit Marderhundkragen. Schon vor einigen Tagen hatte Klippstein hier die Etiketten kontrolliert, festgestellt, dass überhaupt kein Hinweis auf das Material vorhanden war und das zuständige Verbraucherschutzamt des Bezirks Mitte informiert.
Das Ergebnis: Inzwischen wurde auf den Etiketten per Hand der in der EU vorgeschriebene Text ergänzt: „Enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs“ – konkretere Hinweise hat die Pelzlobby verhindert. „Tierischer Ursprung“ kann aber alles mögliche sein, ein lederbezogener Knopf, eine Wollmütze oder eben ein Bommel aus Kaninchenfell.
Strengere Pelz-Regeln in der Schweiz
In der Schweiz ist das anders: „Dort muss auf den Etiketten stehen, von welchem Tier der Pelz stammt, aus welchem Land er kommt und wie die Haltungsbedingungen waren“, sagt Klippstein.
„Jumex“ gehört zur Shoe Planet GmbH in Neuss, die auf eine MOPO-Anfrage nicht antwortete. Ein Verkäufer der Bergedorfer Jumex-Filliale erklärt gegenüber der MOPO: „Wir sind für die Etiketten nicht zuständig, das machen die Hersteller.“ Eine klassische Ausrede, sagt Klippstein: „Endverkäufer müssen sicherstellen, dass die Etiketten den EU-Vorschriften entsprechen“.
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Echter Pelz, einst ein Statussymbol, ist zum Wegwerf-Artikel für eine Handvoll Euro geworden:„Das Hauptproblem ist das Billigsegment im Textilhandel“, sagt Stefan Klippstein. Die meisten Luxuslabels verwenden nur noch hochwertigen Kunstpelz, H&M, Zara, C&A, Karstadt – alle haben sich zu pelzfreien Zonen erklärt. Auch das Alsterhaus ist 2021 dem „Fur Free Retailer-Programm“ der Tierschutzstiftung „Vier Pfoten“ beigetreten und verbietet seinen Mietern den Verkauf von echtem Pelz.
Die ECE-Group, die das Billstedt-Center betreibt, will den Verkauf von Echtpelzen nicht verbieten, erklärt die Pressestelle auf MOPO-Nachfrage: „Uns als Betreiber und Vermieter des Centers liegen keine Informationen zur Herkunft der Produktsortimente vor.“