„Man kann nicht mit Terroristen zusammen sitzen und über Kopftücher verhandeln!“
Die Wut der Anwesenden ist spürbar. Sie sind unruhig, eine Frau hebt mehrfach die geballte Faust. Die Anwesenden, das sind die liberalen Muslime Hamburgs. Sie sind fassungslos, dass die Hamburger Politik mit Verbänden wie dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) überhaupt einen Vertrag abgeschlossen hat. Der Vorwurf: „Man kann nicht mit Terroristen zusammen sitzen und über Kopftücher verhandeln!“
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Die Wut der Anwesenden ist spürbar. Sie sind unruhig, eine Frau hebt mehrfach die geballte Faust. Die Anwesenden, das sind die liberalen Muslime Hamburgs. Sie sind entsetzt, dass die Hamburger Politik überhaupt mit Verbänden wie dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) Verträge abgeschlossen hat. Der Vorwurf: „Man kann nicht mit Terroristen zusammensitzen und über Kopftücher verhandeln!“
Nur die Wut ist größer, als das Verlangen zu diskutieren: Am Dienstagabend findet im Karoviertel eine Veranstaltung zum Thema „10 Jahre Staatsvertrag der Hansestadt Hamburg mit den Islamverbänden – wie weiter?“ statt. Hauptorganisatoren sind der Verein Säkularer Islam Hamburg, die Kulturbrücke Hamburg und das Mideast Freedom Forum Berlin. Hauptkritikpunkt: das Hofieren von radikal-konservativen Verbänden wie des Islamischen Zentrums durch die Hamburger Politik.
Hamburg: Liberale Muslime kritisieren Staatsvertrag mit Islamverbänden
Die Zuschauer können kaum an sich halten: Mehrfach wird das Vorgetragene kommentiert, es herrscht Unruhe. Die liberalen Muslime sind fassungslos, dass die Hamburger Politik mit Verbänden wie dem IZH und der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) überhaupt einen Vertrag abgeschlossen hat.

Denn: Beide Verbände sind streng religiös-konservativ, beide haben ihre Wurzeln im Ausland. DITIB ist der türkischen Religionsbehörde unterstellt und gilt als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Erdogan. Die Organisation betreibe „türkische Lobbyarbeit auf deutschem Boden“, sagt Ali Toprak, Bundessprecher der „Initiative Säkularer Islam & Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland“. Seit 2018 prüft der Verfassungsschutz eine Einstufung der DITIB-Zentrale als Verdachts- und Beobachtungsobjekt.
Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ist laut Verfassungsschutz „ideologisch, organisatorisch und personell ein Außenposten des Teheraner Regimes“. Der Iran leugnet das Existenzrecht Israels. Zuletzt geriet ein Mullah aus der Blauen Moschee in die Schlagzeilen: Ihm wurde von der Innenbehörde eine Ausweisungsverfügung zugestellt – wegen seiner Verbindungen zur Terror-Organisation Hisbollah.
IZH-Mullah muss Deutschland verlassen
Immigrierte liberale Muslime empfinden den Vertrag als Schlag ins Gesicht: Aufgebracht berichtet ein Zuschauer, er sei nach Deutschland geflohen, um eben diesen religiösen Fanatikern zu entkommen. Er kam für Freiheit und Gleichberechtigung – und muss jetzt ertragen, dass Organisationen wie das IZH und DITIB angeblich seine und die Interessen der Hamburger Muslime vertreten.

Der Zuschauer scheint damit vielen Anwesenden aus der Seele zusprechen – so auch Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime. Sie gehört zu den Sprecherinnen auf dem Panel. Ahadi berichtet, dass sie im Iran miterlebte, wie Frauen auf der Straße gesteinigt wurden. „Ich dachte, wenn die Welt davon hört, bleiben die Uhren stehen, bleibt die Welt stehen.“ Doch das geschah nicht. Im Gegenteil: Trotz allem habe Teheran durch das IZH Einfluss auf die Bildung und das Weltbild der Muslime hier in Hamburg. Das Problem am Vertrag seien nicht kleine Fehler, sondern die Vertragspartner selbst: „Man kann nicht mit Terroristen zusammensitzen und mit ihnen dann über Kopftücher verhandeln.“

Gegenüber der MOPO berichtet eine Zuschauerin von ihrem Schwiegervater, der aufgegeben habe, in Hamburg eine Moschee zu besuchen – obwohl er sehr religiös sei. Doch er finde keine Moschee mehr, in der er nur seine Spiritualität ausleben könne. „In allen Moscheen, die er hier besucht hat, werden politische Botschaften vermittelt, die er als Demokrat nicht vertreten kann. Er kann nicht die Vernichtung Israels hinnehmen, er kann nicht hinnehmen, dass Homosexuelle ausgeschlossen, dass Frauen nicht gleichberechtigt behandelt werden.“
Ahadi: „Man kann nicht mit Terroristen zusammen sitzen und über Kopftücher verhandeln“
Die Macht der Verbände und ihrer Anhänger sei so groß, dass muslimische Frauen auch in Deutschland nicht frei leben könnten. Ab und an bekommen das auch nicht-muslimische Deutsche mit: in Form von Schlagzeilen zu Femiziden – Männer, die Frauen ihrer Familie umbringen, da diese ein „falsches“, weil freies Leben führten. Auch Mina Ahadi bekommt aufgrund ihrer Äußerungen Morddrohungen – und ist nicht die Einzige im Raum. Es trifft auch liberale muslimische Männer.

So auch Ali Toprak. Er wirft der Politik „unerträgliche Ignoranz“ vor. Die Zusammenarbeit der Politiker mit DITIB bedeute Selbstaufgabe. Was er nicht begreift: „Grüne und SPD gehen mit deutschen Rechtsradikalen nicht so zimperlich um, wie mit muslimischen.“
Die anwesenden Politiker von SPD, Grünen und CDU tun sich sichtlich schwer mit den Vorwürfen. Man wiegelt ab, weist von sich, greift an. Vor allem SPD-Politiker Ekkehard Wysocki will nichts von der Kritik hören. Mit „das ist Unsinn“ watscht er Toprak ab – solange bis FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein ihn öffentlich tadelt. Sie teilt die Ansicht der Anwesenden. Die radikalen Tendenzen der Vereine sollten niemanden überraschen: „Man wusste damals schon, mit wem man da Verträge schließt.“
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Die Ablehnung des Vertrages durch die liberalen Muslime – wie auch durch die anwesenden Vertreter jüdischer Interessen – wird mehr als deutlich.

Doch was fordern sie? „Man muss endlich den Vertrag mit Verbänden, die aus dem Ausland dirigiert werden, beenden“, sagt Ali Toprak. Mit diesen Verbänden dürfe es keinen Dialog und keine Zusammenarbeit geben. „Aber natürlich müssen wir den Dialog mit den Muslimen unserer Stadt suchen.“ Die meisten Muslime seien keine Mitglieder in den kritisierten Organisationen. „Deshalb müssen wir eine Form finden, in der wir die nicht organisierten Muslime noch stärker einbinden als bisher.“