Männerbund „Schlaraffia“: Warum diese Hamburger sich gegenseitig in Käfige sperren
Ein versteckter Keller unter einem Logenhaus mitten in Hamburg. Ein elitärer Kreis aus alten Herren. Und ein Käfig, in den unartige Vereinsmitglieder gesperrt werden – willkommen bei den „Schlaraffen“. Die MOPO durfte bei einer der geheimen „Sippungen“ (Treffen) des Männerbundes dabei sein. Und die Reporterin wurde direkt hart „bestraft“.
Ein versteckter Keller unter einem Logenhaus mitten in Hamburg. Ein elitärer Kreis aus alten Herren. Und ein Käfig, in den unartige Vereinsmitglieder gesperrt werden – willkommen bei den „Schlaraffen“. Die MOPO durfte bei einer der geheimen „Sippungen“ (Treffen) des Männerbundes dabei sein. Und die Reporterin wurde direkt hart „bestraft“.
Ihren Treffpunkt in der Moorweidenstraße in Rotherbaum bezeichnen die „Schlaraffen“ als ihre „Burg“. Etwa viermal im Monat kommen sie hierher, zumeist 60- bis 80-jährige Männer, gehüllt in farbenfrohe, mit zahlreichen Orden versehene Umhänge, auf dem Kopf einen Hut.
Im Männerclub „Schlaraffia“ sind Frauen nicht erlaubt
An diesem Montagabend im Dezember sind besonders viele von ihnen in den großen, urig eingerichteten Raum mit den langen Tischen und den rot-blauen Vorhängen gekommen. Nicht nur aus dem Hamburger Ortsverband, der „Hammonia“, sondern auch aus anderen „Reichen“, wie zum Beispiel dem „Sachsenwald“ (Bergedorf) oder „Flensburgia“ (Flensburg). „Zum ersten Mal seit Corona ist es wieder so voll!“, freut sich einer. Auf den Tischen und an den Wänden hängen Schwan-Figuren, das Maskottchen der „Hammonia“.

MOPO-Reporter Florian Quandt muss eine weiße Mütze aufsetzen, weil er zum ersten Mal an einer „Sippung“ teilnimmt. Er ist jetzt ein „Pilger“. „Knappen“ bekommen eine Mütze mit einer Nummer, bei „Junkern“ steht der Nachname drauf und wer zum „Ritter“ geschlagen wurde, dem wird auch ein entsprechender Titel auf die Mütze gestickt. Da gibt es die lustigsten Namen: von „Ritter Habemus Kurzschluss“ über „Ritter Lyroton der Federhalter“ bis hin zu „Ritter Pharmakant der fangflotte Tropsensproß“. MOPO-Reporterin Pauline Reibe bekommt jedoch keine Kopfbedeckung – Frauen dürfen an den Sitzungen nicht teilnehmen und so wird sie zu deren Beginn als „unsichtbar“ erklärt.

Jetzt beginnt der offizielle Teil der Veranstaltung: Die Besucher aus anderen „Reichen“ werden begrüßt („Einritt“) und übergeben dem auf dem „Thron“ sitzenden Vorsitzenden der Hammonia Geschenke. Weder Weihrauch noch Myrrhe – die meisten haben ganz normale Süßigkeiten aus dem Supermarkt dabei. Dazu werden Reden geschwungen – zumeist in Reimen. Die „Schlaraffen“ haben ihre ganz eigene Sprache, es gibt sogar ein kleines Wörterbuch. Mit ein bisschen Vorstellungskraft kann man sich das meiste zusammenreimen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist nur das dreifache „Lulu“, das die Männer immer dann rufen, wenn sie sich über etwas freuen.
Herrenverein: Weltweit gibt es 9000 „Schlaraffen“
Wer übrigens denkt, bei den „Schlaraffen“ handelt es sich um eine Handvoll verrückter Hamburger, der liegt falsch. Weltweit gibt es 9000 von ihnen, unter anderem in Mexiko, auf Mallorca und Thailand. Bei allen Treffen wird Deutsch gesprochen. Gegründet wurde die „Schlaraffia“ 1859 in Prag. Von Anfang an ging es darum, sich über sich selbst und andere lustig zu machen.

Nach einer kleinen Pause ist es Zeit für die Beiträge der Mitglieder. Sie rezitieren Gedichte, erzählen Geschichten, machen Witze, einer spielt Querflöte, ein anderer stellt sich mitten in den Raum und singt voller Inbrunst ein Lied über die Liebe. Jeder bekommt nach seinem Beitrag aus Richtung Thron als Belohnung ein Stück Schokolade oder einen Anstecker für Mantel oder Hut. Tabu sind nur drei Themen: Religion, Politik und Beruf. Auch Sex und Frauen sind (eigentlich) nicht erlaubt.

„Alles, was zu Ärger führen kann, bleibt draußen. Sobald wir den Mantel anziehen, legen wir unsere alte Identität ab“, sagt Ritter Pharmakant – im echten Leben Andreas Dangschat. „Das tut gut, da wir uns ja selbst auch nicht zu ernst nehmen. Es ist wie eine andere Welt.“ Schon sein Vater sei bei den „Schlaraffen“ gewesen, der Verein sei so etwas wie seine Heimat.

Etwas unheimlich ist jedoch immer noch der Käfig in der einen Ecke des Raumes. Und ehe die MOPO-Reporterin sich’s versieht, steckt sie drin. Begründung: Man wisse nicht so recht, wie weit man der Presse vertrauen kann. Natürlich ist auch das ein Scherz und nach einer Weile darf sie das Verlies wieder verlassen. Das wird übrigens nicht so häufig genutzt – da muss sich schon jemand so richtig danebenbenehmen. Und eigentlich war die Reporterin ja auch „unsichtbar“. Das scheinen die Herren nur hin und wieder zu vergessen.
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Da die meisten schon ziemlich alt sind, suchen die „Schlaraffen“ gerade nach Wegen, wie sie ihren Verein für den Nachwuchs interessant machen können. Eins bleibt ausgeschlossen: Dass Frauen an den „Sippungen“ teilnehmen.